Mar-a-lago-Accord Trump USAFoto: Bloomberg

Trump und der Mar-a-Lago Accord: Make America Alone Again – die geopolitische Sprengkraft des Mar-a-Lago Accords entfaltet sich in einem Drehbuch, das mehr ist als nur Wirtschaftspolitik! Es ist ein radikaler Masterplan für die Rückabwicklung der bisherigen Weltordnung. Dieser Artikel ist der erste Teil einer zweiteiligen Analyse.

Trump und Mar-a-Lago Accord: Der große Abgang

Es gibt viele Arten des Selbstmords. Den leisen, fast selbstlosen, wie in der Legende über die Inuit: Alte, die sich in einem Kanu aufs Meer treiben lassen, um ihrer Gemeinschaft nicht zur Last zu fallen – auch wenn es ein Mythos der Pop-Kultur ist. Den entschlossenen Selbstmord, bei dem der Täter sicherstellt, dass es kein Zurück gibt, etwa durch einen Sturz aus schwindelnder Höhe. Den inszenierten Selbstmord, der nach maximaler Aufmerksamkeit schreit. Und den erweiterten Selbstmord, bei dem der Suizidale andere mit in den Abgrund reißt – je mehr, desto besser. Manche kleiden ihren Tod in eine Mission, wie der Attentäter von Christchurch, der mit einem Manifest die Bühne für seine Zerstörung baute.

Der Mar-a-Lago Accord ist eine Nummer größer. Er ist kein Akt eines Einzelnen, sondern ein Manifest, das den Selbstmord eines Imperiums ankündigt. Nicht aus Verzweiflung, sondern aus Angst, nicht länger im Rampenlicht zu stehen. Geschrieben von einem, der glaubt, der Tod des Systems sei der Preis für die Wiedergeburt einer Nation – und der bereit ist, die gesamte Weltordnung, wie wir sie kennen, mit in den Abgrund zu reißen.

Mar-a-Lago Accord: Ein Pakt wie kein anderer

Der Mar-a-Lago Accord reiht sich ein in die Kette historischer Vereinbarungen wie das Bretton-Woods-System von 1944 oder der Plaza Accord von 1985. Bretton Woods schmiedete die Nachkriegsordnung, krönte den US-Dollar zur globalen Leitwährung und wob ein Netz aus Handel und Macht. Der Plaza Accord, ein gezielter Schlag, wertete den Dollar ab, um Handelsungleichgewichte zu glätten. Der Mar-a-Lago Accord, benannt nach Donald Trumps glitzerndem Golfresort in Florida – halb Palast, halb politisches Nervenzentrum –, träumt größer: eine radikale Neuordnung der globalen Finanz- und Handelsarchitektur.

Dabei entwirft sein Architekt, der Hedgefonds-Manager Stephen Miran, eine Roadmap. Miran, inzwischen Vorsitzender von Trumps Council of Economic Advisers, skizziert in seinem 41-seitigen Papier A User’s Guide to Restructuring the Global Trading System (Ein Leitfaden zur Umstrukturierung des globalen Handelssystems) einen Plan, wie die Wirtschafts- und Finanzpolitik unter Trump künftig gestaltet werden soll. Vor seiner Rolle im Weißen Haus war Miran Senior-Stratege bei Hudson Bay Capital Management, einem globalen Investmentunternehmen, und Mitbegründer der Vermögensverwaltung Amberwave Partners.

Sein Plan zielt darauf ab, die USA wieder zu dem alten Glanz der unbestrittenen Supermacht zu machen.

Doch Miran liefert keine Begründung, warum die USA diesen Thron beanspruchen dürfen. Er setzt den amerikanischen Exzeptionalismus als Selbstverständlichkeit voraus, ohne ihn zu hinterfragen. Es fehlt das puritanische Sendungsbewusstsein der Gründerväter, die ihre Mission als göttlichen Auftrag sahen, oder die leuchtende Fackel von Freiheit und Demokratie, die Kennedy und Reagan in die Welt tragen wollten – auch wenn die Welt diese „Segnungen“ nicht immer mit offenen Armen empfing. Mirans Vision ist nüchterner, fast mechanisch: Dominanz um ihrer selbst willen, ein Imperium, das nicht inspiriert, sondern diktiert.

