Laura arbeitet für eine große Beratungsfirma. Ein Traumjob mit vielen Chancen? Die Stuttgarterin spricht offen über den Einstieg, die Arbeitszeiten und das Gehalt.
Laura (Name von der Redaktion geändert) aus Stuttgart ist Mitte 20 und arbeitet seit knapp zwei Jahren im Consulting – genauer gesagt bei einer der sogenannten „Big Four“: Deloitte, Ernst & Young (EY), KPMG oder PricewaterhouseCoopers (PwC). Sie dominieren weltweit den Markt der Wirtschaftsprüfung. Ein Job dort gilt als Karrieresprungbrett, lockt mit guten Gehältern und glänzenden Perspektiven. Gleichzeitig haftet ihm ein anderes Image an: endlose Arbeitsstunden und permanenter Leistungsdruck.
Die Stuttgarterin sitzt an diesem Mittag zuhause vor ihrem Laptop, das Gespräch findet digital statt. „Ich bin spezialisiert auf Energiethemen, dafür habe ich eine große Leidenschaft“, sagt sie und lächelt. Nach ihrem Uni-Abschluss sei sie direkt in die Beratung eingestiegen – in der Hoffnung, damit eine gute Basis für ihre Karriere zu schaffen. „Ich sehe, wie meine Vorgesetzten und Kollegen gehört werden und wirklich etwas gestalten können – dahin will ich auch kommen“, erzählt sie. Doch wer das schaffen wolle, müsse viel Energie investieren. „Ich will in eine Entscheider-Rolle“, sagt sie selbstbewusst.
Eine hohe Arbeitsbelastung gehöre für sie dazu. Wochen mit mehr als 40 Stunden seien keine Seltenheit. „Im Consulting gibt es Wellen“, erklärt sie. „Manchmal sind es 60 Stunden, manchmal deutlich weniger. Aber im Schnitt komme ich sicher auf deutlich mehr als 40 Stunden.“ Eine Stempeluhr wie in anderen Branchen gebe es nicht – jede und jeder müsse selbst darauf achten, wie viel gearbeitet werde.
Ein „Stempel im Lebenslauf“
Trotzdem überwiege für Laura die Faszination an ihrem Job. „Wir sind ständig am Puls der Zeit – neue Themen, neue Unternehmen, das wird nie langweilig“, sagt sie. Die Erfahrung bei einer der großen Beratungen sei außerdem wie ein „Stempel im Lebenslauf“. Viele Kolleginnen und Kollegen wechselten nach zwei, drei Jahren in die Industrie – und würden dort mit offenen Armen empfangen. „Man lernt hier, sich extrem schnell einzuarbeiten, auch unter Druck. Diese Fähigkeit ist gefragt“, meint sie.
Ihr Alltag sei durchgetaktet: Meetings, Präsentationen, Excel-Analysen – oft bis spät in den Abend. „Freitags auch mal vor 18 Uhr Schluss zu machen, ist eher die Ausnahme“, erzählt sie. Manchmal frage sie sich, ob sich der Aufwand lohne. „Es gab eine Phase, da habe ich drei Wochen lang von früh morgens bis in die Nacht gearbeitet. Das war wirklich intensiv. So etwas will ich nicht nochmal machen.“ Ein anderes Mal habe sie den Geburtstag ihrer Mutter absagen müssen – ein Workshop stand an, das Team zählte auf sie. „Zum Glück hat mir meine Mutter das verziehen“, sagt sie und lacht kurz. „Aber als Dauerzustand wäre das nichts.“
Wie sich die Firmen selbst äußern
Große Firmen ahnen wohl, dass solche Bedingungen junge Bewerber abschrecken könnten. KPMG betone daher auf seiner Homepage die flexible Gestaltung von Arbeitszeit und -ort. Und auch Ernst & Young (EY) hält dagegen: Partner Jan-Rainer Hinz erklärte im Handelsblatt, das Klischee langer Arbeitszeiten halte sich zwar, 70-Stunden-Wochen seien heute aber nicht mehr die Norm. PricewaterhouseCoopers (PwC) wiederum weist in einem anderen Beitrag des Handelsblatts darauf hin, dass Überstunden ausgeglichen werden könnten.
Laura aus Stuttgart würde den Job dennoch vor allem jenen empfehlen, die flexibel und belastbar seien. „Jemand mit viel Sicherheitsbedürfnis und Wunsch nach Planbarkeit geht hier schnell unter.“ Gleichzeitig schätze sie den Teamgeist: „Auch wenn alle viel arbeiten – man hilft sich gegenseitig und nimmt sich Zeit füreinander.“
Vor allem aber locken die Beratungen mit einer überdurchschnittlichen Bezahlung. Allerdings brauche es Durchhaltevermögen. „Das Gehalt ist am Anfang nicht so hoch, wie viele denken“, sagt Laura. Im Südwesten liege das Einstiegsgehalt bei etwa 50.000 bis 60.000 Euro. „Aber das Besondere ist, dass du dein Gehalt in etwa sieben Jahren verdoppeln kannst – wenn du Leistung zeigst.“
Für Laura gibt es aber noch weinen ganz anderen Faktor, der die Branche trotz der langen Tage so attraktiv macht: „Ich habe hier in einem Jahr mehr gelernt als in meinem ganzen Studium.“
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