
Vor 30 Jahren wurde Israels Premier Rabin nach einer Friedenskundgebung erschossen. Zum Jahrestag erinnern in Tel Aviv mehr als 100.000 Menschen an den Politiker, der den Dialog mit den Palästinensern suchte.
„Ich freue mich sehr. Ich möchte mich bei jedem Einzelnen bedanken, der hier gegen Gewalt und für den Frieden eingetreten ist.“ Es sind letzte Worte aus der Rede von Izchak Rabin, bevor der israelische Premier, der als Mitbegründer des Oslo-Friedensabkommens bekannt wurde, vor genau 30 Jahren von einem rechtsreligiösen Studenten nach einer Friedenskundgebung in Tel Aviv erschossen wurde.
Es geschah, kurz nachdem Rabin davon sprach, dass der Weg des Friedens mit den Palästinensern dem des Krieges vorzuziehen sei, wie Jossi Beilin dem ARD-Studio Tel Aviv berichtet. Beilin war damals stellvertretender Außenminister und Weggefährte Rabins.
Rabins Weggefährte Jossi Beilin: „Für mich ist es, als wäre es gestern gewesen.“
„Wir haben wie Babys geweint“
„Rabin hatte Angst, dass die Leute nicht kommen. Für mich ist es, als wäre es gestern gewesen“, sagt Beilin. „Er wollte nicht für den Frieden sterben, aber er verstand, dass das vielleicht ein Preis ist, den man zahlt, wenn man das Schicksal seines Landes zum Besseren verändert.“
Beilin gilt als Architekt des Oslo-Friedensabkommen, für das sich Rabin einsetzte. Ein Abkommen, für das er sogar PLO-Chef Jassir Arafat im Weißen Haus die Hand gab.
Er sei mit einem Freund in New York gewesen, als er vom Tod Rabins erfuhr, erinnert sich Beilin: „Wir sind aufgestanden, haben uns in die Arme genommen und wie Babys geweint. Hätte es Rabin nicht gegeben, hätte es den Friedensprozess nicht gegeben.“
Im September 1993 gaben sich Israels Premier Rabin und PLO-Chef Arafat in Washington die Hand. Ein Frieden im Nahen Osten mit einer Zweistaaten-Lösung schien damals vorstellbar.
Netanjahu bleibt dem Gedenken fern
Auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv haben sich jetzt, 30 Jahre später, mehr als 100.000 Menschen versammelt, um Rabin zu gedenken. Premier Benjamin Netanjahu, der schon damals Rabins Widersacher war, hält sich fern. Oppositionsführer Yair Lapid kritisiert, dass die derzeitige Regierung im Namen des Judentums Gewalt rechtfertige. Die Stimmung ist nachdenklich.
Merav Ben Ami wischt sich eine Träne aus dem Auge. Ihr Mann sei einer der Polizisten gewesen, die Rabin nach den Schüssen ins Krankenhaus begleiteten, erzählt die Frau: „Es ist traurig. Alles, was es damals gab, hält bis heute an. Die Gesellschaft ist gespalten, die Gewalt geht weiter. Aber wenn wir nicht auf Veränderung hoffen, haben wir nichts, wofür es sich zu leben lohnt. Deshalb gehe ich seit zwei Jahren im Krieg auf die Straße. Auch wenn alle Geiseln wieder da sind, werden wir weiter protestieren.“
Mehr als 100.000 Menschen demonstrieren in Tel Aviv im Gedenken an Izchak Rabin.
„Wir werden nicht vergessen, nicht vergeben“
Es habe sich wie das Ende der Welt angefühlt, als Rabin starb, erinnert sich Joshua Amishav, der wenige Meter von der Stelle entfernt steht, wo Rabins Attentäter nach der Rede auf ihn schoss. Joshua hält ein Plakat in die Höhe. „Wir werden nicht vergessen, nicht vergeben“, steht darauf. Es zeigt ein Bild Rabins und eines von Netanjahu, der damals die Stimmung gegen Rabins Politik anheizte.
„Es ist derselbe Netanjahu, der uns den 7. Oktober eingebrockt hat, der das Gegenteil von Rabin tat“, sagt Amishav. „Rabin wurde auf dem Weg zum Frieden ermordet. Netanjahu hat die Hamas finanziell unterstützt, um die palästinensische Autonomiebehörde zu schwächen. Er hat jeder Möglichkeit für Frieden den Garaus gemacht. Er hat den Weg vorgezeichnet für einen endlosen Krieg.“
Viel Kritik an Netanjahu
Viele hier geben Netanjahu die Schuld, am 7. Oktober beim Angriff der Hamas versagt und nichts getan zu haben, um den Krieg zu beenden. Rabins Weggefährte Jossi Beilin plädiert noch heute für den Dialog mit den Palästinensern, setzt sich für die Idee der Zweistaatenlösung ein. Vor allem aber fehle es an Persönlichkeiten, die so etwas umsetzen können, meint Beilin.
„Rabin war Soldat, kein freundlicher Mensch, ein komischer Kerl, aber er war kein Kriegstreiber. Er hätte sich nicht als Friedensaktivist gesehen, sondern als Mister Sicherheit. Für ihn gehörten Frieden und Sicherheit zusammen“, sagt Beilin. „Jemanden wie Rabin brauchen wir heute, der die Interessen des Landes über seine eigenen stellt. Das haben wir nicht. Rabin war so.“
