„Quäl dich, du Sau!“ Dieser Spruch ist legendär geworden, seitdem der Radprofi Udo Bölts bei der Tour de France 1997 damit seinen Teamkapitän Jan Ullrich anfeuerte. Bei der 23. Ausgabe des Beethoven Piano Clubs von Susanne Kessel musste man unweigerlich daran denken, als der Münchner Pianist und Komponist Moritz Eggert ziemlich genau eine ganze Stunde lang den Flügel auf der Bühne des Pantheons mit vollem Körpereinsatz traktierte. Eggert, der bekannt für unkonventionelle Projekte ist, durfte das Hauptprogramm bestreiten und hatte dafür die Deutsche Erstaufführung des ersten Segments seines gigantischen, auf insgesamt 12 Stunden angelegten Klavierzyklus Hämmerklavier XXXIII mit dem Titel „Ultra“ ausgewählt. Der Titel trifft es ganz gut, denn Eggerts Stück hat allein durch seine Dauer auch etwas Sportives. Der musikalische Eindruck war der eines Marathon-Laufs, mit Ruhe- und Powerphasen, einlullenden Klangpatterns und plötzlichen Sprints.
Vom Pianisten wird neben spieltechnischen Fertigkeiten auch eine gewisse Kondition und Leidensfähigkeit verlangt, da er nicht nur mit den Fingern, sondern auch mit Nasenspitze und Füßen spielen sowie pfeifen muss. Dem bekennenden Extremsportler Eggert ist das nicht fremd, er ist es gewohnt bis zum Äußersten und darüber hinaus zu gehen. Der Komponist Eggert tut dies auch und ist zudem dank seiner beneidenswerten Kondition – er wird immerhin in Kürze 60 – in der Lage, alle musikalischen und sportlichen Hürden mühelos zu meistern. Ein denkwürdiger Abend, der neugierig auf den kompletten, noch im Entstehen befindlichen Zyklus machte.
Da der Piano Club ausdrücklich als „Ort des künstlerischen Austauschs“ konzipiert ist, wie Susanne Kessel in ihrer Begrüßung noch mal ausdrücklich erwähnte, antworteten die weiteren Künstler des Abends auf Eggerts Vorlage – in literarischer Form wie Petra Kalkutschke, die hinreißend ebenso hinter- wie tiefsinnige Texte von Kurt Schwitters und Michael Ende rezitierte, zumeist aber musikalisch. In anregender Weise ging Dorrit Bauerecker mit „gfätterle“ von Oxana Omelchuk anhand von Akkordeon, Keyboards und Melodica dem scheinbar absichtslosen „Rumbasteln“ nach, wobei immer wieder spannende, aber auch unvorhersehbare Interferenzen entstanden.
Kessel stellte unter anderem drei Uraufführungen aus ihrem Projekt „Freiheit!“ von Martin Wistinghausen, Moritz Eggert und Hans Lüdemann vor und der junge Pianist, Komponist und Dirigent Christian Brandenburger suchte mit der vielversprechenden Uraufführung „Walking around the Trap III“ die unmittelbare Konfrontation absoluter Extreme, was zumindest im ersten Teil auch eine durchaus körperliche Herausforderung war.
Den letzten Teil des Abends bestritten der Berliner Pianist Jan Gerdes mit dem reizvollen und durchaus komplexen Stück „Isiko“ der afrikanischen Komponistin Bongdani Ndodana-Breen, der Conférencier und Pianist Markus Schimpp mit zweien seiner herrlichen Morgenstern-Miniaturen und einem mit gehörigem Augenzwinkern dargebotenen „Ich hab ka Lust“ von Georg Kreisler sowie Helmut Zerlett, der am Moog-Synthesizer fulminante Klangräume eröffnete und den Abend noch mal musikalisch reflektierte.