Seit rund zehn Jahren widmet das Konfuzius-Institut der großen Nation ein kleines Filmfestival. Da die Cinémathèque plant, erst ab Januar die frisch umgebaute Nato zu bespielen, findet das »Chai« in diesem Jahr in der Karli 107 statt. Zu sehen gibt es sechs Lang- und drei Kurzfilme. Das diesjährige Motto蜕变 – der Prozess des Sich-Entpuppens und der persönlichen Entfaltung – spiegelt sich in den Dokumentar- und Spielfilmen wider, die den Transformationsprozess einer Nation im Wandel begleiten.
Eröffnet wird das »Chai« mit »Another Day of Hope« von Taifeng Liu, einem preisgekrönten Sozialdrama um Machtdynamiken innerhalb der chinesischen Gesellschaft. Als der Manager eines Lieferdienstes einen seiner Kuriere anfährt, gerät er in einen Strudel aus rechtlichen Konsequenzen, familiärer Verantwortung, finanziellen Schwierigkeiten und inneren Wertkonflikten. Zu diesem und weiteren Filmen sind wie immer Einführungen und Regiegespräche geplant. LARS TUNÇAY
»拆 chai. China-Filmfestival Leipzig«: 6.–8.11.,Cinémathèque
Film der Woche: Ángela ist gehörlos. Für sie ist das kein Problem, für die Hörenden in ihrem Alltag schon. Immer wieder muss sie sich behaupten und um Beachtung kämpfen. Mit ihrer Arbeit als Töpferin und ihrem liebevollen Partner Héctor hat sie sich ein Fundament geschaffen. Das gerät allerdings ins Wanken, als das Paar schwanger wird. Zwar haben sie sich bewusst für ein Kind entschieden, doch je näher die Geburt rückt, desto mehr wächst die Sorge, ihre Tochter könnte ebenfalls gehörlos auf die Welt kommen. Und was, wenn sie gesund ist – kann Ángela eine Bindung zu ihrer Tochter aufbauen, wenn sie nicht verbal mit ihr kommunizieren kann? »Sorda« (spanisch für »taub«) fordert heraus, die Welt durch die Wahrnehmung einer Gehörlosen zu erleben. Die Autorin und Regisseurin Eva Libertad sensibilisiert für die Hürden im Alltag und der Beziehung. Mit Hauptdarstellerin Miriam Garlo hatte sie das Thema bereits vor vier Jahren als Kurzfilm erzählt. Ángela ist eine ambivalente Figur, deren Entscheidungen nicht immer rational vernünftig, aber stets nachvollziehbar sind. Zu verdanken ist das neben der genauen Charakterzeichnung auch Garlos feinsinniger Verkörperung. Bis zum berührenden Schluss und darüber hinaus bietet »Sorda« viel Stoff für angeregte Auseinandersetzungen. Bei der diesjährigen Berlinale wurde er dafür mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.
»Sorda«: ab 30.10., Passage-Kinos
Seitdem seine Mutter ins Krankenhaus eingeliefert wurde, lebt der Paketpacker Teddy mit seinem geistig eingeschränkten Cousin Dan allein im Haus. Begeistert von allerlei Verschwörungstheorien zieht Teddy den gutmütigen Dan immer tiefer in seinen Wahn. Teddy ist davon überzeugt, dass Außerirdische vom Planeten Andromeda auf der Erde gelandet sind und unerkannt Experimente an den Menschen vollziehen. Eine von ihnen, da ist sich Teddy sicher, ist Michelle, CEO eines großen Pharmakonzerns. Teddy und Dan entführen sie kurzerhand und ketten sie im Keller ihres Hauses ans Bett. Hier soll sie gestehen, dass sie ein Alien ist und Kontakt mit ihrem Mutterschiff aufnehmen. Der südkoreanische Regisseur Joon-Hwan Jang schuf 2003 mit »Save The Green Planet!« eine irrwitzige, tiefschwarze Satire. 22 Jahre später ist der Irrsinn längst von der Realität überholt worden. Der äußerst produktive Lieblings-Weirdo des europäischen Kinos, Yorgos Lanthimos (»Poor Things«), inszenierte nun eine verschärfte Version des Kultklassikers, die eher Anleihen beim Horror findet, vor dem Hintergrund des Post-Corona-Amerika aber durchaus realistische Züge aufweist. Die Story bleibt an jeder Ecke überraschend und abgdreht und ist mit Emma Stone, Jesse Plemons und Aidan Delbis exzellent besetzt. Lanthimos’ Weggefährte, Kameramann Robbie Ryan, setzt sie in gewohnt berauschende Bilder. LARS TUNÇAY
»Bugonia«: ab 30.10., Passage-Kinos, Regina-Palast
Argwöhnisch mustert der Bahnbeamte den Reisenden (Albrecht Schuch) nach einem Blick in dessen Reisepass. »Ich bin nicht Stiller!«, skandiert der und wird es in den folgenden anderthalb Stunden wiederholt tun, denn der Mann, der sich als James Larkin White ausgibt, sieht dem vor sieben Jahren verschwundenen, mutmaßlichen Mörder Anatol Stiller allzu ähnlich. White kommt in Untersuchungshaft und Stillers Ehefrau Julika (Paula Beer) wird herbeizitiert. Sie soll zweifelsfrei bezeugen, dass es sich bei dem vermeintlichen Amerikaner um ihren Mann handelt. Je mehr Zeit sie mit ihm verbringt, desto unsicherer ist sie sich. Der Andere ist charmant und einfühlsam, ganz im Gegensatz zu den Erinnerungen an den aufbrausenden Anatol, der stets mit der Welt haderte und sie ohne ein Wort zurückließ.
