Die Liberalen im Gemeinderat sehen in der Krise auch die Chance für nötige Strukturreformen. Die Stadt könnte in vielen Bereichen verzichten, auch auf Personal.
Die Liberalen im Stuttgarter Gemeinderat wollen die Debatte um den Sparhaushalt für strukturelle Änderungen nutzen. Die Verwaltung benötige „dringend effizienzsteigernde Maßnahmen, mit denen automatisch Einsparungen einhergehen“, so FDP-Fraktionschef Matthias Oechsner bei der Pressekonferenz.
Eine Position, die zu Diskussionen führen dürfte, ist der FDP-Vorschlag nach einer Reduzierung der heute 22 Bürgerbüros auf fünf bis sieben Standorte. Das hört sich nach einem Kahlschlag an. Das Gegenteil sei der Fall, sagt die FDP. Größere Büros könnten durch die Zusammenlegung von Personal einen Schichtdienst mit dann längeren Öffnungszeiten bieten, heute oft kurzfristigen Schließungen durch Krankheitsfälle in Mini-Büros seien mit größeren Einheiten dann passé.
„Ein Masterplan für die Bürgerbüros“ müsse kommen
Mit dem Umbau des alten Kaufhofs an der Eberhardstraße in ein städtisches Dienstleistungszentrum müsse bis 2031 „ein Masterplan für die Bürgerbüros“ kommen, so Oechsner. Ganz allein ist die vierköpfige Fraktion mit der Idee nicht: Die CDU hatte jüngst einen Antrag auf Zusammenlegung der Büros in Vaihingen und Möhringen gestellt. Die Bezirke trennt nur ein schmaler Feldstreifen, verbindet aber die Stadtbahn.
Kultur soll hohen Beitrag liefern
Um prozentuale Konsolidierungsbeiträge (den berühmten Rasenmäher) zu vermeiden, fordert die FDP Sparmaßnahmen bei diversen freiwilligen Leistungen. Auch hier müsse die Effizienz steigen, vielfach gebe es Doppelstrukturen, städtische Beschäftigte und die freien Träger betreuten zum Beispiel jeweils erwachsene Flüchtlinge aus der Ukraine – „eine reine Freiwilligkeitsleistung“, sagt Oechsner. Die Abschaffung aller Unterausschüsse des Gemeinderats und aller Beiräte würde rund 100 000 Euro im Jahr sparen, die des Gestaltungsbeirats allein 195 000 Euro. Viele Themen diskutiere man in mehreren Ausschüssen doppelt und dreifach, so die Klage.
Angesichts der Finanzlage mit einer geplanten neuen Milliardenverschuldung bis Ende 2027 wollen die Liberalen bei mehreren Projekten Ermächtigungsübertragungen, also übriges Geld aus Vorjahren, streichen. In Summe sind das fast 13 Millionen Euro. Beim Stadtplanungsamt sollen sämtliche Förderprogramme überprüft und die Einsparvorgabe auf 8,8 Millionen Euro angehoben werden. Nicht mehr bezahlbar seien Zuschüsse für eine emissionsarme Busflotte (für die SSB), klimafreundliche Ernährung, das Heizungsprogramm und die Solaroffensive (22,1 Millionen in zwei Jahren) sowie diverse Programme der Wirtschaftsförderung für 1,6 Millionen.
Viele Sparvorschläge: FDP-Chef Matthias Oechsner. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Gekürzt werden soll die Budgets der Bezirksbeiräte (1,2 Millionen) und die Fortentwicklung des Hauses der Kulturen (340 000 Euro), denn das komme in den nächsten Jahren nicht. Das Kulturamt sei in der Pflicht, die Einsparvorgabe von 20,4 Millionen Euro zu erfüllen, außerdem erkennt die FDP auf diesem Feld undurchschaubaren Wildwuchs und fordert eine verbindliche Kulturförderrichtlinie. Bei dem Projekt Villa Berg ließen sich 100 Millionen sparen, so Oechsner, wenn man auf Anbauten verzichte und nur den Bestand saniere.
500 Stellen könnten entfallen
Die Liberalen sehen auch beim Stellenplan Sparbedarf. 500 der 2000 unbesetzten Stellen könnten „rausdestilliert“ werden, so Stadtrat Eric Neumann, wo es kein Fördergeld mehr gebe, werde durch Wegfall von Prüfungen Personal frei. Aufgebaut werden soll dagegen ein Baukostencontrolling. Beim Jobticket, welches die Stadt komplett zahlt, solle der Zuschuss nur noch nach Beschäftigungsgrad fließen, für eine Halbtagesstelle also maximal 50 Prozent. Damit ließen sich bis Ende 2027 rund 4,1 Millionen sparen.
Mehr einnehmen will die FDP bei den Kindergartengebühren, dazu aber die Kostensteigerung der Stadt halbieren. Geld bereitstellen will die FDP vor allem für die Feuerwehr: Laut Stadtrat Friedrich Haag für das Aus- und Fortbildungszentrum in Möhringen (2,25 Millionen), das neue Gerätehaus in Birkach (6,175 Millionen), ein Interim für die Kfz-Werkstatt (drei Millionen) und das 175-Jahr-Jubiläum (175 000 Euro).