Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will Afghaninnen und Afghanen Geld und Sachleistungen anbieten, wenn sie auf die
Einreise nach Deutschland im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms
verzichten. Dadurch sollen sie dazu bewegt werden, ihren Aufnahmeanspruch in
Deutschland aufzugeben. Das berichten die Nachrichtenagentur epd und die Welt übereinstimmend. Viele Afghaninnen und Afghanen haben einen Anspruch auf Schutz in Deutschland, den ihnen die frühere Bundesregierung zugesagt hatte.
In einem Schreiben, das im Auftrag des
Bundesinnenministeriums an Betroffene versendet wurde, heißt es demnach: „Die
Bundesregierung hat beschlossen, freiwillige Aufnahmeprogramme für
gefährdete Afghanen und Afghaninnen
zu beenden.“ Aufgrund der aktuellen Lage in Pakistan müssten die
Verfahren bis zum Jahresende vollständig abgeschlossen sein. „Leider ist
nicht garantiert, dass alle Verfahren rechtzeitig abgeschlossen werden
können“, heißt es weiter. Pakistan hat damit begonnen, Afghaninnen und Afghanen abzuschieben.
Durch das Aufnahmeprogramm will Deutschland seine Verantwortung gegenüber den Afghaninnen und Afghanen wahrnehmen: Zu den Menschen mit Aufnahmezusagen zählen frühere Ortskräfte deutscher Institutionen und
ihre Angehörigen, aber auch andere Menschen, die
Verfolgung durch die islamistischen Taliban fürchten müssen, weil
sie sich in der Vergangenheit für
Menschenrechte eingesetzt haben.
Verfahren stockt bereits seit Längerem
Wer das Angebot annehme, scheide endgültig aus dem Aufnahmeprogramm aus, schreibt das Bundesinnenministerium. Dadurch soll das Verfahren, das seit einiger Zeit stockt, entlastet werden. Zahlreiche afghanische Staatsbürger warten bereits seit zwei Jahren in Pakistan auf ihre Ausreise. Viele von
ihnen besitzen eine Aufnahmezusage für Deutschland, erhielten
aber bislang kein Visum oder mussten die Stornierung erteilter
Visa hinnehmen. Dagegen hatten viele protestiert.
© Lea Dohle
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In mehreren Fällen hatten Gerichte zuletzt angeordnet, die Einreise umgehend zu ermöglichen. Zudem kommen vereinzelt Menschen über das Bundesaufnahmeprogramm in Deutschland an, zumeist weil ihr Recht auf Schutz in Deutschland eingeklagt wurde. Die Gerichte stellten Deutschlands Verantwortung gegenüber den Menschen fest – das Land muss sie aufnehmen. Derzeit befinden sich noch etwa 2.000 Afghanen mit Aufnahmezusage in Pakistan.
Nach Willen des Bundesinnenministeriums soll den Ausreisewilligen eine einmalige
finanzielle Unterstützung angeboten werden, die je nach
Familienkonstellation mehrere tausend Euro beträgt. Neben der Rückkehr nach Afghanistan sei im Einzelfall auch
„eine Rückkehr in einen Drittstaat“ möglich. Zusätzlich sollen die
Ausreisenden Sachleistungen und Reisekosten erhalten. Zudem sollen die Menschen bis drei Monate nach der Ankunft in Afghanistan bei Unterkunft, Verpflegung
sowie medizinischer und psychosozialer Versorgung unterstützt werden.
Kritik von Menschenrechtlern an der Idee
Nach Angaben von Hilfsorganisationen sind 165 Fälle aus einem der
Aufnahmeprogramme betroffen, insgesamt soll es sich um etwa 660 Menschen
handeln. Eine betroffene Afghanin sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), der von der
Bundesregierung angebotene Betrag decke gerade einmal die bisherigen
Kosten für Pässe und Visa. „Wir haben alles zurückgelassen, in der
Hoffnung, in einem sicheren Land leben zu können. Ich habe Kabul
verlassen, weil ich dort in Gefahr war.“ Sie wisse nicht, was sie nun tun solle.
Auch die Hilfsorganisation Medico International kritisierte das Bundesinnenministerium. „Menschenrechte sind nicht verkäuflich, doch die Bundesregierung tut so,
als ob sie einen Warenpreis wie im Supermarkt hätten“, sagte
Geschäftsführer Tsafrir Cohen dem RND. Die
Bundesregierung nutze „die desaströse humanitäre wie finanzielle Situation der Antragstellerinnen und Antragsteller schamlos aus“. Die
Betroffenen hätten nach einem langwierigen Prüfverfahren eine
Aufnahmezusage erhalten, weil die Bundesregierung sie als gefährdet
eingestuft habe, sagte Cohen. Sie benötigten sofortigen Schutz, welchen ihnen die Bundesregierung zugesichert habe. „Das Leben der Menschen
und ihre unveräußerlichen Menschenrechte gehören zu keinem
Monopoly-Spiel.“
In Afghanistan regieren derzeit die islamistischen Taliban. Sie untersagen Frauen weitgehend die Teilnahme am öffentlichen Leben, auch Bildung ist kaum noch zugänglich. Zugleich sind zahlreiche Menschenrechtsverletzungen im Land nachgewiesen. Dobrindt will trotzdem mit der Terrororganisation verhandeln, um Menschen abschieben zu können. Zugleich befinden sich Pakistan und Afghanistan immer wieder in einer kriegerischen Auseinandersetzung.
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