Mit »Stiller« feierte Max Frisch 1954 seinen Durchbruch. In ausschweifenden Sätzen beschreibt der Schweizer Autor das Innenleben seines Protagonisten, dessen Identität dem Leser relativ schnell klar wird. Stefan Haupt (»Zwingli«) lässt den Zuschauer länger im Dunkeln und dafür die im Buch ausführlich beschriebene Zeit nach der Haft gänzlich aus. Die Darstellung des Rätsels für das Kinopublikum stellt vor allem den Hauptdarsteller vor eine Herausforderung, die Albrecht Schuch glänzend meistert. Wohl kein anderer chargiert wie er so wandlungsfähig zwischen der gegenwärtigen Handlung als White und den Rückblenden als Stiller, so dass beim Zuschauer lange der Zweifel bleibt. Auch Paula Beer überzeugt in der Doppelrolle der verliebten Julika und ihrem gebrochenen Gegenstück. Ausstattung und Bildgestaltung versprechen großes Kino, auch wenn sich die Handlung selbst auf kleinem Raum konzentriert. Leider ist die Inszenierung mitunter zu vordergründig und inkonsequent. So sind etwa die warmen Erinnerungen in kräftigen Farben, die tristen in Schwarz-Weiß erzählt. Trotzdem fesselt »Stiller« und der Reiz, sich selbst neu zu erfinden bis zum Schluss.
»Stiller«: ab 30.10., Passage-Kinos, Schauburg
Weitere Filmtermine der Woche
68. Dok Leipzig
Das Internationale Festival für Dokumentar- und Animationsfilm öffnet den Vorhang für eine randvolle Woche Programm. In seiner 68. Auflage widmet das Festival seine Retrospektive »Un-American Activities« (24.10.–8.11. im Luru-Kino in der Spinnerei), die Hommage wiederum ist dem Animationsstudio Punto y Raya und der US-amerikanischen Dokumentarfilmerin Lee Anne Schmitt gewidmet. Das komplette Programm gibt es auf www.dok-leipzig.de und der kreuzer begleitet die Festivalwoche wie in jedem Jahr mit dem DokBlog unter dokblog.kreuzeronline.de
u.a. Passage-Kinos, Cinestar, Cinémathèque, Schaubühne Lindenfels, Luru-Kino in der Spinnerei, UT Connewitz, 27.10.–2.11.
DOK-Retrospektive 2025: Un-American Activities
Das Dok Leipzig beginnt in diesem Jahr bereits eine Woche früher und im Luru. Unter dem Titel »Un-American Activities. Filme des ›anderen Amerika‹ auf der Leipziger Dokumentarfilmwoche 1962–1989« nimmt sich die Retrospektive in diesem Jahr einem bisher wenig beleuchteten Kapitel der Festivalgeschichte an: US-amerikanische Filme – nach damaliger Sichtweise Filme aus dem Kernland des »Klassenfeindes« –, die in Leipzig zu DDR-Zeiten gezeigt, diskutiert und ausgezeichnet wurden. Eröffnet wird die Reihe am 24.10. 19 Uhr mit »In the Year of the Pig«, einem Dokumentarfilm über die Wurzeln des Vietnamkrieges.
Luru-Kino in der Spinnerei, 24.10.–8.11.
Kingdom – Die Zeit, die zählt
F 2024, R: Julien Colonna, D: Ghjuvanna Benedetti, Saveriu Santucci, Anthony Morganti, 108 min
Ein Mafiaboss und seine entfremdete Tochter müssen nach einem Attentat flüchten und finden dabei näher zueinander.
