Letzte Proben in der Christuskirche im Nürnberger Stadtteil Altenfurt: Perücken sitzen, Nonnen-Habite werden gerichtet, Ratsherren prüfen ihre Kostüme. Rund 50 Mitglieder der Kirchengemeinde bereiten sich auf die Premiere ihres Reformations-Singspiels vor. Gemeinsam mit einem ökumenischen Chor und einem Jugendorchester bringen sie auf die Bühne, wie Nürnberg im Jahr 1525 evangelisch wurde.
„Also ich bin eine Gläubige und eine Nonne. Ich muss mich irgendwann im Stück umziehen. Wie das so vonstattengeht, weiß ich auch noch nicht so ganz genau, aber das wird sich hoffentlich heute finden“, sagt Bettina Marr und lacht.
Martin Luther als Nebenfigur
Während sich einige Darsteller noch in ihre Rollen einfinden, sucht Physikstudent Bernward Lauterbach seine Mönchskutte. Er spielt Martin Luther – wenn auch nur eine kleine Rolle. „Es ist natürlich auch der Bezug zur Stadtgeschichte, den ich sehr interessant finde“, sagt er.
Im Reformationsspiel der Altenfurter Kirchengemeinde ist Martin Luther nur eine Nebenfigur, entsprechend der Stadtgeschichte. Denn in Nürnberg selbst war Luther nur kurz präsent. Nach der Veröffentlichung seiner berühmten 95 Thesen gegen die katholische Ablasspraxis 1517 kam er zweimal auf der Durchreise vorbei. Doch seine Ideen verbreiteten sich schnell – und spalteten Freundschaften.
Wenn aus Freundinnen Gegnerinnen werden
Wie aus Nachbarinnen plötzlich Gegnerinnen wurden, zeigen die beiden 15-jährigen Schülerinnen Helena und Adriana in langen roten Gewändern. „Wir sind am Anfang Ablassverkäufer und dann ziehen wir das aus und dann sind wir zwei Frauen auf dem Markt, die streiten“, erzählt Helena Wasmuth. Ihre Freundin ergänzt: „Genau, weil wir sind auf gegnerischen Seiten: Ich bin Lutheranerin.“ – „Und ich bin Altgläubige“, sagt Helena. „Und das heißt, wir streiten uns dann nachher richtig.“
Was andernorts in Gewalt endete, das blieb in Nürnberg friedlich. Statt mit Waffen begegneten sich Katholiken und Lutheraner 1525 im Rathaussaal – beim sogenannten Religionsgespräch. Zwölf Tage lang diskutierten Ratsherren, Pfarrer und Theologen, bis klar war: Nürnberg wird evangelisch.
Ein Stück über Streit und Verständigung
Für Autorin und Regisseurin Anne Wasmuth ist diese Haltung bis heute aktuell. „Die Ratsherren wollten de facto auch erreichen, dass die Menschen in Nürnberg gut zusammenleben können. Dass die Bauernkriege sozusagen an Nürnberg vorbeiziehen“, erklärt sie. „Und das, finde ich, ist heute vorbildhaft – zu überlegen: Es geht halt alles nicht nur auf Konfrontation. Bei allem, was uns unterscheidet, muss man trotzdem versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden, damit man in der Stadt friedlich zusammenleben kann.“
Musik als Brücke zwischen den Zeiten
Musikalisch begleitet wird das Singspiel von einem ökumenischen Chor und einem Schülerorchester der Musikschule Nürnberg. Die eigens komponierte Musik stammt vom Nürnberger Musiker und Pfarrer Jens Uhlendorf.
Die Premiere am Reformationstag ist der Höhepunkt des Jubiläumsjahres – und nach den begeisterten Proben dürfte es kaum die letzte Aufführung bleiben.