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Manche Europäer können davon ausgehen, dass sie mit zunehmendem Alter einsamer werden – aber Amerikaner könnten in der Lebensmitte ihre größte soziale Flaute erleben, so neue Forschungsergebnisse.
Einsamkeit hat sich zu einem großen Problem für die öffentliche Gesundheit entwickelt, das das Risiko für alles Mögliche erhöht, von Depressionen und Typ-2-Diabetes bis hin zu Demenz und Schlaganfall. Allerdings wird dieses Problem oft als ein Problem betrachtet, das nur sehr junge und sehr alte Menschen betrifft, die Bevölkerung im mittleren Alters wird manchmal übersehen.
Für die neue Studie untersuchten die Forscher das Ausmaß der Einsamkeit bei mehr als 64.000 Menschen im Alter von 50 bis 90 Jahren in 29 Ländern, die meisten davon in Europa. Sie verwendeten eine Einsamkeitsskala, bei der berücksichtigt wurde, wie oft die Menschen das Gefühl hatten, keine Gesellschaft zu haben, sich ausgeschlossen zu fühlen oder sozial isoliert zu sein.
Am einsamsten waren Erwachsene mittleren Alters und ältere Menschen in Zypern und Griechenland, so die in der Zeitschrift Aging & Mental Health veröffentlichte Studie. Am wenigsten einsam waren sie in Dänemark, der Schweiz und Österreich.
In allen Ländern neigten die Menschen dazu, mit zunehmendem Alter einsamer zu werden – wie sehr, hing jedoch davon ab, wo sie lebten, wobei die Einsamkeit in Bulgarien und Lettland mit dem Alter am stärksten zunahm.
In allen Altersgruppen war die Einsamkeit mit der Tatsache verknüpft, dass die Menschen nicht arbeiteten, unverheiratet waren, Depressionen hatten oder sich in einem schlechten Gesundheitszustand befanden, wobei die Bedeutung dieser Faktoren von Land und Altersgruppe abhing.
In den USA zum Beispiel war Arbeitslosigkeit eng mit Einsamkeit in der Lebensmitte verbunden. Dort fühlen sich Menschen mittleren Alters einsamer als ältere Generationen. (Derselbe Trend zeigte sich in den Niederlanden, aber der Bericht wies auf Datenbeschränkungen hin, die diesen Zusammenhang hier weniger sicher machen).
Ein Signal, mehr Beziehungen zu suchen
Die Unterschiede zwischen den Ländern und Altersgruppen deuten darauf hin, dass Einsamkeit nicht nur eine natürliche Folge des Alterns ist – sie hängt wahrscheinlich mit umfassenderen sozialen Faktoren wie Arbeit und Pflegeanforderungen zusammen, so die Forscher.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Einsamkeit nicht nur ein Problem des späten Lebens ist“, betont Esteban Calvo, Dekan an der Universidad Mayor in Chile und leitender Autor der Studie.
„Eine Einheitslösung wird dieses weltweite Problem nicht lösen“, so Calvo weiter.
Die Faktoren, die laut dem Bericht mit Einsamkeit zusammenhängen, wurden nicht näher untersucht. Eine alleinstehende Person könnte beispielsweise geschieden, verwitwet oder nie verheiratet sein, eine arbeitslose Person könnte dagegen entweder arbeitslos oder im Ruhestand sein – solche Unterscheidungen können einen großen Unterschied ausmachen.
„Es gibt Dinge, die nicht unbedingt umsetzbar sind. Jeder verliert irgendwann einen Partner“, so Caterina Mauri, eine leitende Forscherin am Brüsseler Institut für Sozial- und Bevölkerungsstudien an der Freien Universität Brüssel (VUB), gegenüber Euronews Health.
Angesichts der Zusammenhänge zwischen Einsamkeit, Gesundheitszustand und Lebensqualität ist sie jedoch der Meinung, dass dieses Thema mehr Aufmerksamkeit verdient – für Menschen jeden Alters.
Und wie sieht es konkret in Deutschland aus?
Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa telefonisch unter 1.403 Erwachsenen in ganz Deutschland durchgeführt hatte, geben rund 60 Prozent der Deutschen an, häufig, gelegentlich oder selten unter Einsamkeit zu leiden.
Besonders stark betroffen sind demnach jüngere Menschen: In der Altersgruppe der 18- bis 39-Jährigen berichten 68 Prozent, sich zumindest gelegentlich einsam zu fühlen. Für 36 Prozent dieser Altersgruppe stellt das Gefühl der Einsamkeit eine starke oder eher starke Belastung dar.
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Bei den über 40-Jährigen hingegen verspürt nur etwa die Hälfte Einsamkeit.
Die Studie kommt zudem zu dem Ergebnis, dass Faktoren wie Bildungsstand, Berufstätigkeit, Geschlecht oder die Größe des Wohnortes kaum Einfluss auf das Empfinden von Einsamkeit haben. Ausschlaggebend sind vielmehr die Qualität sozialer Beziehungen und das Vorhandensein einer Partnerschaft.
Männer sprechen ungern über Einsamkeitsgefühle
Die Studie zeigt außerdem, dass es vielen Menschen schwerfällt, über ihre Einsamkeit zu sprechen – insbesondere Männern. Als Hauptgrund wurde angegeben, „niemanden belasten zu wollen“. Nur rund jeder fünfte betroffene Mann gab an, regelmäßig oder zumindest gelegentlich mit anderen darüber zu sprechen.
Bei den befragten Frauen liegt dieser Anteil deutlich höher: 40 Prozent von ihnen tauschen sich über ihre Einsamkeit aus.
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Dabei kann Einsamkeit sogar körperliche Erkrankungen begünstigen, betonte Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK, bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Laut Baas ist längst keine bloße Annahme mehr, sondern wissenschaftlich belegt.
Fest steht auch, dass Einsamkeit auch eine psychische Belastung darstellt: Betroffene berichten häufiger von Symptomen wie Stress, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, schlechter Stimmung, Schlafproblemen oder Angstzuständen.