Cineplex, 01.11. 22:15
Body of Truth
D/CH 2019, Dok, R: Evelyn Schels, 96 min
Der Dokumentarfilm begleitet die serbische Performance-Künstlerin Marina Abramović, die israelische Installationskünstlerin Sigalit Landau, die deutsche Foto-Künstlerin Katharina Sieverding und die iranische Film- und Fotokünstlerin Shirin Neshat bei ihrer Arbeit.
Passage-Kinos, 05.11. 16:00 (mit Einführung)
Texas Chainsaw Massacre
USA 1974, R: Tobe Hooper, D: Marilyn Burns, Allen Danziger, Paul A. Partain, 83 min
Tobe Hoopers ikonischer Kettensägen-Horror feiert sein 50. Jubiläum.
Cineding, 31.10. 21:30 (Halloween-Special)
The Rocky Horror Picture Show
USA 1975, R: Jim Sharman, D: Tim Curry, Susan Sarandon, Barry Bostwick, 100 min
Absoluter Kult-Klassiker mit Tim Curry als wahnsinnger Wissenschaftler Frank N. Furter mit einer Vorliebe fürs Crossdressing.
Schaubühne Lindenfels, 31.10. 21:30 (OV). CineStar, 2.11. 20:15 (OV)
Halloween all day long im Luru-Kino in der Spinnerei
17:00 Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche (dt. Fassung)
18:30 Good Boy (engl. OmU)
20:00 They Live (engl. OmU)
21:45 I Spit on your Grave (1978, engl. OmU)
Halloween – Die Nacht des Grauens
USA 1978, R: John Carpenter, D: Jamie Lee Curtis, Donald Pleasence, Nancy Kyes, 91 min
Im US-Städtchen Haddonfield meuchelt sich der Serienmörder Michael Myers durch die Einwohner. Erster Teil der Kult-Horrorfilmreihe mit Jamie Lee Curtis in der Hauptrolle.
Cinestar, 31.10. 22:45
Halloween II
USA 1981, R: Rick Rosenthal, D: Jamie Lee Curtis, Donald Pleasence, Charles Cyphers, 91 min
Das Sequel zu John Carpenters stilbildendem Horrorklassiker schließt nahtlos an den ersten Teil an und spiel in einem Krankenhaus.
Cinestar, 01.11. 22:45
Halloween + Halloween II
USA 1977/1981, R: John Carpenter / Rick Rosenthal, D: Jamie Lee Curtis, Donald Pleasence, Nancy Kyes, Charles Cyphers, 180 min
Das Original von John Carpenter und die direkt daran anschließende, in einem Krankenhaus spielende 1981er-Fortsetzung am Stück.
Cineplex, 31.10. 21:15
Die Hexen von Eastwick
USA 1987, R: George Miller, D: Jack Nicholson, Susan Sarandon, Michelle Pfeiffer, Cher, 118 min
Drei Singlefrauen aus einer US-Kleinstadt beschwören versehentlich den Leibhaftigen herauf. Schwarze Horror-Komödie nach dem gleichnamigen Roman von John Updike.
Passage-Kinos, 31.10. 20:30 (OmU, Passagen-Werke mit Filmgespräch)
Die Katzen vom Gokogu-Schrein
J 2024, Dok, R: Kazuhiro Sôda, 119 min
Gokogu ist ein kleiner, alter Shinto-Schrein im japanischen Ushimado. Er beherbergt Dutzende von Straßenkatzen und ist auch als Katzenschrein bekannt.
Passage-Kinos, 31.10. 11:15 (OmU)
Final Girls Berlin
90 min
Das Final Girls Berlin Film Festival präsentiert Horror-Kurzfilmkino, in welchem Frauen Regie geführt haben, und Filme, die von Frauen geschrieben oder produziert wurden.
Cineding, 01.11. 19:00 (Cursed Films, mit Einführung)
Das Schlafzimmerfenster / Nachts werden Träume wahr
USA 1987/1984, R: Curtis Hanson / Douglas Day Stewart, D: Steve Guttenberg, Isabelle Huppert, Elizabeth McGovern /, 212 min
Zwei Erotikthriller aus den 1980ern nacheinander.
Luru-Kino in der Spinnerei, 03.11. 20:00
Das Schweigen der Lämmer
USA 1990, R: Jonathan Demme, D: Anthony Hopkins, Jodie Foster, Ted Levine, 119 min
Perfekt inszenierter, hochspannender Psychothriller um die Figur des Psychiaters und Serienmörders Hannibal Lecter; nach dem Roman von Thomas Harris. Oscar-prämiert die eindringliche Leistung der beiden Hauptdarsteller.
