Mit ihrer Zwillingsschwester Lisa wurde Lena Mantler als Teenager-Duo „Lisa & Lena“ zum Social-Media-Phänomen. Heute schreibt sie ihre eigene Geschichte – modelt für Labels wie Miu Miu, gründet eine Modemarke. Gespräch über Stil, Glauben und Neuanfänge.
Lena Mantler erscheint auf dem Bildschirm und grüßt mit dem „Peace“-Zeichen. Man trifft sie zum Video-Interview; in Stuttgart, wo sie sich befindet, ist es am frühen Abend noch hell. Die Pariser Modewoche ist gerade vorbei, dort ist Mantler als Model bei der Show von Lacoste gelaufen. Bei Miu Miu, wo sie als Botschafterin für den Duft „Miutine“ wirbt, saß sie in der ersten Reihe.
Für Lena Mantler, Model mit über 20 Millionen Instagram- und knapp 13 Millionen TikTok-Followern, ist das der ganz normale Arbeitsalltag. Etwas aufregender war dagegen ein Event in Berlin Ende September: Da feierte die 23-Jährige den Launch ihres Modelabels Mánt in der Event-Location „Clärchens Ballhaus“ mit einem Dinner. „Das hat primär das Team organisiert, ich selbst hätte mich gar nicht getraut, das so groß aufzuziehen“, sagt Mantler.
Das klingt bescheiden, denn eigentlich ist bei so einem Projekt von so einer Person viel Aufmerksamkeit erst mal garantiert. Mantler ist die eine Hälfte des Influencer-Duos Lisa und Lena: Als Zwillingspaar posteten die beiden Lip-Sync-Videos auf der Social-Media-Plattform Musical.ly (2018 von TikTok übernommen wurde) und waren dabei so gut, witzig und sympathisch, dass sie mit gerade mal 13 Jahren Berühmtheit erlangten. Sie saßen bei der Modenschau von Fendi in der ersten Reihe, probierten sich als Schauspielerinnen aus und brachten eine Modemarke heraus.
2023 verkündeten die Schwestern dann, künftig beruflich getrennte Wege zu gehen. Lisa Mantler hielt sich seitdem zunächst mit großen Projekten zurück, wurde im vergangenen Jahr Mutter und lanciert nun eine eigene Kaffeemarke. Lena Mantler hat sich als Laufsteg-Model etabliert und für Labels wie Boss, Miu Miu und Off-White gearbeitet. Mit Mánt wagt sie den Schritt in eine neue Richtung – eine, bei der sie selbst nicht mehr im Mittelpunkt steht.
„Ich stehe eigentlich nicht so gerne vor der Kamera. Ich weiß, es klingt lustig, aber mein Team weiß das zum Beispiel auch, dass mein Talent gar nicht so sehr darin liegt, Videos für Social Media zu machen“, sagt sie. „Lisa war immer diejenige, der das total lag.“
Auch deswegen habe sie nach der Auflösung des Duos erst einmal für sich herausfinden müssen, was sie eigentlich wollte. „Ich habe überlegt, ob ich Barista werden sollte, Industriemechanikerin – so wie mein Vater und mein Bruder. Ich wusste wirklich nicht, ob ich als Creator allein gut genug bin, ob die Brands auf mich auch ohne Lisa Bock haben.“
Die Großmutter war Schneiderin
Hatten sie natürlich. Und als das Angebot kam, eine Modemarke zu starten, sah Mantler die Chance, noch einen Schritt weiterzugehen in die Welt, für die sie sich seit ihrer Kindheit interessiert. „Meine Großmutter war Schneiderin, meine Mutter hat genäht. Ich wusste immer, dass mich das interessiert und darin meine Stärke liegt“, sagt sie.
Für das neue Label war es ihr wichtig, ein beständiges Unternehmen aufzubauen, mit einem Produkt, das nicht nur durch ihren Namen überzeugt. „Ich will nicht nur schnelles Geld machen, dann könnte ich auch mit anderen Marken arbeiten, die mich ständig kontaktieren.“ Stattdessen konnte sie Investoren gewinnen und ein Team aufbauen, mit dem sie eine Kollektion nach ihrer Vision entworfen hat – mit selbst entwickelten Schnitten, selbst ausgewählten Stoffen und Farben.
Der Look erinnert, wenig überraschend, an ihren eigenen: Hoodies und Jogginghosen, T-Shirts und Denim-Jacken, lässige Streetwear-Basics. „Irgendwann möchte ich gerne eine Mischung haben aus Streetwear und High Fashion, so wie es Labels wie Jacquemus oder Acne Studios vormachen.“ Kleidung mit Anspruch und Qualität, die aber tragbar und bezahlbar bleiben soll. Sweatshirts und Hoodies kosten zwischen 99 und 139 Euro, das teuerste Stück ist eine Lederjacke für 499 Euro.
Mantler tritt als Model in der Kampagne auf, aber nur als eine von vielen. „Ich will gar nicht das Gesicht der Marke sein, sondern trete bewusst in den Hintergrund.“ An Ruhm mangelt es ihr ohnehin nicht – sie ist damit groß geworden. „Manchmal habe ich das Gefühl, früher war alles etwas mehr von Positivität geprägt, die Menschen hatten eine positivere Einstellung. Heute sind viele so negativ drauf.“ Sie zwinge sich zunehmend, das Handy wegzulegen.
Dass sie trotzdem immer wieder in Debatten über ihre Sexualität oder ihren Glauben gezogen wird, kann sie nicht verhindern. Sowohl Lisa als auch Lena Mantler gelten als überzeugte Christinnen und beide haben in TikTok- oder Instagram-Posts über Religion gesprochen.
In einem Interview mit der deutschen „Vogue“ im Jahr 2023 erklärte Lena Mantler zudem, wie sehr es sie belaste, dass Follower und Medien oft über ihre Queerness spekulierten – zum Beispiel aufgrund ihres burschikosen Modestils –, während sie selbst noch auf Identitätssuche sei.
Mantler ist froh, dass ihre Karriere nicht mehr nur an Social Media hängt – Mánt ist ein weiteres Beispiel dafür, dass sie neue Wege geht. „Mein Ziel ist es, mehr zu kreieren, Kampagnen zu fotografieren. Vielleicht gehe ich irgendwann komplett hinter die Kamera – wer weiß.“
Noch läuft es rund mit dem Modeljob; Mantler ist dafür nach New York gezogen. Mit ihrer Schwester, die in der Nähe von Stuttgart wohnt, spricht sie regelmäßig. Nur über die Arbeit unterhalten sie sich kaum.