Der Leitwolf(f) läuft heiß!
Nationaltorhüter Andreas Wolff (34, THW Kiel) ist gut zwei Monate vor der Handball-EM in Dänemark, Schweden und Norwegen (15.1. – 1.2.) in Top-Form. Und das zeigt er in München! Am Donnerstag war er gegen Island (42:31) der überragende Mann: 19 Paraden und sogar ein Torwart-Tor! Es war sein 15. im Nationaltrikot.
Seit Montag sind die deutschen Handballer in der bayerischen Landeshauptstadt zusammen. Am Sonntag (17.15 Uhr/ZDF) kommt es zum zweiten Duell mit Island. Für Wolff ein besonderes Spiel: Er bestreitet sein 185. Länderspiel und zählt damit zu den 30 Rekordspielern des DHB.
In BILD am Sonntag spricht Wolff über seinen EM-Traum, die Scherze seiner Teamkollegen, die Belastung – und den Meisterkampf in der Daikin Handball-Bundesliga mit dem THW Kiel.
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Quelle: BILD30.10.2025
BILD: Herr Wolff, Sie sind zurück bei der Nationalmannschaft. Am Donnerstag gab es den ersten erfolgreichen Test gegen Island, am Sonntag Spiel 2 in München. Wie fühlt es sich an, nach rund fünf Monaten wieder mit den Nationalspielern zusammenzukommen?
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ANDREAS WOLFF (34): Ein schöner Tapetenwechsel. Man merkt, wie sehr man die Leute vermisst hat, die man sonst selten sieht – gerade hier im Süden. Und es ist immer etwas Besonderes, das Nationaltrikot zu tragen. Vor allem jetzt, wo wir auf das Turnier im Januar hinarbeiten. Das hilft auch, den Kopf freizubekommen.
Sie sprechen die EM 2026 an. Die EM 2016 in Polen war Ihr Durchbruch – das ist bereits zehn Jahre her. Ist Ihnen das bewusst?
Spätestens, wenn Mannschaftskollegen sagen: „Du bist 33, 34 – musst du nicht mal ans Aufhören denken?“ Ich bin bei diesem Lehrgang der Älteste – mit vier Jahren Abstand zum Nächsten. Von den Jungs, mit denen ich damals angefangen habe, sind nur noch Rune und Jannik übrig.
Heute sind Sie der älteste Spieler im Kader, der Leitwolf. Wie verändert das Ihren Blick auf die Mannschaft?
Man bringt einfach mehr Erfahrung mit. Das heißt nicht, dass man alles besser weiß, aber man nimmt vieles anders wahr. Und ich genieße es, wie motiviert die jungen Spieler hier sind. Unsere Halblinks-Position war lange nicht so stark besetzt – wir haben da vier, fünf Kandidaten, die internationale Spitzenklasse sind. Auch in anderen Mannschaftsteilen stehen wir gut da. Es ist eine spannende Mischung aus Routiniers und Talenten – auch im Tor mit den Young-Guns, die ihren Weg gehen werden, und mir.
Bei der EM 2016 in Polen sagten Sie beim ersten Medientermin, Sie seien angetreten, um Europameister zu werden. Gilt das auch für die EM 2026?
Das ist 2016 ja auch eingetreten. (lacht) Wenn ich an einem Turnier teilnehme, dann mit dem Ziel, es zu gewinnen. Ja. Das war immer so – egal ob WM, Olympia oder Heim-EM. Mit Dänemark ist aktuell eine Übermannschaft unterwegs, die ein ordentliches Hindernis auf dem Weg zum Titel ist. Die sind auf jeder Position mit Weltklasse besetzt. Aber auch eine Finalteilnahme oder eine Medaille ist ein Erfolg. Ich bin überzeugt, dass wir eine Mannschaft haben, die – wenn sie am Limit spielt – sich eine Medaille zum Ziel setzen darf. Aber ich stelle mich jetzt nicht hin und sage: Wir gewinnen im Januar. Das wäre vermessen. Zumal unsere letzten Auftritte nicht unbedingt von Souveränität geprägt waren.
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Foto: Daniel Karmann/dpa
Was braucht es für eine Medaille?
Konzentration, Teamgeist – und das Wissen um die eigene Chance. Ich versuche den Jüngeren zu vermitteln: Warte nicht auf das perfekte Timing – nutz die Gelegenheit jetzt. Niemand weiß, ob sie noch mal kommt.
Die Losfee meinte es für die EM nicht gut. Wenn Sie die Hauptrunde mit Dänemark, Frankreich, Norwegen und Portugal anschauen – was denken Sie?
