So ein Sieg wie am Wochenende tut natürlich gut. 7:0 gegen den FC Bayern II, die ersten drei Punkte in dieser Saison im Stadion Lichterfelde geholt, danach in der Tabelle vorbeigezogen an den Münchnerinnen. Das verkürzt den Abstand zum anvisierten Ziel in der Zweiten Bundesliga für den FC Viktoria 1889 Berlin. Auch wenn es noch ein ganz schönes Stück ist von Platz zehn an die Spitze. Aber genau da wollen sie hin, möglichst bald, und dann nach ganz oben, in die erste Liga. So weit, so normal. Aber der Weg, den sie dafür eingeschlagen haben, ist vor ihnen im deutschen Fußball noch niemand gegangen.
Gekoppelt an den Traditionsverein aus Steglitz-Zehlendorf, aber unabhängig im Handeln. Ausgegliedert in eine GmbH. Gegründet von sechs Frauen. Geführt wie ein Start-up, finanziell eigenständig durch den Einstieg von Investoren seit den Anfängen. All das mit dem Bestreben, einen Wandel im Fußball voranzutreiben. Mit Schlagwörtern wie Diversität, Nachhaltigkeit, Chancengleichheit und Gleichberechtigung. Um zu zeigen, dass es auch auf eine Weise geht, die im deutschen Fußball traditionell eher kritisch beäugt wird. „Wir sind eine Art Action Tank“, sagt Felicia Mutterer, eine der Gründerinnen. „Wir wollen andere motivieren, mit eigenen Ansätzen mitzuziehen. Also letztlich sind wir eine Bewegung.“
Stadion in Unterhaching
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SZ PlusVon Christoph Leischwitz und Bernhard Lohr
Eine Bewegung am südlichen Stadtrand von Berlin, an die sie sogar in den USA glauben. Am Mittwoch gab der Verein bekannt, ab sofort „Monarch Collective“ als strategischen Partner gewonnen zu haben. Ein globaler, auf Frauensport spezialisierter Investor, das gab es noch nie in den beiden Frauen-Bundesligen. „Bei unserer Gründung hätten wir nie gedacht, dass wir relevant genug werden könnten für so einen Fonds, der sich die krassesten Klubs aussuchen kann“, sagt Verena Pausder, ebenfalls Viktoria-Initiatorin. Den entscheidenden Kontakt stellte Katharina Kurz, Mitgründerin einer Berliner Craftbeer-Brauerei, über einen ehemaligen Professor her. Sukzessive sollen bis zu 38 Prozent des Viktoria Berlin Frauenteams übernommen werden, kolportiert wird eine niedrige Millionensumme über die nächsten zwei, drei Jahre. Geld, das dabei helfen soll, die Bedingungen zu professionalisieren, mit größerer Sicherheit zu planen – und sich den Aufstieg in die erste Liga überhaupt leisten zu können.
Der Investor aus den USA finanziert ausschließlich den Frauensport
Monarch Collective ist in der Welt des Sports längst bekannt. Der Fonds aus den USA verwaltet ein Volumen von 250 Millionen US-Dollar und investiert ausschließlich in den Frauenbereich, auch um zu zeigen, dass das profitabel sein kann. Gegründet 2023 von Kara Nortman und Jasmine Robinson, ist der Fonds etwa an den Fußballteams der US-Liga NWSL Angel City FC aus Los Angeles, San Diego Wave FC und Boston Legacy FC beteiligt – und nun also auch in Europa. „Das ist für uns ein großer Ritterschlag, dass jemand wie Kara Nortman sagt: Auf ein Team wie euch haben wir gewartet“, sagt Pausder. Der Risikokapitalgeberin mussten sie erst einmal erklären, worin hierzulande eine Besonderheit liegt: 50+1 gibt es in keiner anderen europäischen Liga, in den USA erst recht nicht. Aber an die Regel, die einem Verein die Mehrheit der Stimmanteile garantiert, müssen sie sich auch bei Viktoria halten. „Wir erfüllen alle Auflagen und haben alle Strukturen, die Fußball-Deutschland liebt“, sagt Pausder. „Wir interpretieren sie einfach viel moderner.“
Die Geschichte dieses Projekts begann passenderweise schon mit Nortman. Denn erst über die Gründung von Angel City FC kam Mutterer überhaupt auf die Idee, so etwas in Deutschland zu starten. „I love it! Wollen wir das nicht auch in Deutschland machen?“, fragte die Journalistin Mutterer in einem Post auf der Plattform X im Juli 2020. Dazu teilte sie einen Artikel darüber, dass Nortman mit der Unternehmerin Julie Uhrmann und Hollywood-Schauspielerin Natalie Portman sowie weiteren prominenten Investorinnen wie Serena Williams, Lindsey Vonn und Christina Aguilera plante, ein Fußballteam in Los Angeles zu gründen. Ein von Frauen aufgebauter, geführter und finanzierter Fußballverein für Frauen: Davon war Mutterer so begeistert, dass sie sich auf die Suche nach Mitstreiterinnen machte für ein deutsches Fußball-Start-up nach dem Vorbild von Angel City FC.
