Eine Frau mit schwarzen Haaren sitzt an einer Nähmaschine.

AUDIO: „Früher hießen wir Gastarbeiter“ im MK&G (3 Min)

Stand: 31.10.2025 07:44 Uhr

Sie kamen in den 1960er- und 1970er-Jahren nach Deutschland: Menschen aus der Türkei und Griechenland, angeworben von der deutschen Regierung, um auf Zeit hier zu arbeiten. Jetzt zeigt das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe rund 80 Fotos eben dieser Menschen.

von Kerry Rügemer

Ein VW Bulli – heute ist dieser Typ längst ein Oldtimer – steht neben anderen Pkw am Straßenrand. Alle Wagendächer sind voll bepackt. Auf dem Foto daneben sieht man ein paar Männer, die sich in einem Grünstreifen neben der Fahrbahn kurz hingelegt haben. Es waren die langen, beschwerlichen Reisen in die südeuropäische Heimat.

Das Besondere an sämtlichen Fotos, die jetzt hier zu sehen sind: „Sowohl in der Sammlung als auch in der Geschichte der Fotografie haben wir wenig Bilder, die von den MigrantInnen selber aufgenommen wurden“, sagt Esther Ruelfs, die die Fotoabteilung des Museums für Kunst und Gewerbe (MK&G) leitet. Sie freut sich über die Erweiterung der Sammlung mit diesen Bildern, die aus den 1980er-Jahren stammen und von drei Amateurfotografen und einer -fotografin gemacht worden sind.

Rarität: Bilder von Frauen als Gastarbeiterinnen

Die von von Asimina Paradissa aus Griechenland sind eine Rarität, so Ruelfs: „Obwohl ein Drittel der Personen, die als sogenannte Gastarbeiter nach Deutschland kommen, weiblich sind, gibt es kaum Fotografinnen, die dann selbst die Kamera in die Hand nehmen. Und ich finde, man weiß auch wenig über diese Frauen.“

Paradissas kleinformatige Abzüge erlauben einen Einblick in ihr Privatleben in Deutschland ab 1968. Ihr Alltag mit Kolleginnen im Wohnheim für unverheiratete Frauen in Wilhelmshaven: Lachend mit Kolleginnen, verkleidet Karneval feiernd oder bei der Fabrikarbeit.

Traditionelle Arbeiterfotografie

Ganz in der Tradition der Arbeiterfotografie, die in den 1920er-Jahren das Leben der Arbeiterklasse dokumentierte, sind vor allem die Bilder und kritischen Collagen von Mehmet Ünal. So sieht man Porträts seiner Kollegen. Oben rechts steht „Ausländer“, unten links sind sie zu „Rausländern“ geworden.

Muhlis Kenter kam 1972 von Istanbul nach Aachen. Er hat seine Landsmänner und -frauen beeindruckend einfühlsam und nahbar während ihrer Arbeit porträtiert. „Gerade bei den Türken haben wir gemerkt, dass ein Gespräch sehr wichtig war. Dann haben sie sich auch geöffnet. Und mit den deutschen Fotografen war das nicht so einfach, weil damals die türkischen Mitbürger noch nicht soviel Deutsch sprechen konnten. Und das war gerade bei den türkischen Frauen sehr wichtig, weil sie teilweise sehr scheu waren und nicht wussten, was auf sie zukommt.“

Ausländerfeindliche Graffiti erschreckend aktuell

Der Titel dieser lohnenswerten Ausstellung stamme aus einem Gespräch mit dem vierten Fotografen Nuri Muslouglu, erzählt Esther Ruelfs. „Muslouglu meinte: Ja, früher hießen wir Gastarbeiter, dann hießen wir Ausländer, dann hießen wir Migranten.“

Und auch die Ablehnung gegenüber diesen Menschen ist hier dokumentiert: Mit Fotos ausländerfeindlicher Graffiti aus den 1980er-Jahren, die erschreckend aktuell wirken: „Weil es eine Wiederholung davon ist, was wir gerade erleben: Der Rechtsruck, verbunden mit einer Wirtschaftskrise – sozusagen die Geschichte, die sich wiederholt.“

Gastarbeiter aus Südeuropa nehmen 1965 bei Ankunft in der Bundesrepublik amtliche Informationsbroschüren entgegen.

Arbeiter aus dem armen Südeuropa sind die Stütze des deutschen Wohlstands – mit der Aufnahmebereitschaft aber hapert es.

Mitarbeitende verlassen 1972 zum Schichtwechsel das Volkswagenwerk in Wolfsburg.

Am 25. Mai 1945 lassen die Alliierten die „Stadt des KdF-Wagens“ in Wolfsburg umbenennen. Schnell wird sie zur VW-Stadt schlechthin.

Das Denkmal für die italienischen Einwanderer, "L'Emigrante" von Künstler Quinto Provenziani steht in Wolfsburg.

Die Stadt Wolfsburg hat den 60. Jahrestag mit einer Zusammenkunft am Auswanderer-Denkmal vor dem Hauptbahnhof gefeiert.

Eine Frau mit schwarzen Haaren sitzt an einer Nähmaschine.

„Früher hießen wir Gastarbeiter“: Fotoausstellung in Hamburg

Das Museum für Kunst und Gewerbe zeigt Fotos von Menschen, die in den 1960er- und 1970er-Jahren angeworben wurden, um in Deutschland zu arbeiten.

Datum:
31.10.2025, 10:00 Uhr
Ende:
17.05.2026
Ort:

Museum für Kunst und Gewerbe

Steintorplatz

20099

Hamburg

Öffnungszeiten:
Di bis So 10 bis 18 Uhr
Do 10 bis 21 Uhr
Preis:
14

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