Trump und die neue Weltwirtschaft – Drama in fünf Akten

Was aussieht wie eine chaotische Wirtschaftspolitik, folgt in Wahrheit einer klaren Abfolge. Der Mar-a-Lago Accord ist keine Momentaufnahme – er ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Umgestaltung der Weltwirtschaft unter amerikanischer Dominanz.

Phase 1: Amerika als Opfer seiner Schöpfung

Am Anfang steht die Kränkung. Nicht der Triumph über das System, sondern die Behauptung, es habe sich gegen seinen Schöpfer gewandt. Die USA, so die Erzählung, tragen die Last der globalen Ordnung – militärisch, monetär, moralisch. Und bekommen dafür: Handelsdefizite, industrielle Verwüstung, außenpolitische Undankbarkeit. Das Papier spricht von „chronic overvaluation“ des Dollars, von „blighted communities“ im Rust Belt, vom „China Shock“, der Millionen Arbeitsplätze gekostet habe. Die Diagnose ist klar: Die Welt profitiert – Amerika zahlt.

Phase 2: Protektionismus als Strategie

Die Antwort ist so einfach wie brachial: Zölle. Nicht als Relikt protektionistischer Nostalgie, sondern als zentrales Steuerungsinstrument. Zölle sollen fiskalische Lücken schließen – „revenue-neutral“, wie es im Duktus der Budgettechnokraten heißt –, und zugleich als Strafinstrument wirken. Wer sich nicht an die Regeln hält, bekommt Aufschläge. Erst China, dann alle anderen. Der Trick liegt in der Staffelung: Zölle sollen schrittweise eingeführt werden, berechenbar, aber unnachgiebig. Damit Unternehmen Zeit haben, ihre Lieferketten anzupassen. Und Regierungen Zeit, sich zu fügen.

Phase 3: Wirtschaft nach Freund-Feind-Schema

Doch Zölle sind nur der Anfang. Die eigentliche Revolution liegt in der Idee, den Welthandel zu konditionieren – nicht an Wettbewerbsregeln, sondern an geopolitischer Loyalität. Länder werden in „Buckets“ eingeteilt, ihre Zollbehandlung richtet sich nach ihrem Verhalten: Unterstützen sie China oder stehen sie zu Taiwan? Stimmen sie in der UNO mit den USA? Zahlen sie genug in die NATO? Wer mitmacht, wird belohnt. Wer laviert, sanktioniert. Wirtschaft wird zur Diplomatie mit anderen Mitteln.

Phase 4: Der Dollar als doppelte Waffe

Das Herz des Systems aber ist der Dollar – und genau hier wird es paradox. Der Autor will ihn zugleich schwächen und stärken. Schwächen, um die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie zu erhöhen; stärken, um seine Rolle als globale Leitwährung zu erhalten. Um diesen Spagat zu bewältigen, schlägt das Papier eine Reihe unorthodoxer Maßnahmen vor: Eingriffe in die Kapitalmärkte über den „International Emergency Economic Powers Act“ (IEEPA) – ein Gesetz aus dem Kalten Krieg, das dem Präsidenten weitreichende Vollmachten gibt, um im Namen der nationalen Sicherheit Finanztransaktionen zu kontrollieren oder zu unterbinden. Hinzu kommt der Aufbau eigener Devisenreserven, der dem Dollar gezielt Abwertungsspielraum verschaffen soll. Der Dollar wird zur Waffe – aber in welche Richtung sie feuert, bleibt offen.

