Leipzig – Für Tierschützer ist es ein handfester Skandal, für das Eilenburger Amtsgericht offenbar kein Grund zur Aufregung: Am Stadtrand von Leipzig leben zehn Tiger unter beengten Bedingungen. Ihr Dschungel ist ein Gewerbegebiet, ihre Gebieterin eine Frau, die früher eine große Nummer im Zirkus war.
Die Geschichte von Carmen Zander (52) und ihren Raubkatzen ist traurig: Die Dompteurin wurde einst europaweit als „Tiger-Queen“ gefeiert. Heute fristen ihre Tiger, die nicht mehr auftreten können, ein elendes Gefangenenleben in alten Zirkuswagen bei Leipzig.
Die Dompteurin nahm am Donnerstag im Amtsgericht Eilenburg Platz. Die Richterin stellte das Verfahren gegen eine Geldauflage ein
Foto: Anika Dollmeymer
1000 Euro für Tiger-Futter benötigt
Das Problem begann vor Jahren und wurde durch Corona noch beschleunigt: Immer mehr Zirkusse verzichteten auf die umstrittenen und teuren Wildtiernummern. Carmen Zander wurde schlichtweg nicht mehr gebucht. Die preisgekrönte Königin der atemberaubenden Raubtiernummern strandete mit ihren Tigern in Dölzig vor den Toren von Leipzig. Einnahmen gab es nicht mehr, aber die Kosten liefen weiter: Weit über 1000 Euro monatlich gehen allein fürs Futter drauf. Dieses Problem brachte Carmen Zander nun sogar vor Gericht.
Vergangene Zeiten: Carmen Zander mit einem ihrer Tiger in der Manege 2018 beim „Festival du cirque de Monte-Carlo“
Foto: picture alliance / Jean François Ottonello/MAXPPP/dpa
20 Euro Eintritt für Tigershows zu Ostern
Seit 2022 darf die Dompteurin ihre Tiere nicht mehr kommerziell zur Schau stellen. Da sie nicht mehr im Zirkus engagiert ist, verlangen die Ämter für ihre Tiger nun aber auch großzügigere Haltungsbedingungen – die gleichen wie für Zoos oder Wildtierparks, die sie auf der zur Verfügung stehenden Fläche aber nicht bieten kann. Allein für fünf Tiger wären 500 Quadratmeter gefordert. Im Gewerbegebiet sind es aktuell deutlich weniger.
Carmen Zander (52) präsentiert ein Tigerbaby im Februar 2025 im Gewerbegebiet bei Leipzig. Die Dompteurin darf ihre Tiere nicht mehr kommerziell zur Schau stellen
Foto: Michael Strohmeyer
Am Amtsgericht in Eilenburg (Sachsen) musste sich die Frau verantworten, weil sie gegen das Auftrittsverbot und damit gegen das Naturschutzgesetz verstoßen haben soll: „Sie veranstaltete zu Ostern drei Tigerschauen für 20 Euro Eintritt“, monierte Staatsanwältin Anett Schneider. Außerdem soll Zander ihre sechs Jungtiere auf ihrer Internetseite zum kommerziellen Streicheln angeboten haben. Heißt: Sie versuchte, mit der Haltung exotischer Wildtiere Geld zu machen, was aus Tierschutzgründen verboten ist.
Die Tiere werden in alten Zirkuswagen gehalten. In der Nachbarschaft: eine Tankstelle und ein Möbel-Outlet
Foto: Johannes Proft
Tiger-Queen gesteht, Richterin lässt Milde walten
Über ihren Anwalt räumte die Angeklagte die Vorwürfe weitgehend ein: Es sei aber aus der Not heraus entstanden. „Frau Zander ist für ihre Tiger wie eine Mutter. Sie hat aber ohne Einkommen ein echtes Problem“, erklärte Anwalt Jörg Glogowski, der versicherte, den Tieren gehe es sehr gut.
Richterin Carmen Grell schien dieser Vortrag überzeugt zu haben. Sie stellte das Verfahren gegen eine Geldauflage vorläufig ein. Die Tiger-Queen lächelte: „Damit bin ich zufrieden“, sagte sie zu BILD.
Die Frage, warum es angesichts der finanziellen Misere überhaupt noch sechsfachen Tiger-Nachwuchs geben konnte, wurde vor Gericht nicht gestellt. BILD hat das schriftlich nachgeholt. Carmen Zander versicherte, sie habe nicht gezielt gezüchtet, vielmehr habe es sich um „Unfälle“ gehandelt, da die Raubkatzen zu ihrem Wohl in der Gruppe gehalten wurden.
Die Tiger-Queen: „Es gab für mich niemals die Option, die unschuldigen und gesunden Tigerbabys einzuschläfern, wie es erst kürzlich im Leipziger Zoo und im Kölner Zoo gemacht wurde.“
Umstritten: Trotz der schlechten Bedingungen kam es im Zirkuswagen Anfang 2025 zu Tiger-Nachwuchs
Foto: Michael Strohmeyer