Die Ukraine verstärkt ihre Angriffe auf russische Raffinerien. Forscher einer französischen Denkfabrik vergleichen die militärischen Fähigkeiten Europas und Russlands – und sehen Handlungsbedarf. Mehr im Liveticker.
Die russische Armee setzt ihren Vormarsch in der Ukraine fort. Im Fokus steht vor allem die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk im Osten des Landes. Ein Bericht des Französischen Instituts für Internationale Beziehungen (Ifri) bescheinigt Europa Schwierigkeiten bei der Mobilisierung von Truppen und der Produktion von Waffen.
Alle Ereignisse rund um den Krieg in der Ukraine und die Sicherheitspolitik in Europa im Liveticker:
07:15 Uhr – Studie attestiert Europa „entscheidende militärische Lücken“ im Kriegsfall
Im Falle eines Krieges mit Russland könnte Europa einem Bericht des Französischen Instituts für Internationale Beziehungen (Ifri) zufolge derzeit Schwierigkeiten bei der Mobilisierung von Truppen und der Produktion von Waffen haben. Zur Begründung hieß es unter anderem, derzeit verfügten 20 von 30 europäischen EU- oder Nato-Mitgliedstaaten über eine professionelle Armee mit weniger als 15.000 Soldaten. Europa habe aber das „Potenzial“, bis 2030 militärisch zu Russland aufzuschließen.
Zur derzeitigen Lage hieß es in dem Bericht mit dem Titel „Europa-Russland: Beurteilung des Kräfteverhältnisses“ weiter: „Abgesehen von einigen Frontstaaten, die Reservisten und Nationalgarden auf ihrem Territorium mobilisieren könnten, wären die anderen nicht in der Lage, mehr als ein paar Bataillone bereitzustellen.“ „Vielleicht sechs Länder“, darunter Frankreich, Großbritannien und Deutschland, müssten nach derzeitigem Stand die Bereitstellung großer militärischer Formationen schultern. Es gebe Gründe, an der „politischen, strategischen und einsatzfähigen Verfügbarkeit einer Anzahl von europäischen Truppen“ im Kriegsfall zu zweifeln.
Der Leiter des Ifri, Thomas Gomart, betonte die Notwendigkeit, „unsere Stärken und Schwächen zu identifizieren“. Europa verfüge über „entscheidende militärische Lücken“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Die europäischen Länder hätten jedoch das notwendige Potenzial, „sprich die wirtschaftlichen Ressourcen, die militärischen Fähigkeiten und das technologische Know-how“, um sich im Jahr 2030 Russland entgegenzustellen, sofern sie „politischen Willen beweisen“, sagte Gomart.
06:15 Uhr – Ukraine meldet Angriff auf Raffinerie in Russland
Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben eine Ölraffinerie in der russischen Region Nischni Nowgorod angegriffen. Ziel sei die Lukoil-Anlage in der Stadt Kstowo gewesen, teilte der Generalstab mit. Das Ausmaß der Schäden werden geprüft. Russland bestätigt die Angaben nicht. Der Gouverneur der Region erklärt jedoch, die Luftabwehr habe einen Angriff von 20 Drohnen in der Nähe von Kstowo abgewehrt. Die ukrainischen Streitkräfte melden zudem „erhebliche Schäden“ an einem petrochemischen Werk im russischen Baschkortostan.
Dienstag, 4. November: 19:17 Uhr – Ukraine meldet zwei Tote in Dnipropetrowsk
Im südostukrainischen Gebiet Dnipropetrowsk sind in der Gemeinde Pokrowske mindestens zwei Menschen bei einem russischen Bombenangriff getötet worden. Weitere vier seien verletzt worden, teilte der geschäftsführende Gouverneur der Region, Wladyslaw Hajwanenko, bei Telegram mit. Ein entstandener Brand konnte demnach gelöscht werden. Pokrowske ist nur noch etwas mehr als zehn Kilometer von der russisch-ukrainischen Frontlinie entfernt.
