Donald Trump hat neulich dementiert, König der Vereinigten Staaten von Amerika zu sein. Jeder US-Präsident hat seine Problemchen. Nr.47 muss erklären, nicht Donald I. zu sein. Jedenfalls noch nicht. Wie ernst der Mann im Weißen Haus die landesweiten „No-Kings“-Proteste nahm, war wenig später auf Truth Social zu sehen. In einem animierten Video rast Trump im Kampfjet über die Demonstranten. Er lässt zwar keine Bomben auf seine Mitbürger fallen, dafür aber eine amorphe, braune Masse. Und vermutlich soll sie genau das sein, wonach sie aussieht. Dazu läuft Kenny Loggins im Hintergrund – „Danger Zone“.
Auf welchem Highway sich die älteste Demokratie der Welt gerade befindet, ob es vielleicht eher ein Hohlweg ist und in welcher Dunkelheit dieser endet, weiß man nicht. Manche sehen die USA auf dem Weg in den Faschismus zu weit fortgeschritten. Unstrittig ist: In der Gefahrenzone ist das Land auf jeden Fall. Wenn sich kommende Woche Trumps Wiederwahl jährt, weiß jedenfalls niemand, ob die USA, wie man sie einst kannte, seine zweite Amtszeit überstehen. Wie braun der Diskurs, wie zerborsten die Gesellschaft und wie autoritär die Institutionen der Weltmacht sein werden – wenn Top-Gun Trump landet. Ob er überhaupt landen oder vielleicht lieber eine dritte Runde drehen will? Auch das dementierte er. Aber was bedeutet schon?
Die US-Verfassung beginnt mit dem Satz: Wir das Volk
Vielleicht – wo so ein Gedanke nur herkommt? – hat der Narzisst am Steuerknüppel sich sogar darüber gefreut, dass seine Gegner in ihm bereits einen König sehen? Das wäre wohl jene Hybris, die irgendwann Trumps (wohl noch weit entferntes) Ende bedeuten könnte. Denn eine amerikanische Monarchie hieße ja, sagt Volker Depkat, dass es jemanden gäbe, der über dem Gesetz steht. So aber wollten die USA nie geführt sein. Warum sonst hätten sich die 13 Kolonien vor der amerikanischen Revolution vom britischen Empire lossagen sollen? „Jemand sei König, ist in der politischen Kultur Amerikas ein kardinaler Vorwurf, geeignet, die Legitimität eines Amtsinhabers gründlich zu diskreditieren“, sagt Depkat. Die Verfassung der USA beginnt mit dem Satz „We the people“ – Wir das Volk.
Depkat gehört selbst dazu. Er ist Historiker, Nordamerika-Experte, ein Deutscher, der an der Universität Regensburg lehrt, allerdings auch US-Amerikaner, geboren im texanischen El Paso. Der 60-Jährige kann also problemlos die Perspektive wechseln – und hat seinen kenntnisreichen Blick zurück. Die Angst, dass jemand das Präsidentenamt als Sprungbrett für mehr Macht missbrauchen könnte, erklärt er, begleitet die USA seit ihren Anfängen. Schon der erste US-Präsident George Washington wurde verdächtigt, ein Königtum errichten zu wollen. „Das Präsidentenamt war eines der kontroversen Themen in der Verfassungsdebatte 1787. Seither wabert diese Angst durch die politische Kultur dort.“ Donald Trump, meint der Professor, habe sich bestimmt nicht über die „No-Kings-Vorwürfe“ gefreut. „Die Art und Weise, wie er sich darüber lustig gemacht hat, zeigt, dass er das nicht akzeptieren will.“
Mit der Abrissbirne gegen den Verfassungsstaat
Und doch lieferte Trump die Bilder, die kaum eine andere Deutung zulassen, als dass er gegen das eigene Land, seine Verfassung und Symbole mit der Abrissbirne vorgeht. Und zwar ganz wörtlich. Denn den East-Wing des Weißen Hauses ließ der gelernte Bau-Tycoon in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von Baggern platt machen. Dort soll – was bräuchte es dringlicher – ein wohl 300-Millionen-Dollar teurer Ballsaal entstehen. Mit viel Gold. Trump, Godfather des Understatement, erklärte dazu demütig: „Es gibt nichts Vergleichbares.“
Hillary Clinton, die Trump 2016 unterlegene demokratische Ex-Präsidentschaftskandidatin, postete daraufhin auf X: „Es ist nicht sein Haus. Es ist unser Haus. Und er zerstört es“. Was auch immer die Grundlage für seine zweite Amtszeit war, ob nun „Project 25“ vom konservativen Thinktank Heritage Foundation oder doch Trumps Wahlprogramm „Agenda 47“, fest steht: Die Bagger versuchen dieses Mal, „Checks and Balances“ mit einer klaren Strategie, wenn nicht zu planieren, so doch die Macht zugunsten des Präsidenten anzuhäufen.