Phase 5: Schulden nur für Freunde

Am Ende steht die Frage, wem die USA etwas schulden – und wem nicht mehr. Umschuldung meint hier keine Zahlungsunfähigkeit, sondern politische Neugewichtung. Wer sich als Partner erweist, darf auf Rückzahlung hoffen. Wer nicht, wird auf Kapitalverkehrskontrollen, Zahlungsaussetzungen oder „Repricing“ stoßen. Schulden werden nicht getilgt – sie werden kuratiert. Die Finanzmacht Amerikas wird zum selektiven Belohnungssystem, zur geopolitischen Kreditvergabe mit Bedingungen.

Systemfehler made in Mar-a-Lago

So geschlossen und durchdacht der Mar-a-Lago Accord auf den ersten Blick erscheinen mag – bei näherer Betrachtung zeigt sich ein Geflecht aus inneren Widersprüchen, das seine strategische Kohärenz infrage stellt. Das beginnt schon bei der Zolllogik: Zölle sollen Importe verteuern und damit die heimische Produktion stärken. Gleichzeitig aber sollen sie als dauerhafte Einnahmequelle dienen, um das US-Steuersystem zu entlasten. Doch je erfolgreicher sie die Importe zurückdrängen, desto geringer fallen die Einnahmen aus – ein klassischer Zielkonflikt, der fiskalisch nicht aufzulösen ist.

Ähnlich ambivalent verhält es sich beim Dollar: Eine Abwertung soll die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie fördern, während die Rolle des Dollar als globale Leitwährung unangetastet bleiben soll. Nur: Eine dauerhaft schwache Währung verliert Vertrauen – und damit ihre Attraktivität für Anleger und Zentralbanken weltweit. Auch die geplante Kontrolle von Kapitalströmen etwa über das IEEPA steht im Widerspruch zur Offenheit des US-Finanzsystems, das auf permanente Kapitalzuflüsse angewiesen ist. Wer selektiv Kapitalbewegungen beschränkt, riskiert, dass genau die Investoren fernbleiben, die zur Finanzierung der Defizite gebraucht werden.

Ein weiteres Spannungsfeld entsteht durch die Idee gradueller Zollanhebungen. Diese sollen Unternehmen Planungssicherheit geben und gleichzeitig politischen Druck auf Handelspartner ausüben. Doch entweder sind sie langsam und damit vorhersehbar – dann verlieren sie ihre Schockwirkung. Oder sie kommen abrupt – dann destabilisieren sie die Märkte. Beides zugleich funktioniert nicht. Hinzu kommt ein grundlegender Widerspruch in der Industriepolitik: Der Accord will ohne klassische Subventionen auskommen, setzt stattdessen auf „Marktanreize“ durch Zölle. Doch eine ernsthafte Reindustrialisierung lässt sich nicht durch Preisverzerrungen allein erreichen – jedenfalls nicht in einem Land mit hohen Lohnkosten, maroder Infrastruktur und wenig Berufsausbildung. Ohne gezielte Förderung, ohne strategische Standortpolitik bleibt es ein Wunschtraum.

Auch die Idee, künftig nur noch bei „vertrauenswürdigen“ Gläubigern Schulden zu machen – also Staaten, die als politische Partner gelten –, lässt zentrale Fragen offen. Es fehlt an klaren Kriterien, was Vertrauen in diesem Kontext überhaupt bedeutet. Das schafft Unsicherheit, nicht nur bei potenziellen Kreditgebern, sondern auch bei den US-Finanzmärkten selbst. Schließlich offenbart sich eine grundlegende Verwechslung: Der Autor stellt Zölle und Mehrwertsteuer steuerlogisch auf eine Stufe – doch während Letztere in fast allen Ländern als konsumneutrale Binnensteuer fungiert, wirken Zölle als außenwirtschaftliches Instrument mit völlig anderer Dynamik. Dieser Unterschied wird im Papier ignoriert – mit potenziell weitreichenden Folgen für seine fiskalische Argumentation.

Was als wirtschaftspolitische Agenda beginnt, offenbart sich als ideologischer Feldzug gegen alte Verbündete und neue Rivalen. Im zweiten Teil beleuchten ich, wie China zum Zentrum dieses Feindbilds wird – und welche Risiken das für die USA und die Welt bedeutet.

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