„Das Thema ist riesig in seiner politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und wirtschaftlichen Dimension“, sagt Felicia Mutterer. (Foto: Gawlik/Beautiful Sports/Imago)
Nach zahlreichen Gesprächen bildeten das Team neben Mutterer, Kurz und der Unternehmerin Pausder noch die zweimalige Fußball-Weltmeisterin Ariane Hingst, Marketingexpertin Lisa Währer und Managerin Tanja Wielgoß. Jede mit einem anderen Hintergrund, eigener Expertise und unterschiedlichen Netzwerken. „Es war klar, dass wir uns ergänzen müssen und dass wir dann viele Leute an unserer Seite haben wollen“, sagt Mutterer. „Das Thema ist riesig in seiner politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und wirtschaftlichen Dimension.“ Für Mutterer stand fest, dass sie für ihre Idee einen Verein in Berlin wählen würden, weil damals kein Klub direkt aus der Hauptstadt in den Bundesligen spielte, während im benachbarten Potsdam mit dem 1. FFC Turbine ein zweimaliger Champions-League-Sieger beheimatet ist. Viktoria Berlin passte vom Profil; und Viktoria Berlin fand die Idee gut.
Die Aufmerksamkeit war groß, auch weil die sechs Frauen genau wussten, wie sie die Sache angehen müssen. Viktoria Berlin betrat die Bühne selbstbewusst und laut, obwohl sie bei null begannen. Mit einem professionellen Auftritt, Marketing gekonnt eingesetzt auch auf Social Media, von Anfang an gedacht als Marke. Während früher ein paar Dutzend Zuschauer nach Lichterfelde kamen, waren es nun ein paar Hundert, die auch ein „Gamechanger“ sein wollten, wie auf Klamotten gedruckt stand. Merchandise gab es gleich, klar. Eine eigene Hymne, ein eigenes Maskottchen, eine als „kind Hooligan movement“ organisierte Fanszene namens „Blue Oysters“ – das kam bald alles dazu im Viktoria-Universum.
Teil der Vision sind auch Gehälter, die den Spielerinnen ermöglichen, sich voll auf den Sport zu konzentrieren
In der Saison 2022/2023 ging es los, Regionalliga Nord-Ost. Angekündigt als „Revolution im Fußball“ mit dem Ziel, binnen fünf Jahren in der ersten Liga angekommen zu sein. Damals beteiligten sich 87 Menschen mit der festgelegten Investitionssumme von 10 000 bis 50 000 Euro, was insgesamt eine Million Euro einbrachte. Das Geld, erzählt Pausder, floss vorwiegend in den Sport, in die Ausrüstung, in eine Aufwandsentschädigung von anfangs wohl um die 550 Euro, inzwischen sind die Gehälter gewachsen. Die Spielerinnen erhielten Verträge und waren damit in der Berufsgenossenschaft versichert. Solche Bedingungen sind den Viktoria-Gründerinnen wichtig.
Das Team gewann die Meisterschaft und den Landespokal, ergatterte einen Ausrüstungsvertrag mit Nike (wovon auch die Männer profitierten). Und hätten sie nicht in der Relegation verloren, es wäre ein perfektes erstes Jahr geworden. Dass 3600 Zuschauer zur Partie gegen den Hamburger SV nach Lichterfelde kamen, war ein weiterer Hinweis für das Potenzial. Ein Jahr später verpasste Viktoria den Aufstieg erneut, gegen Union Berlin, inzwischen Erstligist. Das erhöhte den Druck. Ohne sportlichen Erfolg funktioniert die Geschichte nun mal nicht und ist als Geschäftsmodell, darauf kommt es den Investoren am Ende ja durchaus an, auch wenig(er) rentabel. Dann aber, im Mai dieses Jahres: endlich zweite Liga.
Flagge zeigen: Viktoria-Fans bei einem Auswärtsspiel der Berlinerinnen in Leipzig. (Foto: Martin Stein/Imago)
Das Investoren-Netzwerk beläuft sich inzwischen auf 248 Unterstützer aus verschiedenen Bereichen, darunter Franziska van Almsick, Carolin Kebekus, Jean-Remy von Matt, Jutta Almendinger und Dunja Hayali. Aber es war klar, dass dieses Modell bald an seine Grenzen stoßen würde. Mit dem neuen Partner aus den USA können allein schon die Gehälter der Spielerinnen weiter in eine Richtung gehen, die es allen irgendwann ermöglicht, sich voll auf den Fußball zu konzentrieren. Das ist zumindest die Vision. Aber dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um die Expertise und die Erfahrungen des Monarch-Teams, wie ein Fußball-Start-up erfolgreich gemacht und geführt werden kann. „Das ist unser absolutes Herzensprojekt“, sagt Pausder. „Wir sind keine sechs Investorinnen, die nur hoffen, dass ihr Geld eine gute Rendite abwirft. Wir sind Überzeugungstäterinnen, die mit diesem Verein Geschichte schreiben wollen.“
Vielleicht wird dann auch die bereits geäußerte Kritik lauter, Investoren im deutschen Fußball, das ist ein schwieriges Thema. Aber bei Viktoria Berlin sehen sie sich als Vorreiterinnen, einen anderen Weg zu gehen und nicht abhängig vom Geld der Männerabteilung zu sein. Dass das Probleme bringen kann, zeigte sich zuletzt selbst beim erfolgreichen FC Barcelona, dessen Frauen-Kader schrumpfen musste – wegen der Schulden der Männer. Und Frauen-Klubs wie Turbine Potsdam, die sich klassisch über Sponsoren finanzieren, tun sich im wachsenden Fußballmarkt ohne finanzkräftigen Lizenzklub zunehmend schwer.
Wenn sie ihr bei der Gründung selbstgesetztes Ziel erreichen wollen, haben sie bei Viktoria Berlin noch diese und nächste Saison Zeit dafür, der Bundesliga eine neue Farbe beizumischen. Und zu zeigen, ob es auch anders geht im deutschen Fußball.
