Ihr Ehemann nimmt das Telefongespräch entgegen. Einen Moment bitte, sagt Wolf Walther in sonorem Bariton und reicht den Hörer weiter an seine Frau: „Baby-Bär, der Anruf ist für dich.“ Die von ihrem Gatten so liebevoll Angesprochene ist Elke Sommer. Mit leiser, charmanter Stimme meldet sich die Schauspielerin aus ihrer kalifornischen Wahlheimat in Beverly Hills. „Ich freue mich, dass es mit dem Interview noch klappt“, sagt die Hausherrin. Bei ihr ist es Sonntagnachmittag, sie sitzt im Wohnzimmer ihrer weitläufigen Villa, in Reichweite steht eine Tasse Kaffee, an der sie gelegentlich nippt.
Seit den Sechzigerjahren jettet die gebürtige Berlinerin zwischen Deutschland und den USA hin und her. Vor Kurzem lag sie noch im Krankenhaus in Erlangen, der fränkischen Stadt, in der sie aufgewachsen ist. Sie musste mehrmals operiert werden. „Es sah nicht so gut aus und mir geht es jetzt medium rare“, sagt sie.
Elke Sommer gehört zu den wenigen Deutschen in der Schauspielbranche, die von sich behaupten können, es in Hollywood geschafft zu haben. Sie drehte mit Legenden wie Paul Newman, Kirk Douglas, Peter Sellers, Glenn Ford, Bob Hope und Dean Martin, wurde als Nachfolgerin von Marilyn Monroe gefeiert. Der „Playboy“ kürte sie 1998 zur „erotischsten Deutschen“ des Jahrhunderts. Ihr Leben wurde aber auch von Dramen begleitet. In letzter Zeit ist sie schlecht auf manch andere Menschen zu sprechen und lässt kein gutes Haar an der scheinbaren Glamourwelt von Hollywood. Am 5. November wird sie 85 Jahre alt.
WELT: Frau Sommer, wann haben Sie das letzte Mal Skat gespielt?
Elke Sommer: (holt tief Luft) Mein Gott, es ist eine Schande. Wir waren so lange in Deutschland, doch wegen meiner Malaise konnte ich das Haus nicht verlassen. Wenn du so armselig dran bist, kaum laufen kannst, willst du auch keine Leute sehen. Deshalb haben wir längere Zeit leider kein Skat gespielt. Das werden wir jetzt aber nachholen.
WELT: Macht es Ihnen Spaß, Männer beim Skat abzuzocken?
Sommer: Darum geht es nicht. Ich spiele wahnsinnig gerne Skat und überhaupt Spiele, weil das erstens das Gehirn trainiert, das ist das Einzige, was bei mir noch wirklich gut funktioniert. Damit bin ich gesegnet. Und zweitens, wenn mein Mann mir eine Zehn schmiert auf eine Farbe, die schon weg ist, kriege ich natürlich meinen Wahn (lacht).
WELT: Sind Sie eine schlechte Verliererin?
Sommer: Ich gewinne lieber, das ist doch klar. Aber nein, ich habe so viel Glück in meinem Leben gehabt, dass es unfair wäre, wenn ich eine schlechte Verliererin abgeben würde. Mein erstes Glück war, dass ich geboren wurde. Dann, dass ich die ersten beiden Lebensjahre überlebte, die ich in Berlin verbrachte, in Kriegsbunkern, wo überall Leichen herumlagen, ganz furchtbar. Meine Eltern flohen mit mir, indem sie mich unter einem Kokszug festschnallten, auf dem sie saßen. Ein unbeschreibliches Glück war, dass mein Vater nicht von der SS getötet wurde, nachdem er verpetzt worden war, weil er einen verbotenen Radiosender gehört hatte.
Das Glück setzte sich fort, als ich durch das Zutun meines Vaters, der immer mein Idol bleiben wird, ein Gymnasium besuchen durfte, auf dem bis dahin keine Mädchen zugelassen waren. Dann meine zufällige Entdeckung als Schauspielerin, die mir in vielerlei Hinsicht eine traumhafte Karriere ermöglichte. Dann, dass wir in diesem Winter vom Jahrhundertfeuer verschont geblieben sind. Ich könnte noch vieles aufzählen, doch ich will Sie nicht langweilen.
WELT: Das tun Sie keinesfalls.
Sommer: Dann sage ich Ihnen noch, dass es ein Wahnsinnsglück war, meinen über alles geliebten zweiten Mann kennenzulernen, meinen Papa-Bär.
WELT: Wie sind Sie denn auf diesen Kosenamen gekommen?
