Unter Juristen bestehen große Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Angriffe. Unabhängige Experten der UN haben die Bombardierungen im Oktober als „außergerichtliche Hinrichtungen“ eingestuft. Die Angriffe hätten keine rechtliche Grundlage – selbst wenn sie tatsächlich Drogenkuriere treffen sollten.
Die US-Regierung hat in den vergangenen Monaten verschiedene Argumente zur Rechtfertigung der Militärschläge angeführt. Einer ersten Argumentation zufolge dienen sie der Selbstverteidigung. Der UN-Botschafter der USA, Mike Waltz, berief sich im Oktober auf Artikel 51 der UN-Charta, die Staaten das Recht dazu einräumt. Auch die stellvertretende Pressesprecherin des Weißen Hauses, Anna Kelly, sagte nach dem ersten Militärschlag im September, der Angriff habe der „gemeinschaftlichen Selbstverteidigung“ gegolten.
Allerdings hatte das Boot laut einer Recherche der New York Times beim Anblick der US-Flugzeuge bereits umgekehrt und war auf dem Rückweg nach Venezuela – von einer unmittelbaren Bedrohung konnte keine Rede sein. Juristen bezweifeln außerdem, dass der Export von Drogen mit einem bewaffneten Angriff im Sinne des Völkerrechts gleichzusetzen ist.
In den vergangenen Wochen scheint sich die US-Regierung auf eine andere Argumentation verlegt zu haben. So informierte Trump Anfang Oktober den Kongress, man befinde sich in einem „nicht-internationalen bewaffneten Konflikt“ mit Drogenkartellen. In einem solchen Konflikt kann ein Staat nach den Regeln des humanitären Völkerrechts auch das Militär einsetzen. Aber auch hier haben Juristen Bedenken: Der Gegner müsse in diesem Fall aus einer bewaffneten Gruppierung mit klarer Kommandostruktur bestehen, die intensive oder anhaltende bewaffnete Angriffe gegen einen Staat ausübt. Das sei bei Drogenkartellen nicht gegeben, schreibt der Verfassungsrechtler Marty Lederman, der sich an der Georgetown University schwerpunktmäßig mit dem Thema nationale Sicherheit befasst.
Überformt wird diese Diskussion durch Äußerungen der US-Regierung, wonach Drogenschmuggel mit Terrorismus gleichzusetzen sei. Trump stufte die Gruppe Tren de Aragua am ersten Tag seiner zweiten Amtszeit als ausländische Terrororganisation ein. Außenminister Marco Rubio bezeichnete Drogenschmuggler als „Narco-Terroristen“, und Verteidigungsminister Hegseth sagte wiederholt, Drogen lateinamerikanischer Kartelle hätten mehr Menschen getötet als die islamistische Terrororganisation Al-Kaida.
Nur: Terrorgruppen müssen nach der Definition des US-Außenministeriums eigentlich politische Ziele haben. Das trifft nach Auffassung von Rechtsexperten auf Drogenkartelle nicht zu. Und selbst dann wären Militärschläge gegen mutmaßliche Drogenschmuggler nicht legal, wie UN-Experten festgehalten haben. „Internationales Recht erlaubt es nicht, im Ausland einseitig Gewalt einzusetzen, um Terrorismus oder Drogenhandel zu bekämpfen“, heißt es in einem Bericht vom September.