Frankreich und Großbritannien stecken in Schwierigkeiten – politisch, wirtschaftlich und finanziell. Doch es gibt einen Unterschied. Die Währungsunion schützt Frankreich vor dem globalen Finanzmarkt. Genau das wird für die Euro-Zone zum großen Problem.

Es war die beste und die schönste Zeit, ein Jahrhundert der Weisheit und des Unsinns, eine Epoche des Glaubens und des Unglaubens, eine Periode des Lichts und der Finsternis.“

So beginnt Charles Dickens’ „Geschichte zweier Städte“. Gemeint sind London und Paris im 18. Jahrhundert. „Mit Frankreich“, so Dickens weiter, „ging es ungemein glatt und hurtig bergab, indem es Papiergeld machte und es verjubelte (…) In England konnte man sich auf Ordnung und öffentlichen Schutz nicht eben viel zugute tun.“ Die Gegenwart reimt sich auf diese Vergangenheit. Beide Länder stecken in Schwierigkeiten, politisch, wirtschaftlich und finanziell. Doch gibt es einen wesentlichen Unterschied: Die Währungsunion schützt Frankreich vor dem globalen Finanzmarkt, während Großbritannien allein dasteht.

Beginnen wir mit den Gemeinsamkeiten. Beide Regierungen haben sich hoch verschuldet. Frankreich hat seine Staatsschuldenquote seit dem Jahr 2010 um gute 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf für dieses Jahr geschätzte 116,5 Prozent erhöht, in Großbritannien stieg sie um 27,5 Prozent des BIP auf 103,4 Prozent.

Mit 0,7 Prozent in Frankreich und (trotz des Brexits im Jahr 2016) 0,8 Prozent in Großbritannien war das jährliche Wachstum des realen BIP pro Kopf in beiden Ländern bescheiden. Sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien sind populistische Parteien auf dem Vormarsch. Doch hat die Labour-Regierung in Großbritannien noch eine breite Mehrheit im Parlament, während die Minderheitsregierung in Frankreich nahezu handlungsunfähig ist.

Trotz der Gemeinsamkeiten sind die Zinsen in Großbritannien mit rund 4,6 Prozent für zehnjährige Staatsanleihen deutlich höher als in Frankreich, wo sie nur 3,4 Prozent betragen. Außerdem ist der Wechselkurs des britischen Pfunds im Verlauf dieses Jahres um beinahe sechs Prozent gefallen, was einen Anstieg der Inflation zur Folge hatte.

Zwar hat Großbritannien eine etwas schwächere außenwirtschaftliche Leistungsbilanz als Frankreich, aber das dürfte nicht ausreichen, um die Zinsdifferenz und die Abwertung des Pfunds zu erklären. Wahrscheinlicher ist, dass sich Frankreich hinter dem Schutzschild der Währungsunion verstecken kann. Solidere Staatsfinanzen in anderen Euro-Ländern halten für Frankreich die Zinsen niedrig und den Euro stabil.

Oft sorgt der Druck der Finanzmärkte jedoch für die Rückkehr zu solider Fiskalpolitik. Diese Erfahrung machte die britische Premierministerin Liz Truss im Oktober 2022, deren Steuersenkungspläne eine Finanzkrise auslösten, die sie nach nur 49 Tagen im Amt zum Rücktritt zwang.

Auch das sozialistische Experiment des französischen Präsidenten François Mitterrand scheiterte Anfang der 1980er-Jahre am Widerstand der Finanzmärkte, die mit Währungskrisen und Zinssteigerungen bis auf 17 Prozent eine politische Kehrtwende erzwangen. Vermutlich war diese Erfahrung politischer Ohnmacht einer der Gründe, die Mitterrand Jahre später motivierte, Deutschland die Währungsunion abzuringen.

Heute scheint es, dass sich Frankreich mit der Einhegung seiner außer Kontrolle geratenen Fiskalpolitik Zeit lassen will, während die Regierung in London um Lösungen ringt. Die früheren Befürchtungen sind eingetreten, dass die Währungsunion einzelne Länder zur Überschuldung des Staates verführt. Als das – wie vor der ersten Euro-Krise – nur die „Peripherie“ betraf, konnte der Schaden mit einer Kraftanstrengung der großen Länder und europäischen Institutionen behoben werden. An Frankreich kann der Euro jedoch scheitern.

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute.