
Der erfolgreichste deutsche Regisseur in Hollywood wurde einst als „Spielbergle aus Sindelfingen“ verspottet. Heute gilt Roland Emmerich als Pionier des Actionfilms. Seine Ideen musste er gegen enorme Widerstände durchsetzen.
Roland Emmerich wurde mit „Independence Day“ 1996 weltberühmt. Es folgten Film-Hits wie „Godzilla“ (1998), „The Patriot“ (2000) und „The Day After Tomorrow“ (2004). Emmerich wurde damit zum Mitschöpfer des Blockbuster-Kinos. Geholfen habe dem Regisseur sein schwäbisches Naturell, glaubt Jo Müller. Der Kinoexperte und Filmautor begleitet das Filmschaffen von Emmerich seit 30 Jahren.
Zum 70. Geburtstag des Hollywood-Stars am 10. November drehte er die Doku „Meister der Apokalypse – Roland Emmerich“, ab dem 5. November verfügbar in der ARD Mediathek. Emmerich habe seine Visionen verwirklicht mit allen Fähigkeiten, „die man den Schwaben so nachsagt: Tüftelei, Durchsetzungsvermögen und auch Sturheit.“
Einmal Schwabe, immer Schwabe
Der Regisseur spürt in seinem Alltag ebenfalls seine „schwäbischen Wurzeln“, aber eher in der Küche: „Jedes Mal, wenn Freunde von uns zu Besuch kommen, werden Spätzle gemacht“, sagt Roland Emmerich in der Doku. „Einmal ein Schwabe, immer ein Schwabe.“ Das klingt beinahe fatalistisch. Doch auch solches Understatement gehört zu Emmerich. Jo Müller erlebt es, als er den Regisseur in Hollywood besucht, ihn zu privaten Festen, Events und Dreharbeiten begleitet.
Der Hollywood-Star betrachte sich „als Handwerker, nicht als Filmkünstler“, erzählt Jo Müller im Gespräch über seine Doku mit SWR Kultur. Emmerich komme es darauf an, dass seine Filme funktionierten. Geholfen habe ihm auch, dass er nicht die „üblichen Eitelkeiten“ eines Hollywood-Regisseurs besitze: „Er ist sehr nahbar, sehr freundlich, auf dem Boden geblieben.“
Kampf gegen Spott und Häme
Als Filmemacher dagegen war Emmerich kompromisslos – von Anfang an. Und auch das gehört zu seiner schwäbischen Vergangenheit: Seine Vision wurde anfangs kaum ernst genommen, er selbst noch Anfang der 1990er-Jahre als „Spielbergle aus Sindelfingen“ verspottet. „Ich habe das mitgekriegt“, erinnert sich Jo Müller, „als er die ersten Filme gedreht hat, wie hämisch die heimische Presse mit ihm umgegangen ist – vor allem die schwäbische.“
Auch Emmerich selbst hält mit seinen Eindrücken nicht hinterm Berg. 1990 kommt sein Science-Fiction „Moon 44“ ins Kino, gedreht mit Trickfilmer Volker Engel in einer Panzerfabrik bei Leonberg. Stundenlang habe sich Emmerich von Journalisten Beleidigungen anhören müssen. Mehrfach hätte man ihm gesagt: „Dann geh doch nach Amerika, aber die wollen dich ja eh nicht.“ Emmerich entgegnete: „Fuck you guys“ – und ging.
Nach Hollywood dank Sylvester Stallone
Schon damals ist der Regisseur seiner Zeit voraus. Während in Deutschland das Autorenkino gefragt ist, macht er Genre-Filme, versucht Geschichten nicht durch Dialoge, sondern starke Bilder zu erzählen. Früh malt er, ist fasziniert von Architektur und Innenarchitektur. Viele seiner Motive tauchen auch in späteren Filmen auf, zum Beispiel in „2012“ aus dem Jahr 2009: riesige Flutwellen, Highways, die zusammenknicken, Vogelschwärme, die New York verlassen.
Auch in Hollywood muss Roland Emmerich allerdings kämpfen. Zwar bekommt er prominente Unterstützung – Actionstar Sylvester Stallone höchstpersönlich empfiehlt den noch unbekannten Deutschen, nachdem er „Moon 44“ gesehen hat -, doch ein geplantes Filmprojekt mit Stallone scheitert am Zerwürfnis mit Produzent Joel Silver. Legendär ist dessen Drohung an Emmerich: „Du wirst in dieser Stadt niemals mehr einen Film machen.“ Noch einer, der den Mann aus Schwaben unterschätzt.
Die Welt retten mit Will Smith
Mit „Independence Day“ enden die schwierigen Jahre. Der wohl bekannteste Film von Roland Emmerich spielt 1996 weltweit über 800 Millionen Dollar ein. Ein Erfolg, den der Regisseur vor allem der Besetzung zuschreibt. Im Krieg der Menschheit gegen die Aliens übernimmt Will Smith eine der Heldenrollen, neben Bill Pullman und Jeff Goldblum. „Ein Schwarzer, ein Jude und ein weißer Rüpel als Präsident. Die drei haben zusammen mehr oder weniger die Welt gerettet“, scherzt Emmerich. Für die Rolle von Will Smith war ein Schwarzer ursprünglich nicht vorgesehen. Doch das Team entschied, die Hauptrolle mit einem schwarzen Darsteller zu besetzen. Roland Emmerich: „Das war damals revolutionär“.
Meistens jedoch ging es in Hollywood damals weniger revolutionär zu. Roland Emmerich ist schwul. Er will Actionfilme und Science-Fiction drehen. Doch er weiß, dass in diesen Genres ein homosexueller Mann nicht gut ankommt: „Da gehört das Wort ’schwul‘ einfach nicht hin. Das hätte wahrscheinlich meiner Karriere nicht sehr gutgetan.“ Das hindert Emmerich aber nicht an selbstbewussten Entscheidungen. Als einer der ersten Blockbuster-Regisseure befasst er sich 2004 in „The Day After Tomorrow“ mit den Folgen des Klimawandels. Eine weitere Pioniertat.
„Ich mache Filme, bis ich umfalle“
Drei Jahre zuvor war Emmerich lebensbedrohlich an einem Hirntumor erkrankt. „Ich habe damals gedacht, dass ich sterben werde, und habe mir gesagt: Bevor ich sterbe, mache ich noch einen Film über das, was ist mir am wichtigsten ist: Climate Change.“ Erstaunlich ruhig sei der Regisseur damals gewesen, erinnert sich Doku-Autor Jo Müller. „Als ich die Geschichte mit dem Gehirntumor erfahren habe, war ich erschüttert und erstaunt, wie locker er darüber geredet hat.“
Emmerich denke derzeit über eine Fortsetzung des Filmes „The Day After Tomorrow“ nach. Ob es ihn gerettet hat, dass er damals einfach weitermachte?
70 Jahre alt zu werden, ist nach diesen Erfahrungen für ihn „a big, big date“, ein großer, großer Tag. Ebenso sicher ist er sich: „Ich mache so lange Filme, bis ich umfalle.“ Doch ob er für immer in den USA bleiben wird? Sein Ehemann und er hätten bewusst beide ihren deutschen Pass behalten. „Man weiß ja nie, oder?“