Das ist kein Los, das man sich wünscht. Das ist ein Albtraum. Aber wir können jeden schlagen – auch Dänemark, wenn wir einen perfekten Tag erwischen. Wichtig ist, dass wir schon in der Vorrunde stabil spielen. Wir müssen eine Euphorie entfachen, ein Selbstbewusstsein aufbauen, das es uns – wie 2016 – ermöglicht, ins Halbfinale zu kommen. Und bei dem Anspruch, den wir haben, ist klar: Am Ende müssen wir zwangsläufig einen der Großen schlagen.
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Quelle: Instagram/whytokyo30.10.2025
Sie sprachen davon, wie schön es sei, die vielen Kollegen nach Monaten wiederzutreffen. Was fühlt Ihr Körper nach drei Monaten Bundesliga mit dem THW Kiel?
Ganz gut, auch wenn zuletzt der Rücken kurz gezwickt hat. Aber ich freue mich, wenn Gonzalo (Spanien-Torwart Perez de Vargas/Reha nach Kreuzbandriss, d.Red.) zurückkommt. Die Bundesliga ist so stark, dass man als erfahrener Torwart kaum Ruhephasen bekommt. Mit einem Weltklasse-Gespann-Partner wie Gonzalo hätten unsere Gegner noch ein bisschen mehr Respekt. Es wirkt einfach beeindruckender, wenn Gonzalo Vargas de Perez und ich im Kader stehen.
Zwei Weltklasse-Keeper im Kader. Viele sehen ein Konfliktpotenzial. Was entgegnen Sie den Skeptikern?
Das gibt es nicht. Wir sind beide 34, im Frühjahr werden wir beide 35. Wir müssen uns nichts vormachen – wir sind nicht mehr 22 oder 23, wo es nur darum geht, unbedingt zu spielen. Wir haben uns unsere Meriten verdient, sind anerkannte Torhüter, etabliert. Auch auf dem Weltklasse-Niveau, das wir beide verkörpern. Und wir verstehen uns persönlich sehr gut. Uns ist klar, dass wir einander brauchen. Für den THW ist es ein absoluter Gewinn, wenn Gonzalo zurückkommt.
Wie bewerten Sie den bisherigen Saisonverlauf des THW Kiel?
In Flensburg zu verlieren, ist ärgerlich, aber kein Beinbruch. Der bitterste Punkt war der gegen die Rhein-Neckar Löwen. Da haben uns mehrere Spieler gefehlt – Emil Madsen zum Beispiel. Mit ihm und Harald Reinkind zusammen hätten wir sicher andere Impulse setzen können.
Wie sehr belasten die vielen Verletzungen?
Das ist unser größtes Problem. Spieler wie Reinkind, Madsen, Johansson und Øverby mussten oft alleine durchziehen. Das funktioniert zeitweise – dann kommt der Körper aber an seine Grenzen. Dazu haben wir eine neue Abwehrkonstellation. Spieler wie Laube und Nancinovic sind neu, mussten sich erst einfinden. In einem komplexen System wie bei Filip ist das keine Kleinigkeit.
Sind die Verletzungen das Hauptproblem?
Ganz klar. Viele Positionen waren monatelang nicht doppelt besetzt. Dann fehlt die Entlastung – und irgendwann geht das auf die Gesundheit. Dazu kommen viele junge Spieler, die Verantwortung übernehmen müssen. Ohne Alternativen. Das zieht sich durch die gesamte Saison. Man darf nicht vergessen: Uns fehlen seit Wochen und Monaten mit Gonzalo, Emil Madsen und Hendrik Pekeler drei Spieler, die in fast jedem Verein der Welt die Nummer eins auf ihrer Position wären. Jeder Verein hätte feuchte Augen, wenn er diese Spieler verpflichten könnte.
Foto: BILD
Wie realistisch ist die Meisterschaft?
Sehr realistisch. Ich glaube nicht, dass ein Team mit weniger als zehn Minuspunkten durch die Saison geht. Wenn wir bis zum Jahreswechsel ohne weitere Niederlage durchkommen – was mit Berlin, Lemgo und Magdeburg schwer genug wird – sind wir mittendrin. Gerade im Saisonendspurt, wenn die deutschen Mannschaften in der Champions League und European League weit kommen, wird die Belastung für alle hoch. Der Meister wird am Ende zweistellig Punkte lassen. Und deshalb sind wir mit aktuell vier Minuspunkten in Reichweite.
Zu eng?: Sie passt kaum in die Football-Uniform
Quelle: Instagram/espnnfl, thesportsbitt28.10.2025