18:15 Uhr – Russland zieht Reservisten zum Schutz von Erdölraffinerien ein
Russland will seine Erdölraffinerien mit Reservisten gegen ukrainische Luftangriffe schützen. Ein entsprechendes Gesetz setzte Wladimir Putin in Kraft. Das Gesetz war zuvor vom Parlament verabschiedet worden. Es macht den Weg für den Einsatz von Reservisten an „unverzichtbaren Einrichtungen“ frei. Die Einberufung kann auf Antrag der Regierung erfolgen, die Reservisten sollen finanziell entschädigt werden.
Nach Angaben der Parlamentarier hinter dem Gesetz leben in Russland derzeit rund zwei Millionen Reservisten – also Menschen, die zuvor in der Armee oder anderen militärischen Einrichtungen gedient und ihrer Eingliederung in die Reserve zugestimmt haben. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs hatte Russland bereits 300.000 Reservisten einberufen.
17:33 Uhr – EU kritisiert Ukraine für Reformtempo
Die Ukraine muss ihr Reformtempo erhöhen, wenn sie die selbstgesteckten Ziele auf dem Weg zu einer Aufnahme in die Europäische Union erreichen will. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse, die die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas und Erweiterungskommissarin Marta Kos in Brüssel vorgestellt haben.
Die Ukraine habe im vergangenen Jahr trotz ihrer äußerst schwierigen Lage ein bemerkenswertes Engagement im EU-Beitrittsprozess gezeigt, heißt es in dem Bericht. Jüngste negative Entwicklungen müssten allerdings rückgängig gemacht werden – etwa der Druck auf Antikorruptionsbehörden und die Zivilgesellschaft. Fortschritte seien weiterhin notwendig, um Unabhängigkeit, Integrität, Professionalität und Effizienz in Justiz, Staatsanwaltschaft und Strafverfolgung zu stärken sowie organisierte Kriminalität intensiver zu bekämpfen.
15:28 Uhr – Selenskyj besucht Truppen nahe Prokowsk
Wolodymyr Selenskyj hat eigenen Angaben zufolge ukrainische Truppen nahe der umkämpften Stadt Pokrowsk im Osten des Landes besucht. Er habe die Kämpfer des ersten Korps der Nationalgarde „Asow“ getroffen, erklärte Selenskyj mit Blick auf eine etwa 20 Kilometer nördlich von Pokrowsk gelegene Stadt. „Das ist unser Land, das ist unser Osten und wir werden mit Sicherheit unser Bestes geben, damit es ukrainisch bleibt.“
14:54 Uhr – Insider: Regierung will Ukraine-Hilfe um drei Milliarden Euro aufstocken
Die Bundesregierung will die finanzielle Hilfe für die Ukraine um drei Milliarden Euro erhöhen. „Diesen Vorschlag wird das Verteidigungsministerium in die Bereinigungssitzung für den Haushalt 2026 einbringen“, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus Regierungskreisen. Zuvor hatte das „Handelsblatt“ darüber berichtet. Im Haushalt 2026 waren bisher 8,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr an Militärhilfe eingeplant.
Widerstand in der Regierung zeichnet sich dazu nicht ab. Bundeskanzler und CDU-Chef Merz unterstütze diesen Plan ebenso wie Finanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil, hieß es in Regierungskreisen. Das Geld sei unter anderem für Artillerie, Drohnen, gepanzerte Fahrzeuge, aber auch die Wiederbeschaffung zweier Patriot-Flugabwehrraketensysteme. „Wir werden unsere Unterstützung so lange fortsetzen, wie dies zur Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg erforderlich ist.“
Am 13. November ist die sogenannte Bereinigungssitzung der Haushälter im Bundestag angesetzt. Dabei werden traditionell in einer langen Nachtsitzung die letzten Details für den Etat von den Parlamentariern festgezurrt. Ende November soll der Haushalt dann vom Bundestag beschlossen werden.
