Jan Böhmermann ist bekannt dafür, den Finger in die Wunde zu legen. Am Freitag (31. Oktober) hat der Satiriker im ZDF Magazin Royale einen Fall aus Dortmund genau unter die Lupe genommen.

Dabei übte Jan Böhmermann scharfe Kritik am Vorgehen der Polizei Dortmund. Es hatte einem Jugendlichen im Jahr 2022 das Leben gekostet.

Jan Böhmermann kritisiert Polizei Dortmund

„Seit der Wiedervereinigung wurden mindestens 376 Personen durch Kugeln der deutschen Polizei getötet“, heißt es dem Beitrag des Satire-Magazins mit dem Titel „Hilfe, die Polizei kommt!“. Grundsätzlich äußert der ZDF-Moderator Verständnis für den Schusswaffengebrauch im Dienst: „Gefährliche Straftäter muss die Polizei zur Not mit Gewalt stoppen.“

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Doch hätten viele tödliche Schüsse gar nicht fallen müssen? Recherchen von „Cilip“ (ein Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit) zufolge sollen sich 107 der 376 von der Polizei erschossenen Menschen in einer psychischen Ausnahmesituation befunden haben. Genau wie Mouhamed Dramé (†16), der am 8. August 2022 von der Polizei in Dortmund erschossen wurde.

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Der 16-jährige Senegalese war einen Tag vor dem tödlichen Polizeieinsatz aus der Psychiatrie entlassen worden, offenbar aber weit davon entfernt, psychisch gesund zu sein. Zeugen alarmierten am 8. August den Notruf, weil er sich in einem Hinterhof offenbar in suizidaler Absicht ein Küchenmesser vor den Bauch gehalten hatte. Zeugen und auch am Einsatz beteiligte Polizisten sagten später in einem bundesweit beachteten Prozess (hier geht es zum Urteil >>>) aus, dass von dem 16-Jährigen keine Gefahr für andere ausgegangen war.

Polizei-Einsatz in Dortmund eskaliert

Erst der Eingriff der Polizei Dortmund habe den Einsatz eskalieren lassen. Der Einsatzleiter ordnete den massiven Einsatz von Pfefferspray an, statt auf psychologische Hilfe oder Dolmetscher zu setzen. In der Hoffnung, dass Mouhamed Dramé sein Messer fallen lässt. Doch stattdessen habe der versucht, vor dem Tränengas zu flüchten, lief dabei mit seinem Messer in der Hand in Richtung der Beamten.

Die eröffneten das Feuer. Erst mit Tasern und fast zeitgleich schoss ein Polizist mit einer Maschinenpistole auf den 16-Jährigen. Fünf Kugeln trafen den Jugendlichen, der kurz darauf starb. Die Polizisten beriefen sich auf Notwehr und wurden letztlich nicht vor Gericht belangt. Weil sie laut Urteil nach Lehrbuch gehandelt haben. Und das zeige eines der grundsätzlichen Probleme im Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen.

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Polizisten seien darauf trainiert, in ihrem Auftreten stets zu dominieren, analysiert Prof. Tobias Singelnstein. Doch ein Mensch, der sich in einer psychischen Ausnahmesituation befindet, benötigt nach Einschätzung des Kriminologen und Polizeiforschers etwas ganz anderes: „Der braucht Entlastung, der braucht Stressreduktion, um aus dieser Ausnahmesituation herauskommen zu können.“ Das Handeln nach Lehrbuch der Polizei bewirke da unter Umständen genau das Gegenteil.

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Das NRW-Innenministerium habe nach dem „katastrophalen Einsatz“ in Dortmund die Polizeidienstvorschrift geändert, so Jan Böhmermann. „Es wird deutlich hervorgehoben, dass die Sprache das wichtigste Mittel zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben ist“, heißt es darin. Eine Formulierung, die der ZDF-Entertainer zynisch kommentiert. Die Polizei in NRW sei damit zivilisatorisch auf dem Stand von Kita-Kindern angekommen.

Jan Böhmermann befürwortet zwar Fortbildungsmaßnahmen der Polizei NRW: vier Tage pro Jahr „Situationstraining“, bei dem es unter anderem um Kompetenzen mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen geht. Ein Kernproblem bleibe aber: Für gesundheitliche und soziale Probleme sei die Polizei eigentlich gar nicht erster Ansprechpartner. Stattdessen brauche es für Menschen mit psychischen Problemen schnell Zugang zu Therapieplätzen. Doch genau daran mangelt es in Deutschland bereits seit langer Zeit, wie Jan Böhmermann bereits in einer Show vor drei Jahren beleuchtet hatte:

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Bleibt nur zu hoffen, dass die Fortbildungen der Polizei NRW bundesweit eingeführt werden und Erfolge zeigen. Damit sich Polizeieinsätze wie im Fall Mouhamed Dramé in Dortmund nicht wiederholen.

Die ganze Folge rund um den Fall Mouhamed Dramé aus Dortmund kannst du hier in der ZDF-Mediathek nachschauen >>>