„Problemimmobilie“: Wird schimmelige Wohnung für unbewohnbar erklärt? | ndr.de

Stand: 31.10.2025 08:39 Uhr
Die schlechten Bedingungen in einer Wohnung in dem Göttinger Wohnblock in der Groner Landstraße beschäftigen nun mehrere Gerichte. Zugleich widerspricht die Stadt Mutmaßungen über Sozialbetrug im großen Stil.
Defekte Heizung, Schimmel und frierende Mieter: In dem Göttinger Wohnblock häufen sich Probleme. Am Mittwoch hatte Mieterin Calina Farcas-Moldovan dem NDR Niedersachsen vor Ort einen Einblick verschafft – und den schlechten Zustand ihres Zuhauses gezeigt. Die Rechtsanwälte Sven Adam und Nils Spörkel bringen die Sache nun im Eilverfahren vor das Göttinger Amts- und das Verwaltungsgericht: Am Donnerstag ist laut Dokumenten, die dem NDR Niedersachsen vorliegen, beantragt worden, dass die Stadt die Wohnung der Mieterin für unbewohnbar erklärt. Neben dem Schimmelbefall sind etliche weitere Misstände aufgeführt. Auch ist beantragt, dass die Stadt Mieterin Farcas-Moldovan samt ihrer vier Kinder anderweitig unterbringt – auf Kosten der Vermieter.

Müll, Ratten, Schimmel: Mieterin Calina Farcas-Moldovan heizt jetzt mit einem Ofen. Der Vermieter kümmert sich nicht.
Anwälte fordern Reparatur der Heizung
Eine Mietminderung um 100 Prozent ist ebenfalls anvisiert. Außerdem sollen Vermieter und Wohnungseigentümerverwaltung die Heizung reparieren oder eine Reparatur durch Dritte ermöglichen. Wenn weiter behauptet werde, dass die Heizung defekt sei, müsse sie repariert oder die Reparatur durch einen Techniker nach Wahl der Klägerin geduldet werden, fordert Adams. In Kritik steht bei den Anwälten auch die Höhe der Mieten in dem Haus – sie zählen demnach in Göttingen zu den höchsten. „Das Geschäftsmodell, sich Spitzenpreise durch das Jobcenter finanzieren zu lassen, während das Haus verfällt, muss beendet werden“, kritisiert Spörkel.
Wohnungsverwaltung: Geld fehlt für Reparatur
Die Coeles GmbH als Wohnungseigentümerverwaltung rechnet derweil nicht damit, dass die Heizung noch vor Ende der Heizperiode repariert wird. Ihr fehle das Geld wegen des Insolvenzverfahrens von zwei großen Wohnungseigentümern sowie durch Mietrückstände. Zugleich erklärte Coeles-Geschäftsführer Dominik Fricke, elektrische Heizungen an die Mieter ausgeben zu wollen. Diese bekämen jedoch nur jene Mieter, denen nicht wegen Mietrückständen gekündigt worden sei. Zuletzt sprach Fricke davon, dass 145 von 161 seiner Mieter im Rückstand seien. Anwalt Adam zufolge zahlt das Jobcenter die Miete von Farcas-Moldovan direkt an den Vermieter, einen elektrischen Radiator habe sie bislang nicht bekommen.
Stadt: Kein Sozialbetrug im großen Stil
Zugleich steht der Vorwurf des Sozialbetrugs im Raum: Fricke hatte der „Bild“ berichtet, etwa 40 seiner Mieterinnen und Mieter würden vom Jobcenter übernommene Mieten nicht an ihre Vermieter weiterleiten. Der Stadt zufolge gibt insgesamt nur 31 Mietparteien, die ihre vom Jobcenter übernommene Miete selbst an die Vermieter überweisen. Ein weiterer Vermieter hatte gegenüber der „Bild“ beklagt, vom Jobcenter gewährte Darlehen zur Tilgung von Mietschulden würden ebenfalls „meist“ missbraucht. Der Stadt zufolge wurde 2024 ein entsprechendes Darlehen genehmigt, 2025 seien es sieben gewesen.
Bürgermeisterin kritisiert Vermieter
Insgesamt könne die Stadt den medial erhobenen Vorwurf, es würden im großen Stil doppelt Sozialleistungen bezogen, nicht bestätigen, teilte deshalb die Stadt Göttingen mit. Vielmehr bewerte die Stadt die öffentlich kommunizierten Mietrückstände „als strategisches Element der Eigentümerschaft“, die nicht funktionierende Heizung zu legitimieren. „Erneut stellen die Eigentümer beziehungsweise die von ihnen eingesetzte Hausverwaltung wirtschaftliche Interessen über ihre soziale Verantwortung“, kritisierte Göttingens Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD).
Missstände in dem Haus schon länger bekannt
Ein Sprecher bestätigte zugleich, dass die Stadt die Erklärung der Unbewohnbarkeit der Wohnung prüfe. Die Hürden dafür seien aber hoch. Erst kürzlich hatte die Stadt Kosten für die Eigentümer gestundet. Sie sieht die Vermieter in der Pflicht und fordert mehr Handhabe von Land und Bund, um bei Problemimmobilien eingreifen zu können.
08:28 Uhr
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hatten wir geschrieben, dass die Anwälte in einem Eilverfahren beantragt hätten, das Haus für unbewohnbar zu erklären. Tatsächlich geht es nur um die Wohnung der Mieterin Calina Farcas-Moldovan. Auch prüft die Stadt die von den Anwälten beantragte Unbewohnbarkeit der Wohnung.

Mieter in dem Wohnblock in Göttingen sitzen im Kalten, ein Anwalt macht deshalb Druck. Kritik gibt es an der Hausverwaltung.

Die Stadt hat den Wohnblock an der Groner Landstraße erneut besichtigt. Ein Drittel der Wohnungen steht demzufolge leer.