14:25 Uhr – Selenskyj sieht Ukraine auf Kurs zu EU-Beitritt
Der jüngste Bericht der EU-Kommission zu den Reformfortschritten zeigt nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, dass sich das Land „zuversichtlich“ in Richtung EU-Mitgliedschaft bewegt. Die Ukraine sei bereit, die ersten drei Verhandlungskapitel zu eröffnen, schreibt Selenskyj auf X. „Wir erwarten die entscheidenden Maßnahmen der EU, um alle künstlichen Hindernisse für ein starkes und geeintes Europa zu überwinden.“
09:59 Uhr – Explosionen in Russland nach ukrainischen Drohnenschlägen
Die Ukraine nimmt bei neuen Drohnenangriffen weitere Anlagen der Ölindustrie in Russland ins Visier. In der Stadt Sterlitamak in Baschkirien im südlichen Ural kam es bei einem Angriff auf ein petrochemisches Werk zu einer Explosion und drei Bränden. Gouverneur Radi Chabirow sprach von zwei Drohnenattacken gegen einen Industriekomplex in der Stadt, die mehr als 1500 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Grenze entfernt ist.
Trümmerteile der abgeschossenen Flugobjekte seien auf den Komplex gestürzt. Es gebe keine Toten oder Verletzten, sagte Chabirow. Eine Wasseraufbereitungsanlage in dem Werk sei teils zerstört worden, teilte die Stadtverwaltung von Sterlitamak mit.
In der Stadt Kstowo im Gebiet Nischni Nowgorod an der Wolga kam es zu einem Brand in einer Industrieanlage im Bereich einer Ölraffinerie des Konzerns Lukoil und in einem petrochemischen Werk. Das Lukoil-Werk gehört zu den wichtigsten Benzin-Produktionsstätten in Russland. In sozialen Netzwerken berichteten Augenzeugen von Explosionen.
08:25 Uhr – Ukraine: Russischer Großangriff auf Region Odessa
Russland hat nach ukrainischen Angaben die Region Odessa in der Nacht massiv mit Drohnen angegriffen. Insbesondere zivile Energie- und Hafenstruktur sei das Ziel gewesen, teilt Gouverneur Oleh Kiper auf Telegram mit. Trotz des aktiven Einsatzes der Luftverteidigung, die die meisten Drohnen zerstört habe, habe es Treffer gegeben. Die dadurch entstandenen Brände hätten schnell gelöscht werden können. Tote oder Verletzte habe es keine gegeben.
07:07 Uhr – Russland: Ukraine hat Petrochemie-Werk im Hinterland angegriffen
Die Ukraine hat nach russischen Angaben ein Petrochemie-Werk tief im russischen Hinterland angegriffen. Eine Wasseraufbereitungsanlage in Baschkortostan sei dabei teilweise eingestürzt, teilen die örtlichen Behörden mit. Das Kraftwerk der Region laufe ohne Einschränkungen. Die russische Republik Baschkortostan liegt etwa 1500 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt im Uralgebirge. Die beiden Drohnen seien abgeschossen worden, hieß es. Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge sind in der Nacht zudem 83 ukrainische Drohnen in sieben anderen russischen Oblasten zerstört worden.
05:48 Uhr – Selenskyj kündigt Rüstungsexport-Büro in Berlin an – Massenproduktion von „Flamingo“-Raketen geplant
Die Ukraine will nach Worten Selenskyjs noch in diesem Jahr in Berlin ein Büro für den Export ihrer Rüstungsgüter sowie für eine gemeinsame Waffenproduktion eröffnen. Auch in Kopenhagen solle ein solches Büro bis Jahresende entstehen, sagt Selenskyj. Zu den Waffensystemen, die die Ukraine exportieren könne, gehörten Marinedrohnen und Artilleriesysteme. Die Ukraine plane zudem, die Massenproduktion ihrer im Inland entwickelten Raketen vom Typ Flamingo und Ruta bis Ende des Jahres aufzunehmen.
Zugleich erwartet er laut ukrainischen Medien, bis Ende des Jahres die Massenproduktion von „Flamingo“-Raketen zu starten. „Die Stückzahl werde ich Ihnen nicht nennen. Wir rechnen jedoch mit einer Serienproduktion bis Ende des Jahres“, sagte er bei einem Briefing.
dpa/AFP/AP/Reuters/gub/cvb/krott/jm/dol/saha/sebe