Berlin – Sitzt das Geld bei Verteidigungsminister Boris Pistorius (65, SPD) mittlerweile so locker, dass er Millionen-Aufträge nahezu blind vergibt?

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Für insgesamt rund 900 Millionen Euro will die Bundeswehr bis zu 12.000 Kamikaze-Drohnen anschaffen. Das berichtete die „Financial Times“. Demnach sollen gleich drei deutsche Unternehmen – Stark, Helsing und Rheinmetall – jeweils Aufträge im Wert von etwa 300 Millionen Euro erhalten. „Sie tun dies, um den Wettbewerb aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass sie das beste System erhalten“, zitiert die „Financial Times“ eine ihrer Quellen.

Der Haken: Nach BILD-Informationen hat beim entscheidenden Test der Drohnen nur einer der drei Anbieter zufriedenstellende Ergebnisse geliefert bzw. überhaupt kriegstaugliche Drohnen vorgestellt.

Durchwachsener Drohnen-Test in Munster

Demnach fand Ende Oktober auf dem Bundeswehrgelände in Munster (Niedersachsen) ein geheimer Drohnen-Test statt. Das bestätigen mehrere Teilnehmer gegenüber BILD. Die Unternehmen Helsing und Stark führten der Truppe dabei ihre Systeme in einem Praxistest vor – insgesamt 19 Testflüge: 17 von Helsing, 2 von Stark. Die Drohnen sollten bei den Tests ohne Sprengkopf in ein Zielobjekt fliegen.

Der Ausgang der Übung: recht eindeutig.

Während alle Helsing-Flüge im Rahmen der Anforderungen erfolgreich verliefen, soll die Drohne von Stark ihr Ziel zweimal verfehlt haben. Einmal um mehr als 150 Meter, die zweite Stark-Drohne stürzte laut Augenzeugen unkontrolliert in ein Waldstück.

Nach BILD-Informationen verließ das Start-up daraufhin das Testgelände und bat die Bundeswehr um mehr Zeit, ihre Drohne weiter zu optimieren.

300 Millionen Euro für alle drei Anbieter

Überraschend für viele Beteiligte: Kamikaze-Drohnen-Neuling Rheinmetall erschien nach BILD vorliegenden Informationen überhaupt nicht beim Testlauf, der laut Insidern lange anberaumt war.

Eine Kamikaze-Drohne der Firma Stark

Kamikaze-Drohne vom Typ „Virtus“ der Firma Stark (Foto des Unternehmens). Sie soll bei dem Test der Bundeswehr ihr Ziel verfehlt haben

Foto: Stark

Kaum zu glauben: Alle drei Anbieter erhielten wenige Tage später die Zusage des BMVg, Kamikaze-Drohnen im Wert von jeweils 300 Millionen Euro an die Bundeswehr zu liefern.

Vorbehaltlich der noch ausstehenden parlamentarischen Zustimmung.

Opposition befürchtet „extreme Kostenexplosionen“

Ein Branchen-Insider zu BILD: „Es ist mehr als erstaunlich, dass Rheinmetall beauftragt wird. Gibt es diese Drohne überhaupt? Warum testet die Bundeswehr – zu Recht – die Produkte anderer Hersteller, Rheinmetall aber nicht? Auf solche Spielchen darf sich die Beschaffung eigentlich nicht einlassen.“

Sebastian Schäfer (46, Grüne) kritisiert die mögliche Verschwendung von Steuergeldern durch Pistorius‘ Ministerium

Sebastian Schäfer (46, Grüne) kritisiert die mögliche Verschwendung von Steuergeldern durch Pistorius‘ Ministerium

Foto: Britta Pedersen/dpa

Sebastian Schäfer (46), Grünen-Haushälter im Bundestag, kritisiert in BILD: „Bei dem Thema Drohnen hat die Bundeswehr sehr viel Nachholbedarf. Man hat viele der letzten Entwicklungen verschlafen. Die Bereichsausnahme für unsere Verteidigung darf nicht dazu führen, dass einfach nur viel Geld ausgegeben wird.“ Bei zu vielen Projekten von Pistorius würden „extreme Kostenexplosionen“ drohen – Geld allein führe aber nicht zu besseren Fähigkeiten.

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BILD konfrontierte alle Beteiligten mit den Ergebnissen der Recherche.

▶︎ Die Bundeswehr wollte sich „zum Schutz unserer Sicherheitsinteressen“ nicht zu den konkreten Tests in Munster äußern. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums beteuerte aber: „Alle Hersteller durchlaufen dabei dieselbe Qualifizierung/Zertifizierung, die u.a. die Aspekte Software, Munitionssicherheit, Bedienbarkeit, Einsatztauglichkeit und Dokumentation umfasst.“

▶︎ Auch die Drohnen-Anbieter Stark, Helsing und Rheinmetall wollten keine Aussage zum konkreten Test-Betrieb machen. Eine Sprecherin von Stark betonte jedoch, man arbeite „eng mit verbündeten Streitkräften zusammen, um unsere Systeme in Einsatzszenarien unter realen Bedingungen zu testen und an ihre Leistungsgrenzen zu bringen“.