Cinestar, 04.11. 19:30 (Best of Cinema)
Regina-Palast, 04.11. 20:00 (Best of Cinema)
Cineplex, 04.11. 20:00 (Best of Cinema)
Das Ungesagte
D 2025, Dok, R: Patricia Hector, Lothar Herzog, 143 min
Die meisten Deutschen, die damals für das NS-Regime waren, haben nach 1945 nie wieder über diese Zeit gesprochen. In fast allen deutschen Familien war das Thema tabu. Ein Film über das Ungesagte.
Kinobar Prager Frühling, 06.11. 15:15 (Filme gegen das Vergessen)
Der Herr der Ringe: Die Gefährten (Extended Cut)
USA/NZ 2003, R: Peter Jackson, D: Elijah Wood, Sean Astin, Ian McKellen, 227 min
Peter Jacksons ebenso erfolgreiche wie meisterliche Adaption des Fantasy-Standardwerks aus der Feder von J. R. R . Tolkien in der Langfassung: Die vier Hobbit-Freunde Frodo, Sam, Pippin und Merry ziehen in die ihnen unbekannte Welt Mittelerdes hinaus, um ein mächtiges Artefakt zu vernichten.
Cinestar, 02.11. 12:00, 12:30 (OF)
Only Lovers Left Alive
GB/D/GR/F 2013, R: Jim Jarmusch, D: Tom Hiddleston, Tilda Swinton, Mia Wasikowska, 118 min
Jim Jarmuschs traumhaft-düstere Reflexion über die Unsterblichkeit. Exquisit besetzt und wunderbar moody.
Schaubühne Lindenfels, 02.11. 19:00 (OmU)
Hamburger Gitter
D 2018
Eine dokumentarische Bilanz über die Geschehnisse in Hamburg rund um den G20-Gipfel im Sommer 2017
Pöge-Haus, 04.11. 19:00
Harry Potter und der Stein der Weisen
USA/GB 2001, R: Chris Columbus, D: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, 152 min
Wie alles begann: Das erste Abenteuer von Harry Potter und seinen neuen Freunden.
Cinestar, 03.11. 17:00, 19:45 (OF)
Harry Potter und die Kammer des Schreckens
USA/GB 2002, R: Chris Columbus, D: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, 138 min
Ein weiterer Teil der Erfolgs-Fantasyfilmreihe.
Cinestar, 03.11. 19:45 (OF)04.11. 17:00
Klänge des Aufbruchs – Die tschechische Avantgarde zwischen den Weltkriegen
D 2024, Dok, R: Anne-Kathrin Peitz, 56 min
Es ist der Jazz, das Cabaret, die Lust am Improvisieren, das Überschreiten von Grenzen – all das bestimmt den Sound der »jungen Wilden« in der tschechischen Musikgeschichte der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts: Erwin Schulhoff, Jaroslav Ježek, Victor Ullmann, Vítězslava Kaprálová, die erste tschechische Dirigentin, und Bohuslav Martinů heißen die Komponisten der Stunde.
Horns Erben, 02.11. 20:00
Marcel – The Shell with Shoes on
USA 2021, R: Dean Fleischer Camp, 90 min
Eine Muschel begibt sich auf die turbulente Suche nach ihrer Familie und stürzt sich damit in das größte Abenteuer ihres Lebens.
Ost-Passage-Theater, 05.11. 20:00 (OmU)
Regretters
SWE 2010, Dok, R: Marcus Lindeen, 58 min
Orlando und Mikael sind in ihren 60ern und treffen sich, um über ihr Leben und ihre Geschlechtsumwandlung zu reden, die sie mittlerweile bereuen.
Passage-Kinos, 07.11. 16:00 (mit Einführung)
The Pickers
D/GR/PT 2024, Dok, R: Elke Sasse, 80 min
Der Dokumentarfilm verfolgt die Spuren unserer Orangen, Oliven, Erdbeeren oder Blaubeeren bis zu den Menschen, die sie ernten.
Kinobar Prager Frühling, 05.11. 17:00 (mit Gespräch, OmU)
Zurück in die Zukunft
USA 1985, R: Robert Zemeckis, D: Michael J. Fox, Christopher Lloyd, Lea Thompson, 116 min
Immer noch einer der besten Unterhaltungsfilme der 1980er, wenn nicht aller Zeiten: Marty McFly reist in Docs DeLorean-Zeitmaschine ins Jahr 1955 und bringt dort versehentlich die Vergangenheit durcheinander, was seine eigene Existenz bedroht.
Cinestar, 05.11. 14:00, 17:05 (OF), 20:15
Regina-Palast, 05.11. 17:15, 20:00
Cineplex, 05.11. 19:30
CT-Lichtspiele Taucha, 05.11. 20:00