Sommer: Ich kannte Wolf zwei Jahre, als er mir aus New York, wo er als Hotelier tätig war, nach Deutschland, wo ich zu tun hatte, einen Umschlag schickte, in dem eine Karte steckte, auf der ein riesiger Eisbär abgebildet war. Für mich war es der große Papa-Bär, denn zwischen seinen ausgestreckten Vorderpranken behütete er sein Kleines, eben das Baby-Bär. Fortan waren wir das dann – Wolf, der damals bei 1,97 Meter über 200 Pfund wog, und ich, die viel Kleinere und Schmächtigere. Ich möchte aber auch noch erwähnen, dass in meinem beruflichen Umfeld immer alle sehr ehrwürdig und anständig zu mir waren. Ich kam nie in die Bredouille, mir kam nie einer zu nahe. Und das hier in Hollywood, wo der Sumpf so tief ist.
WELT: Das ist keine Selbstverständlichkeit, Sie galten als Sexsymbol.
Sommer: Wenn ich spürte, und ich bin sehr sensibel, dass mir jemand auf die Pelle rücken wollte, habe ich denjenigen nur mit großen Augen angeschaut. Sie sind der Schlüssel zu meiner Seele und mein scharfer, eisiger Blick sagte offenbar: fuck off, don’t even try it. Ich musste mich für nichts prostituieren. Das ist in der Branche wahrlich sehr selten.
Ich scheiß’ aufs Sexsymbol, das ist trivial, das finde ich zum Kotzen, sorry.
WELT: Genauso wie die Tatsache, dass Sie nie für Skandale sorgten – weder im Job noch privat. Haben Sie inzwischen Frieden geschlossen mit Ihrem Image als Sexsymbol, gegen das Sie sich stets gesträubt haben?
Sommer: Ja gut, ich kann nichts dafür, dass ich zwei Tittis habe und einen Po, der einigermaßen schön ist. Ich scheiß’ aufs Sexsymbol, das ist trivial, das finde ich zum Kotzen, sorry. Ist es sexy, wenn Frauen glauben, sich mit Botox aufhübschen zu müssen? Ich habe noch nie etwas an mir machen lassen, noch nie! Ich bin halt anders als andere Schauspielerinnen, ich rede anders, denke anders.
WELT: Und Sie beherrschen zudem sechs Sprachen.
Sommer: Stopp – sieben! Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Griechisch, Deutsch – und Fränkisch (lacht). Ich bin Fränkin durch und durch.
WELT: … die vor Ihrem 85. Geburtstag steht. Erschrickt Sie diese Zahl?
Sommer: Ich erschrecke vor nichts mehr. Ich bin nicht blöd im Kopf, habe einen Riesen-IQ und denke permanent. Wer das macht, ist natürlich ein bisschen anders als viele andere Menschen. Mit meinem Leben bin ich vollkommen im Reinen. Ich wünsche mir nur eines: dass mein Papa-Bär gesund wird.
WELT: Bis zur magischen 100 fehlen Ihnen nur noch 15 Jahre.
Sommer: So alt möchte ich nicht werden. Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber ich möchte ihn nicht durch ständige Schmerzen, durch dauerndes Rennen zum Arzt oder in Krankenhäusern erleben. Ich sehe den Tod irgendwie als meinen Freund an. Einschlafen in Ruhe und schnell, einen schnellen schönen Tod, das kann ich mir vorstellen. Im Moment geht’s nicht, ich habe ja meinen Papa-Bär und um ihn habe ich große Angst. Aber nicht nur um ihn.
WELT: Um wen noch?
Sommer: Da ich in Deutschland nicht aus dem Haus ging, hatte ich viel Zeit, um Nachrichten zu verfolgen und habe extreme Angst um unser Land bekommen, vor allem um die junge Generation, die ihr Leben noch vor sich hat. Ich war nie ein Hassmensch, aber mittlerweile gibt es zwei Menschen in der Politik, deren Namen ich nicht nennen möchte, die ich abgrundtief hasse. Und entsetzlich enttäuscht bin ich vom US-Präsident, der größenwahnsinnig ist. Er hält seine Versprechen nicht, lügt fortwährend, auch das macht mir Angst. Wenn er so weitermacht, werden es bald drei sein, die ich hasse.
WELT: Leben Sie noch gerne in Kalifornien?
Sommer: Ich liebe diesen Landstrich unverändert. Der Strand ist in der Nähe, wir haben ein wunderschönes Grundstück mit Pool, Tennisplatz und Blumen, so weit das Auge reicht, einen Driveway to Heaven und viele Freunde. Von hier gehen wir nie mehr weg, auch wenn ich Los Angeles nicht so mag.
WELT: Warum nicht? Sind Sie noch präsent in Hollywood?
Sommer: Nein, Hollywood widert mich an. Es ist dekadent, verlogen, alles falsch, die Nägel falsch bei den Frauen, die Wimpern falsch, die Lippen falsch, die Brüste falsch, der Popo falsch – nein, das ist ein Teil von Los Angeles, den ich meide wie die Pest. Hollywood ist für mich ein Brechmittel, bringt bei mir nur Ekelhaftes hervor. Schon der Name allein und wie es dort aussieht, erklärt das – Schmutz, Fake, Dreck, Drogen. Menschen, die sich so verstümmeln lassen – es ist grauenhaft.
