
Europas Grenzschutzagentur Frontex stockt seine Mitarbeiterzahl auf und will künftig auch mehr Aufgaben übernehmen.
Foto: picture alliance/dpa /Boris Roessler
Die EU-Grenzagentur Frontex bestätigt in einer Antwort an die EU-Abgeordnete Özlem Demirel, dass sie ihre operative Leitung grundlegend neu organisiert. Mit dem Aufbau eines Kommandos in Prag verlagert die Behörde demnach erstmals Teile ihres Einsatzmanagements aus der Zentrale in Warschau auf die regionale Ebene. Von dort aus soll künftig die operative Koordination in bis zu zehn Staaten erfolgen – darunter auch Deutschland. Zukünftig soll es neun solcher geografischen Einsatzbereiche geben. Diese sind dann für alle Einsatzarten zuständig – an Land, zu Wasser und in der Luft.
Frontex beschreibt die Reform als Schritt zu einer »hierarchischen Struktur im Feld«. Das Kommando in Prag ist das erste seiner Art und Teil der sogenannten Ständigen Reserve, der ständigen Eingreiftruppe der Agentur. Diese soll bis 2027 auf 10 000 Einsatzkräfte anwachsen. Nach Angaben der Kommission verfügte Frontex Ende März 2025 über 6757 Angehörige dieser Truppe. Gemäß einer politischen Vorgabe der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll sie langfristig auf bis zu 30 000 Bedienstete ausgebaut werden.
In Prag entsteht nun ein erstes regionales Hauptquartier der »Ständigen Reserve«, das den sechsten geografischen Einsatzbereich abdeckt. Es ist zuständig für Länder wie Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Tschechien, Dänemark und die Schweiz. Das dortige Kommandoteam übernimmt Personalplanung, Einsatzfreigaben und die Führung der »Ständigen Reserve« im jeweiligen Verantwortungsgebiet. Die operative Verantwortung verbleibt formal bei den Behörden der Mitgliedstaaten, doch Frontex schafft damit eine neue Zwischenebene zwischen nationaler und zentraler Steuerung.
Die Reform ist Teil der größeren Neuordnung der Verantwortungsbereiche bei Frontex. Seit 2019 baut die Agentur in Warschau etwa ein »Europäisches Rückkehrzentrum« auf, das Abschiebungen aus den EU-Staaten koordinieren und erleichtern soll. Dazu werden aus Warschau Reisedokumente für die Betroffenen beschafft und Kontakte zu den Behörden der Zielländer für die Abschiebungen gepflegt. Das »Rückkehrzentrum« wird vom ehemaligen Bundespolizisten Lars Gerdes geleitet, der zuvor die Ausbildungsmission der Bundespolizei in Afghanistan geführt hatte.
Fast alle Abschiebungen erfolgen per Flugzeug, begleitet von eigens geschulten Frontex-Beamt*innen der »Ständigen Reserve«. Diese sind an mehreren europäischen Flughäfen stationiert – derzeit in Paris, Amsterdam, Wien, Frankfurt, Düsseldorf und Berlin-Brandenburg. Auch diese Einheiten werden ausgebaut und den neuen Regionalzentren untergeordnet. Frontex bezeichnet sie als »Rückkehrkontingente« R1 und R2.
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Frontex begründet die neue Regionalstruktur mit dem Ziel, schneller auf »operative Bedürfnisse« reagieren zu können. Mit Kommandos wie in Prag will die Agentur Personal, Technik und Einsätze direkter steuern. Bis Ende 2025 sollen sechs der neun geografischen Kommandobereiche vollständig arbeitsfähig sein, der Aufbau weiterer Standorte läuft.
Parallel dazu bereitet die EU-Kommission eine umfassende Revision der Frontex-Verordnung von 2019 vor. Sie soll den Ausbau der Agentur rechtlich absichern und ihr Mandat erweitern. Ein entsprechendes Konsultationsverfahren läuft seit Sommer 2025. Zu den Vorschlägen gehört, Frontex mehr operative Eigenständigkeit zu geben, insbesondere bei Rückführungen und der Kooperation mit Drittstaaten.
Künftig sollen nach Vorstellungen der Kommission auch Abschiebungen zwischen Drittstaaten durch Frontex unterstützt werden können, also etwa die Verbringung von Menschen aus Transit- in Herkunftsstaaten außerhalb der EU.
Damit würde sich das Einsatzgebiet der Agentur über die europäischen Grenzen hinaus weiter ausdehnen. Der geplante Ausbau der »Ständigen Reserve« auf 30 000 Einsatzkräfte ist Teil dieser Strategie. Ob und wie das Parlament die Kontrolle über diese erweiterte Struktur wahrnehmen kann, ist bislang offen. Unklar ist auch, wie die weiteren Kosten einer derart umfassenden Aufrüstung der EU-Grenzagentur getragen werden sollen. Dieses Jahr durchbricht der jährliche Frontex-Haushalt die Milliardenmarke.