Stand: 30.10.2025 13:16 Uhr
Schauspieler Albrecht Schuch ist immer zu haben für komplexe Figuren – und veredelt durch sein Ausnahmetalent jeden Film. So war es nur konsequent, dass ihn auch Stefan Haupt unbedingt für seine Verfilmung des Max Frisch-Klassikers „Stiller“ haben wollte.
Kafkaeske Situation, in die da ein Mann bei der Einreise in die Schweiz gerät: Beim Vorzeigen seines amerikanischen Passes wird er festgenommen und ins Züricher Untersuchungsgefängnis gesteckt. Eine peinliche Verwechslung? Oder versteckt sich der Mann tatsächlich hinter einer gefälschten Identität?
Im 1954 erschienenen Roman von Max Frisch beteuert ein Ich-Erzähler in Tagebuch-Einträgen, dass er nichts zu tun habe mit diesem „Stiller“ – und untermauert dies mit bizarren Abenteuergeschichten aus seinem Leben als Weltenbummler. Aber wie daraus einen Film machen? Luchino Visconti und Wim Wenders haben die Idee einst wieder verworfen. Stefan Haupt aber hat nun einen Weg gefunden: Er lässt die Geschichten weitgehend weg und konzentriert sich ganz auf die menschlichen Beziehungen. Stillers Ehefrau, gespielt von Paula Beer, bekommt deutlich mehr Gewicht.

Der Kinoherbst bietet gute Filme! Mit dabei sind „Avatar 3“, „Wicked 2“, „Amrum“ von Fatih Akin und eine Bruce-Springsteen-Biografie.
Stillers Kampf mit der eigenen Vergangenheit
In schwarz-weiß gehaltenen Rückblenden, in denen raffinierterweise Albrecht Schuch und der Kollege Sven Schelker die Rolle abwechselnd spielen, erfährt man, dass der Bildhauer Anatol Stiller vor sieben Jahren seine schwer kranke Frau erst betrogen, dann schmählich verlassen hat. Seither blieb er spurlos verschwunden. Der Mann, den Julika Stiller nun im Gefängnis trifft, leidet – man ahnt es schnell – nicht einfach an Amnesie. Er will sich offenbar nicht erinnern – zumindest nicht an den Teil seines Lebens und seines Charakters, den er hinter sich lassen möchte. Wiederholt schaut Albrecht Schuch in der Rolle gequält in den Spiegel. Ein Muss-Kinobild, wenn es um das Hadern mit der eigenen Identität geht:
„Was hab‘ ich für ein Bild von mir? Wie sehen mich andere? Wie will ich, dass mich andere sehen? Und was stört mich an mir? Also da sind super viele schöne menschliche Themen darin und Themen, die behandelt werden, mit denen jeder, ich glaube, jeder irgendwie konfrontiert wird.“
Filmszene
Zeitlose Themen in frischem Gewand
Ein bisschen führen die historischen Kulissen in die Irre. 50er-Jahre-Automobile und -Kostüme – da denkt man unweigerlich, es ginge um die Nachkriegszeit im Speziellen. Regisseur Haupt kann aber schlüssig erklären, warum er sich gegen eine zeitliche Aktualisierung des Stoffs entschieden hat: „Diese Grundgeschichte, dass einer zurückkommt, sieben Jahre verschollen war, sich einen neuen Namen gegeben hat, wäre heutzutage viel schwieriger zu behaupten. Da wird einfach ein DNA-Test gemacht. Insofern war uns klar, dass wir in der Zeit bleiben müssen.“
Die Themen jedoch sind zeitlos: Scheitern einer Liebesbeziehung, auch an krankhafter Selbstbezogenheit und falschen Vorstellungen von Männlichkeit. Und: „Der tiefe Wunsch, sich selber zu verändern und realisieren zu müssen – verdammt, wie schwierig ist das! Ich kann mir den Namen White geben, also Weißes Blatt, aber ich nehme die Vergangenheit mit“, so Albrecht Schuch.
Bei der Wiederbegegnung mit Julika aber versucht der Mann auf der Flucht vor sich selbst ein anderer zu sein. Vielleicht hat diese Liebe noch eine zweite Chance?
„Stiller“ entstaubt Max Frischs Romanvorlage
Man muss kein Frisch-Kenner sein, um dem herausragenden Schauspieler-Paar Schuch und Beer gebannt zuzuschauen. Mit ihrer Hilfe wurde „Stiller“ erfolgreich entstaubt: Das seitenlange Schwadronieren fällt weg, die Essenz der Geschichte bleibt. Eine etwas gediegene, aber „barrierefreie“ Literaturverfilmung.

Stiller
- Genre:
- Drama
- Produktionsjahr:
- 2025
- Produktionsland:
- Schweiz, Deutschland
- Zusatzinfo:
- mit Albrecht Schuch, Paula Beer, Sven Schelker und anderen
- Regie:
- Stefan Haupt
- Länge:
- 99 Minuten
- Altersempfehlung:
- ab 12 Jahren
- Kinostart:
- 30. Oktober 2025