Ein Eigentümer weigert sich trotz Zwangsgeld, sein leer stehendes und bald zum Lost Place verkommenes Wohnhaus in Stuttgart dem Wohnungsmarkt zuzuführen. Was kann die Stadt tun?

Peter Mielert kann gar nicht wegschauen. Ob er will oder nicht. Er hat das Haus an der Annabergstraße 2 in Bad Cannstatt täglich vor Augen. Und dass es leer steht, das ist auch nicht zu übersehen. Fenster sind eingeschlagen und das Dach hat Löcher. „Dieses Objekt jeden Tag vor Augen zu haben und die Not von Wohnungssuchenden jeden Tag zu erleben, macht mich traurig und wütend zugleich – kümmert sich wirklich niemand um die Prinzipien unseres Grundgesetzes, in dem es heißt: ‚Eigentum verpflichtet‘?, fragt Mielert, der sich im Jahr 2022 nach 42 Jahren aus dem Bezirksbeirat Bad Cannstatt verabschiedet hat.

Am 17. Januar 2024 hat er den Leerstand, den es schon längere Zeit gab, bei der Stadt angezeigt. Auch unsere Zeitung berichtete über den Leerstand des Gebäudes, die Stadt gab damals auf Nachfrage an, von dem Leerstand nichts gewusst zu haben: „Für das Gebäude wurden vor zwei Jahren zwei Baugenehmigungen für den Einbau von zwei zusätzlichen Wohneinheiten und eine Abgeschlossenheitsbescheinigung erteilt. Da bislang nicht mit dem Bau begonnen wurde, wird nun der Eigentümer wegen des Leerstands seitens der Stadt angefragt.“

Leerstand in Stuttgart – das Baurechtsamt ermittelt

Doch getan hat sich nichts. Im Juli 2024 hat Mielert erneut nachgefragt – aber keine erhellende Antwort erhalten. Heute sagt er: „Nun ist seitdem wieder mehr als ein Jahr vergangen und es tut sich nichts!“. Ihm drängt sich dabei die Frage auf, ob sich „unsere Behörden von Eigentümern an der Nase herumführen mit möglicherweise fatalen Folgen für unsere Gesellschaft, in dem die Wohnungsfrage zu einem gesellschaftlichen Sprengstoff wird“.

Auf Nachfrage unserer Zeitung schildert das Baurechtsamt aus seiner Sicht, was seit Anfang des Jahres 2024 geschehen ist: Auf Meldung des Leerstands in Annabergstraße 2 hat das Baurechtsamt den Sachverhalt ermittelt – man hat sich davon überzeugt, dass das Haus tatsächlich leer steht. Im Februar 2024 wurde ein offizielles Verfahren eingeleitet und mit dem Eigentümer Kontakt aufgenommen.

Zwangsgeld festgesetzt – und ein weiteres angedroht

Da die angeforderten Nachweise einer ausgeübten Wohnnutzung oder zügig durchgeführter Sanierungsmaßnahmen nicht erbracht wurden, erging im Juli 2024 eine Anordnung durch das Baurechtsamt, das Haus dem Wohnungsmarkt zuzuführen. Diese Anordnung ist inzwischen bestandskräftig, der Eigentümer ist ihr aber jedoch nicht nachgekommen. Im März 2025 wurde daher zur Vollstreckung ein erstes Zwangsgeld festgesetzt und ein weiteres angedroht. Die Beitreibung dieses Zwangsgelds ist inzwischen beim Gericht anhängig.

„Kurzum“, so schreibt die Stadt, habe das Baurechtsamt alles unternommen, um das Verfahren voranzutreiben. „Es liegt in der Verantwortung von Gebäudeeigentümern, ihre Häuser in einem bewohnbaren Zustand zu halten. Dass unter den dargestellten Umständen keine rasche Lösung möglich ist, ist sehr zu bedauern – liegt aber leider auf der Hand.“

Mielert treibt nach dieser Rückmeldung der Stadt die Frage um, welches Interesse ein Eigentümer haben könnte, sein Haus verkommen zu lassen. „Da fällt mir nur ein, dass er vielleicht doch nicht umbauen möchte, sondern dass er es darauf anlegt, durch den Verfall leichter eine Abbruchgenehmigung zu bekommen.“ Mielert wirft der Stadt vor, nicht anders bei dem Gebäude an der Daimlerstraße 100 vorgegangen zu sein. „Dies ist das übliche und üble Vorgehen von Interessen an einem Abriss. Bei der Daimlerstraße hat es die Stadt es durch Vernachlässigung und Unterlassung von Schutz- und Sicherungsmaßnahmen geschafft, dass das Gebäude durch Witterungseinflüsse soweit geschädigt wurde, dass ein Erhalt nicht mehr zugemutet werden konnte und der Abriss genehmigt werden musste.“

Auch ansonsten will Mielert sich mit der Antwort nicht zufriedengeben. „Wenn der Eigentümer sich allem verweigert, müsste die Stadt sofort eine Ersatzvornahme einleiten“, ist seine Meinung. Eine Ersatzvornahme ist eine rechtliche Maßnahme, bei der eine vertretbare Handlung, zu der eine Person verpflichtet ist, durch einen Dritten auf deren Kosten ausgeführt wird.

Mieterverein fordert Mut zur Beschlagnahme von Gebäuden

Im Baurecht kommt sie häufig zur Anwendung, um Mängel an Bauwerken zu beseitigen. Damit eine Ersatzvornahme durchgeführt werden kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt werden: Der Auftraggeber muss den Auftragnehmer zunächst formell zur Mängelbeseitigung auffordern. Diese Aufforderung muss schriftlich erfolgen. Zudem muss eine angemessene Frist gesetzt werden.

Das Grundstück an der Annabergstraße 2 in Stuttgart ist vermüllt. Foto: LICHTGUT

Rolf Gaßmann, der Vorsitzende des Mietervereins Stuttgart, sagt, dass „nach dem Polizeigesetz von Baden-Württemberg eine Beschlagnahme des Gebäudes und die Zwangseinweisung von Geflüchteten oder Obdachlosen in das rechtswidrig leer stehende Haus möglich“ wäre. Das hatte der Mieterverein im zu Folge in einem anderen Fall vor Jahren schon gefordert. „Die Stadt traut sich das nicht, obwohl die Abschreckungswirkung hoch wäre.“ Allerdings macht das freilich nur Sinn, wenn der Zustand des Hauses ein Wohnen möglich macht.