Nach dem verheerenden Hurrikan Melissa steht Kuba vor einer doppelten Krise: Neben massiven Zerstörungen droht ein rascher Anstieg tropischer Viruskrankheiten wie Dengue, Chikungunya und Oropouche.
Die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) hat einen Nothilfe-Appell über 15 Millionen Schweizer Franken (rund 18 Millionen US-Dollar) gestartet, um rund 100.000 Menschen in Kuba zu unterstützen, die von Hurrikan Melissa und einem sich verschärfenden Ausbruch tropischer Viruskrankheiten betroffen sind. Besonders besorgniserregend ist laut der Organisation das steigende Risiko von Dengue-, Chikungunya- und Oropouche-Infektionen, die sich nach den massiven Überschwemmungen im Osten des Landes rasch ausbreiten könnten.
Hurrikan Melissa, einer der drei stärksten Stürme in der Geschichte der kubanischen Wetteraufzeichnungen, traf am 28. Oktober 2025 auf die Südostküste Kubas und richtete in acht Provinzen schwere Schäden an. Viele Gemeinden standen bereits zuvor unter Druck: Seit Monaten kämpft das Land mit einem Anstieg sogenannter Arbovirus-Erkrankungen, die durch Mücken übertragen werden. Die Kombination aus zerstörter Infrastruktur, überfluteten Gebieten und unterbrochener Trinkwasserversorgung verschärft die Gefahr nun erheblich.
„Hurrikan Melissa hat nicht nur Häuser zerstört, sondern auch die Bedingungen geschaffen, unter denen sich Infektionskrankheiten explosionsartig ausbreiten können“, warnte Carlos Pérez Díaz, Exekutivpräsident des Kubanischen Roten Kreuzes. In den betroffenen Regionen sammeln sich nach den heftigen Regenfällen stehende Gewässer, die ideale Brutstätten für Stechmücken bilden.
Das Rote Kreuz reagiert gemeinsam mit dem kubanischen Gesundheitsministerium mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket. Neben der Verteilung von Hilfsgütern sollen vor allem epidemiologische Überwachung, Wasseraufbereitung und Hygienemaßnahmen gestärkt werden. Mobile Gesundheitsteams werden in den Katastrophengebieten eingesetzt, um den Zugang zu medizinischer Versorgung zu sichern und frühzeitig Krankheitsherde zu erkennen.
Ein Schwerpunkt liegt auf der Wiederherstellung einer sicheren Trinkwasserversorgung. Durch die Verteilung von Wasseraufbereitungssets, Hygienepaketen und der Installation solar- oder schwerkraftbetriebener Pumpen will das Rote Kreuz verhindern, dass verunreinigtes Wasser zur weiteren Verbreitung von Krankheiten beiträgt. Auch Aufklärungskampagnen über den Umgang mit Wasser, Abfällen und Mückenschutz sollen helfen, die Bevölkerung vor einer erneuten Gesundheitskrise zu bewahren.
„Nach der Zerstörung durch den Sturm droht Kuba eine zweite, unsichtbare Katastrophe: der Ausbruch tropischer Viruskrankheiten“, bentonte IFRC-Generalsekretär Jagan Chapagain. Die Hilfsmaßnahmen seien entscheidend, um Leben zu retten und ein Zusammenbrechen des Gesundheitssystems zu verhindern. Das Land befinde sich in einer doppelten Notlage – zwischen den materiellen Schäden des Hurrikans und einer sich ausweitenden Epidemiegefahr.
Vor dem Sturm hatte das Kubanische Rote Kreuz vorsorglich 1.000 Hilfspakete in die östlichen Provinzen gebracht. Diese enthalten Grundbedarfsgüter wie Decken, Küchenutensilien und Hygieneartikel und werden nun an evakuierte Familien verteilt. Doch langfristig geht es um mehr als akute Hilfe: Die IFRC will mit dem zweijährigen Hilfsprogramm nicht nur Soforthilfe leisten, sondern auch die Widerstandsfähigkeit der Gemeinden gegen künftige Gesundheits- und Klimarisiken stärken.
Die Erfahrungen aus früheren Katastrophen – von Hurrikan Sandy über Ian bis Oscar – haben gezeigt, dass sich Naturgefahren und Gesundheitsrisiken auf Kuba zunehmend gegenseitig verstärken. Loyce Pace, IFRC-Regionaldirektorin für die Amerikas, betonte: „Wir sehen in Kuba eine wachsende Überlagerung von Klimakatastrophen und Krankheitsausbrüchen. Unsere Partnerschaft mit dem Kubanischen Roten Kreuz zielt darauf, die Bevölkerung auf beides besser vorzubereiten.“
Während die Aufräumarbeiten in den zerstörten Gemeinden noch laufen, konzentriert sich die internationale Hilfe daher zunehmend auf Prävention. Neben dem Wiederaufbau zerstörter Häuser sollen Schulungen zur sicheren Wassernutzung, Abfallentsorgung und Vektorkontrolle langfristig das Risiko neuer Ausbrüche mindern.
Hurrikan Melissa hat Kuba in eine komplexe Krise gestürzt – eine, die nicht allein durch den Wiederaufbau von Gebäuden gelöst werden kann. Der Kampf gegen die drohende Epidemie tropischer Krankheiten wird entscheidend dafür sein, ob das Land die Folgen dieser Katastrophe übersteht, ohne in eine noch tiefere humanitäre Krise zu geraten.