
Nach Berichten über Gräueltaten in Al-Faschir im Sudan hat der Internationale Strafgerichtshof eine Untersuchung angekündigt. Derweil flüchten laut UN Zehntausende aus der Region Kordofan – aus Angst vor Kämpfen.
Nach den jüngsten Berichten über Gewaltverbrechen in der sudanesischen Stadt Al-Faschir haben die Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eine Untersuchung angekündigt. Die Anklage am Sitz des Gerichts in Den Haag teilte mit, sie sei „zutiefst beunruhigt“ über die Berichte. Die Gräueltaten seien Teil eines „umfassenderen Gewaltmusters“ seit dem Beginn der Kämpfe 2023, hieß es.
Angehörige der Miliz RSF (Rapid Support Forces) hatten vergangene Woche die Stadt im Norden von Darfur überrannt und sollen nun mit massiver Gewalt gegen die Bevölkerung vorgehen. Den Milizmitgliedern werden Massenmorde und Vergewaltigungen vorgeworfen. Solche Gräueltaten sind nach Angaben der Anklage „Teil einer umfassenderen Gewaltwelle seit April 2023 in der gesamten Region Darfur“.
Gericht will Beweise sammeln
In dem ostafrikanischen Land am Horn Afrikas herrscht seit April 2023 ein blutiger Machtkampf zwischen De-facto-Machthaber Abdel-Fattah al-Burhan und seinem einstigen Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, der die RSF kommandiert. Die UN beschreiben die Lage im Sudan als die größte humanitäre Krise der Welt.
Die Anklage in Den Haag ermittelt bereits zu möglichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur. „Im Rahmen der laufenden Ermittlungen ergreift die Anklagebehörde unverzüglich Maßnahmen, um relevante Beweise für künftige Anklagen in Bezug auf die mutmaßlichen Verbrechen in Al-Fashir zu sichern und zu sammeln“, hieß es in einer Stellungnahme.
Erst kürzlich hatte das Weltstrafgericht einen ehemaligen Anführer der Janjaweed-Miliz wegen ähnlicher Verbrechen in Darfur schuldig gesprochen. „Das ist eine Warnung an alle Konfliktparteien in Darfur, dass sie für solche grausamen Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden“, so die Ankläger.
UN-Bericht: Zehntausende fliehen aus der Region Kordofan
Aus Angst vor den sich ausweitenden Kämpfen im Sudan haben sich Zehntausende Menschen aus der im Zentrum des Landes gelegenen Region Kordofan auf die Flucht begeben. Nach jüngsten UN-Angaben flohen zwischen dem 26. und dem 31. Oktober aus fünf Ortschaften der Region mehr als 36.800 Zivilisten. Anwohner berichteten davon, dass sowohl die paramilitärische RSF-Miliz als auch die Regierungsarmee ihre Einheiten in der Region verstärkten. Kordofan, das in einen Nord-, Süd- und Westteil gegliedert ist, ist reich an Ressourcen und strategisch wichtig zwischen der westlichen Region Darfur und der Hauptstadt Khartum gelegen.
Nach dem Rückzug der Regierungsarmee aus der seit dem 26. Oktober von der RSF kontrollierten Stadt Al-Faschir in Darfur sind nun die Kämpfe um die Hauptstadt von Nordkordofan, El-Obeid, und um ein wichtiges Logistikzentrum entbrannt. Nach UN-Angaben konnten 65.000 Menschen aus Al-Faschir fliehen, Zehntausende weitere sind noch in der Stadt gefangen.
„Der Sudan steht am Abgrund einer humanitären Katastrophe“
Unterdessen hat zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres ein Expertengremium eine Hungersnot in Teilen des Sudans bestätigt. Experten der weltweit als Autorität für Ernährungssicherheit anerkannten Initiative IPC (Integrated Food Security Phase Classification) habe Beweise geliefert, dass die Situation in den Städten Al-Faschir und Kadugli in der Region Süd-Kordofan den Status einer Hungersnot erreicht habe, teilte die Hilfsorganisation Aktion gegen den Hunger mit. „Der Sudan steht am Abgrund einer humanitären Katastrophe“, erklärte die Organisation zu dem Bericht.
Zudem bestehe die Gefahr einer Hungersnot in 20 weiteren Gebieten in Darfur und Kordofan. Mehr als 375.000 Menschen sind demnach im Sudan von einer humanitären Katastrophe der höchsten Stufe betroffen; 21 Millionen sind von Hunger bedroht. Ende Dezember hatte der IPC-Ausschuss bereits die Kriterien einer Hungersnot in mindestens fünf Gebieten des Landes nachgewiesen. Betroffen waren hauptsächlich Gebiete in Nord-Darfur.