Konzert in der Liederhalle: Sound mit Fernweh: So war’s bei Kruder & Dorfmeister Fast alles ist handgemacht bei den „K&D-Sessions“ von Kruder & Dorfmeister im Beethovensaal. Foto: Ferdinando Iannone

Das österreichische DJ-Duo Kruder & Dorfmeister hat in der Stuttgarter Liederhalle seine sehr tanzbaren „K&D-Sessions“ von 1998 live aufgeführt – vor bestuhltem Saal. Funktioniert das?

Der Beethovensaal der Liederhalle verströmt nicht gerade Club-Vibes. Wer etwas trinken will, muss sich in lange Schlangen quetschen und den Drink schnell herunter kippen. Mit Mojito in der Hand den anderen beim Tanzen zugucken, geht nicht. Ein seltsamer Ort also, um die elegante, rhythmusfixierte Tanzmusik des österreichischen DJ-Duos Kruder & Dorfmeister zu hören. Am Samstagabend sind die beiden mit einer vierköpfigen Band und dem Material ihres zweiten Albums „The K&D Sessions“ in der Liederhalle aufgetreten – 27 Jahre nach der Erstveröffentlichung. Inmitten eines künstlichen Sonnenblumenfeldes haben die beiden ihr DJ-Pult aufgeschlagen. Links davor ein Drumkit, rechts Perkussion, mittig Keyboards, dazwischen schlendert der Bassist herum.

Alles cool, alles entspannt

Schon beim ersten synthetischen Wabern johlen die Fans in den nahezu ausverkauften Sitzreihen. Der Bossa-Rhythmus und die schwüle Basslinie bringen den Puls erst einmal runter; alles cool, alles entspannt. Wer in den späten 90ern elektronische Musik mochte, konnte auf viele Künstler zurück greifen, die unter Genrebezeichnungen wie Trip Hop, Drum & Bass oder Electronic Dub musikalische Konzepte jenseits der Techno-Spielwiesen entwickelten.

Peter Kruder und Richard Dorfmeister haben Material einiger dieser DJs und Bands und auch mancher anderer aus dem weiten Feld des Rock ’n’ Roll wie Depeche Mode in Remix-Versionen verarbeitet. Aber klingt das über ein Vierteljahrhundert später noch frisch? „Wir sind oft gefragt worden, ob wir unsere ‚K&D-Sessions‘ nicht live spielen wollen“, erzählt Dorfmeister mit charmantem Wiener Schmäh in der Stimme nach einem Stück. „Klingen wir nicht wie eine alte verstaubte Schallplatte, abgespielt auf falscher Geschwindigkeit?“ Nach langer Suche in der „ganzen Welt“ habe man „ums Eck in Wien“ eine tolle Band gefunden und könne jetzt die aufwändig im Studio gebastelten Sounds live reproduzieren.

Reizvoll ist die Electro-Musik der 90er durch die Verbindung organischer Instrumentalklanglandschaften mit elektronischen Verfremdungstechniken und komplex geschichteten Rhythmen, was das Duo meisterhaft beherrscht. Erotischer Bossa trifft auf scharf scheppernde Hi-Hat, der Bass wippt im Groove, manchmal schwelgt ein einsames Saxofon aus der Konserve, hinterm Pult greift Dorfmeister noch selbst zu Gitarre und Querflöte. Der sphärische Frauengesang mancher Stücke schallt dagegen aus dem Nirgendwo der Computer-Festplatte, die Grenze zwischen organisch-analog und synthetisch-digital verschwimmt.

Der Klangteppich wird live gestrickt

In einer Zeit, in der die KI den Menschen auch aus der Musik zu verdrängen droht, wirken die Aneignungen und Modifizierungen fremder Werke durch Kruder und Dorfmeister rührend altmodisch, kann man ihnen doch live dabei zusehen, wie sie an ihrem Klangteppich stricken. Dass auch die Technik im Gegensatz zu den humanoiden Musikern manchmal streikt, ist die ironische Pointe des Abends. „Sorry, da stimmt was nicht“, sagt Kruder, und muss dem Hänger auf den Grund gehen. Die Leute lachen und freuen sich über den Glitch.

Tanzen? Man kann sich auch einlullen lassen

Abgesehen vom frenetischen Beifall bleiben die Fans aber brav sitzen, erstaunlich, angesichts heftiger Tempoanzüge, der klirrenden Breakbeats und virtuosen Perkussion. Man kann sich aber auch einlullen lassen von diesem Sound, der nach Fernweh, der bunteren Jugend, nach der Vorfreude auf die nächste Clubnacht klingt. Nach gut eindreiviertel Stunden und zwei Zugaben ist der Trip ins unbeschwertere Gestern auch schon wieder vorbei. Ein guter Rausch, nur der Club, der hat gefehlt.