Was und wen haben die Demokraten Trump derzeit entgegenzusetzen?
Weil zu Trumps Kommunikationswahnsinn jeden Tag eine neue Unerhörtheit zählt, versendet sich Wesentliches so allmählich. Die Leute stumpfen ab. Zumal die Demokraten derzeit nicht so wirken, als hätten sie den Planierraupen derzeit ernsthaft etwas entgegenzusetzen.
Nur mal ein paar Beispiele aus den vergangenen Wochen und Monaten:
„Trump tanzt bei Landung in Malaysia“.
Kleiner Scherz vorweg. Diese ziemlich aktuelle Meldung einer eigentlich seriösen Nachrichtenagentur soll nur zeigen, dass viel zu viel Trump-Trash gesendet wird und dabei Wesentliches oft untergeht.
Also nochmal:
„Trump bringt erneut dritte Amtszeit ins Spiel“
„Trump will 230 Millionen Dollar Entschädigung“ (vom eigenen Justizministerium wegen diverser Gerichtsverfahren gegen ihn)
„Linksradikaler Irrer: Trump und seine Sprecherin beschimpfen Richter“
„US-Präsident Trump droht mit Einsatz von Aufstandsgesetz“ (Der sogenannte Insurrection-Act ist ein Bundesgesetz von 1807. Es gibt dem Präsidenten ausnahmsweise die Vollmacht, Militär im Inland einzusetzen – zur Bekämpfung von Aufständen)
Trump verklagt New York Times auf 15 Milliarden Dollar (es geht um Berichte über seine Unternehmen, „America First“ und die MAGA-Bewegung)
Man könnte das ziemlich lange fortsetzen. In der Summe geht es immer um eine Sache: Der US-Präsident will seine Macht mehren. Spielraum dafür lässt das politische System. Nordamerika-Experte Depkat erklärt es so: „Die US-Verfassung sagt eigentlich nicht viel zum Charakter der exekutiven Macht im Land. Die definiert diesen in Artikel II so gut wie gar nicht. Er besagt im Kern nur: Alle exekutive Macht ruht in den Händen des Präsidenten. Der soll dafür Sorge tragen, dass die Gesetze des Landes sorgfältig oder sinngemäß ausgeführt werden. Das ist natürlich ganz wenig und das schafft eine Grauzone.“ In dieser, so der Historiker weiter, testet Trump seit dem 20. Januar 2025 seine Grenzen aus. „Und er nutzt die exekutive Macht, die er bereits hat, um die Agenda 2025 relativ systematisch umzusetzen. Für einen Staatsumbau in konservativ-autoritäter Manier. Das ist die Dynamik.“
Was Trump hilft, ist das berühmt-berüchtigte Supreme-Court-Urteil vom Sommer 2024, nachdem der Präsident für fast alles, was er im Amt begeht, Immunität genießt. Was Trump noch widersteht, ist das Justizsystem, das es seit über zwei Jahrhunderten gibt. Und das eigentlich nach dem Grundsatz ausgerichtet ist, nach dem eben niemand über dem Gesetz steht. Depkat meint: „Ich glaube, dieses Verständnis ist in den USA nach wie vor nicht ganz weg. Aber genau das wird derzeit in wirklich heftigsten politischen und sozialen Kontroversen ausgefochten.“
Nordamerika-Experte Depkat: USA können sich kaum noch auf eine Wirklichkeit einigen
Und klar, die Polarisierung, dass Politiker zu Polarisierungsunternehmern werden, bleibt das Hauptproblem. Die Konsequenz formuliert Depkat so: „Die USA sind ein tief gespaltenes Land, wo sich die konträren politischen Lager eigentlich kaum noch auf die Wirklichkeit einigen können, in der sie handeln.“ Das hat natürlich Folgen. Der Großteil der Amerikaner, die Trump gewählt haben, finde gar nicht so schlimm, was er tut. Er wiederum bediene das Narrativ der links-liberalen Hexenjagd auf ihn. Depkat: „Das wiederum trägt zur Delegitimierung von Gerichtsurteilen bei, die automatisch als parteiisch und initiiert gelten. Wenn Gerichte aber nicht mehr als Ort der überparteilichen Rechtssprechung wahrgenommen werden, erodiert die Demokratie sehr schnell.“
Die Frage bleibt, wie stark die Erosion schon fortgeschritten ist. Der amerikanische Philosoph Jason Stanley (“Wie Faschismus funktioniert“) findet viel zu weit. Er hat die Yale-Universität, wo er lehrte, verlassen und ist nach Kanada ausgewandert. Dabei geht es ihm längst nicht nur um den Anti-Intellektualismus der Trump-Administration, die die Universitäten und Bildungssysteme attackiert. Es geht um den „Zustand der Unwirklichkeit“, wie Stanley schreibt, in dem „Verschwörungstheorien und Fake-News eine vernünftige Debatte ersetzen“.