WELT: Alle Achtung, das ist klare Ansage. Mit wem standen Sie denn am liebsten vor der Kamera?
Sommer: (überlegt lange) Schwer zu sagen. Ich denke mit Mario (Adorf, d. Red.). Wir stehen auch noch in sehr engem Kontakt. Er ist ein toller Mann, ein großartiger Mensch. Aber auch Paul Newman war bewundernswert. Mit ihm bin ich in der Mittagspause Gokart fahren gegangen. Seine Frau und er haben uns auch oft zum Truthahn-Essen eingeladen.
Ich weiß, dass ich eine gute Mutter gewesen wäre, konsequent, aber liebevoll
WELT: Wer von Ihren Filmpartnern küsste am besten?
Sommer: Ob ich jetzt eine Ulme oder eine Eiche küsse oder einen Mann, der nicht meiner ist, da küsse ich lieber den Stamm einer Eiche (lacht).
WELT: Können Sie sich selbst auf der Leinwand sehen?
Sommer: Nee. Wenn ich etwas falsch gemacht habe, und das passiert, denn ich bin auch nur ein Mensch, würde ich Tag und Nacht darüber nachdenken, welche Scheiße ich gebaut habe. Ich versuche immer eine Perfektionistin zu sein, jedenfalls als Ehefrau und was die Schauspielerei und meine Malerei betrifft. Manchmal schlägt’s fehl, weil ich ein bisschen wuschelig bin, aber ich versuch’s wenigstens (lacht).
WELT: Ihren letzten Film drehten Sie 2010. Vermissen Sie nicht die Kamera?
Sommer: Heutzutage nicht mehr. Ich sehe ja, was das Alter mit einem macht. Da bin ich schon ein bissel eitel geworden, was ich nie war. Ich hatte schon noch Angebote, um die anzunehmen, müsste aber die Kamera weit weg von mir stehen (lacht). Den Leuten, die mich bewundert haben, möchte ich ein schönes, ein rechtmäßiges Elkelein hinterlassen.
WELT: Sie sind nach drei Fehlgeburten kinderlos geblieben …
Sommer: Ja, das ist ein Drama, das Schlimmste in meinem Leben, nach dem Tod meines Vaters, den ich mit 15 verlor. Ich weiß, dass ich eine gute Mutter gewesen wäre, konsequent, aber liebevoll.
WELT: Hinter Ihnen liegt ein bewegtes Künstlerdasein, das weit über die Schauspielerei hinausging. Als Schlagersängerin brachten Sie drei Alben heraus, viele Ihrer über 300 Gemälde hängen weltweit in namhaften Museen und Galerien. Mehrmals ließen Sie sich für den „Playboy“ fotografieren. Sie wurden mit dem Golden Globe geehrt und zweimal zur besten Theaterschauspielerin Amerikas gewählt. Gibt es etwas, das Sie bereuen?
Sommer: Meine erste Ehe …
WELT: … in der Sie mit dem Journalisten Joe Hyams verheiratet waren …
Sommer: … bereue ich zutiefst. Das war Horror, ein Desaster. Ich war zwanzig, war ein Kind, wirklich ein Kind. Das sage ich nicht wegen der Unschuld, ich war ein Kind und bin einem Schalk untergekommen. Er hat mich unfassbar betrogen, nicht physisch, sondern finanziell, um sehr viel Geld. Ich bin halt so gutgläubig.
WELT: Welche Überschrift würden Sie Ihrem Leben geben?
Sommer: Möge jeder Mensch alles Lebende respektieren.
Zur Person:
Ihr Weg ins Rampenlicht führt über Italien, wo sie 1958 durch Zufall Filmproduzent Vittorio De Sica entdeckt. Er sah ihr Bild in einer Zeitung, nachdem die blonde Schönheit in Viareggio zur „Miss“ dieser Ortschaft gekürt worden war. Noch im selben Jahr spielt sie in „Der Freund des Jaguars“ ihre erste Rolle. Als 1962 Hollywood ruft, wird die am 5. November 1940 in Berlin als Elke Schletz geborene Tochter eines evangelischen Pfarrers, die im fränkischen Marloffstein aufwächst, zum internationalen Star. Die vielfache Preisträgerin spielt in 96 Filmen und 42 Theaterproduktionen, arbeitet als Regisseurin, tritt als Schlagersängerin auf, siegt als Rennfahrerin, macht sich einen Namen als Malerin. Ihre mit „E. Schwartz“ signierten Werke stellt sie weltweit aus. Sie ist zum zweiten Mal verheiratet, lebt mit dem acht Jahre jüngeren Hotelier Wolf Walther in Franken und Los Angeles.