Sind die USA wirklich auf dem Weg in den Faschismus?
Ob die USA wirklich dabei sind, ein faschistischer Staat zu werden, ist umstritten. Der Deutsch-Amerikaner Depkat findet: „Der Begriff Faschismus hat keine große Erklärungskraft für das, was in den USA gerade passiert.“ Er meint, vieles von dem, was in den USA an Schauerlichkeiten zu besichtigen ist, geht darauf zurück, dass Donald Trump schlicht und ergreifend „ein radikaler amerikanischer Konservativer“ sei.
Der amerikanische Konservatismus aber habe zwei zentrale Themen: Das, was in Europa der Wohlfahrtsstaat ist und Trump den Maßnahmenstaat nennt. Seit Franklin D. Roosevelt 1933 mit seinem berühmten New Deal den amerikanischen Wohlfahrtsstaat begründet habe, gilt der den Konservativen als „unamerikanisch“. Sie lehnen im Kern „die Idee einer Tyrannei der Regierung über den Einzelnen ab, eine amerikanische Urangst, die sich jetzt mit Donald Trump radikalisiert“, so Depkats Analyse. Zum Zweiten verunsichere die zunehmende Pluralisierung, das Beharren der vielen verschiedenen Ethnien auf ihren Identitäten, die Konservativen. „Da ist eine Sehnsucht nach Homogenität, Normalität und Eindeutigkeit“. Auch diese bediene Trumps Agenda.
Und das, so kommt Depkat zu seinem entscheidenden Punkt, „sind eben Mechanismen der amerikanischen Demokratie. Die produziert diese ganz aus sich selbst heraus. Da braucht es den Faschismus-Begriff nicht, um das zu erklären.“ Der unterstelle, diese Entwicklung käme irgendwie von außen. „Was gerade passiert, sind aber einfach Mechanismen und Praktiken, die durch die Verfahrensweisen und durch die Möglichkeiten der amerikanischen Demokratie gedeckt sind.“ Donald Trump, betont der Forscher, sei wie Barack Obama und John F. Kennedy eine – allerdings illiberale – Entwicklungsmöglichkeit der amerikanischen Demokratie. „Das kommt von innen.“
Droht eine Dynastie des Trumpismus?
Depkat hofft noch. „Ich würde schon sagen, dass die Amerikaner, dass die USA weiterhin ein im Grundsatz freiheitliches Land sind.“ Er war allerdings auch länger schon nicht mehr drüben, wie er zugibt. Dennoch setzt er auf die Zwischenwahlen im nächsten Jahr. Da spreche dann der eigentliche Souverän. We, the people. Und er setzt auf die wirtschaftliche Entwicklung, auf das, was bei den Amerikanern am Ende des Monats im Geldbeutel bleibt. Das könnte Mehrheiten verschieben. Es sei denn, irgendein Tech-Milliardär verspricht wieder eine Million Dollar pro genehmer Stimme?
Trump hat neulich auch Pläne vorgestellt, um in Washington einen Triumph-Bogen für sich errichten lassen zu wollen. Ein Arc de Trump. Huge. Das Gerede von einer dritten Amtszeit verstummt nicht. Aber selbst wenn er diesen Verfassungsbruch nicht beginge, im Netz kreisen längst Collagen, die einer Dynastie des Trumpismus den Weg weisen: Zu sehen sind die kommenden US-Staatsoberhäupter: Vance 2028, Vance 2032, Erika Kirk 2036 und 2040. 2044 Barron Trump. 2044…

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Stefan Küpper
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