Prozess um Handelsplattform
Ebay für Verbotenes: „Rudolf Hetz“ und sein „Crimenetwork“
05.11.2025 – 17:52 UhrLesedauer: 5 Min.
Jannis H. alias Rudolf Hetz: Einst hatte der IT-Experte entscheidend die Finger im Spiel beim „Crimenetwork“, jetzt kommt er in Handschellen und Begleitung seines Anwalts ins Gericht. (Quelle: Lars Wienand, Montage t-online)
Viele Kunden, hoher Umsatz, satte Rendite – bis zur Festnahme: Jetzt steht ein Hesse vor Gericht, auf dessen Plattform fast alles gehandelt wurde, was verboten ist.
Blaues Hemd, Jeans, Aktendeckel vor dem Gesicht – und unpünktlich. „Rudolf Hetz“ alias „Elo Mojito“ alias „Dark Shadow“ wird verspätet aus der benachbarten JVA in den Gerichtssaal gebracht. Für die Spezialisten der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt gilt die Verhandlung im hessischen Städtchen Gießen als der „Prozess des Jahres“, wie deren Leiter Benjamin Kraus betont.
Denn angeklagt ist mit Jannis H., so der bürgerliche Name hinter allen Pseudonymen, die Schlüsselfigur eines für den deutschsprachigen Raum zentralen Internet-Marktplatzes für Illegales. Mehr als 100.000 Nutzer waren auf der Plattform „Crimenetwork“ registriert. Über Jahre kamen dort im deutschsprachigen Internet Abnehmer und Anbieter von Drogen und illegalen Dienstleistungen zusammen. Das Bundeskriminalamt war gemeinsam mit der Frankfurter Zentralstelle auf die Spur gestoßen, jener Behörde, die zuständig ist, wenn bei Straftaten im Internet völlig unklar bleibt, wo die Täter sitzen.
In diesem Fall stellte sich sogar heraus, dass den hessischen Ermittlern ein Hesse ins Netz gegangen war. Der 30-jährige H., zuletzt gemeldet in einer kleinen Gemeinde im Wetteraukreis, war bei der „Gangster-AG“ so etwas wie der CIO, der Chief Information Officer, also die Führungskraft, die für Strategie und Umsetzung der IT-Infrastruktur verantwortlich ist.
Diese Rolle war bereits beim Prozessauftakt am Dienstag zwischen Verteidigung und Anklage unstrittig, denn die Beweise sind zu erdrückend. Es wird in den kommenden Verhandlungstagen nicht um die Frage von Schuld oder Unschuld gehen, sondern darum, wie viele Jahre er dafür ins Gefängnis muss, dass er Käufer und Verkäufer zusammengebracht und die Bezahlungen abgewickelt hat.
Staatsanwalt Jan Löber las aus Tabellen in der Anklageschrift vor, welche Mengen von 2018 bis zum Zugriff der Ermittler den Besitzer wechselten: fast 600 Kilo Cannabis und Cannabisprodukte, fast 300 Kilo Kokain, fast 3 Kilo Heroin, fast 800 Kilo Crystal Meth, mehr als 80.000 Ecstasy-Pillen sowie Fentanyl-Pflaster.
Es ist sind also wirklich Betäubungsmittel von „nicht geringer Menge“, mit denen bandenmäßig gehandelt wurde, was Jannis H. vorgeworfen wird. Bezahlt wurde in Kryptowährungen, zwischen 2018 und 2024 sollen Drogen für 12 Millionen Euro umgeschlagen worden sein. Ermittelt ist das zum jeweiligen damaligen Kurs der Währungen, die inzwischen zum Teil deutlich im Wert gestiegen sind. Wegen der Drogen und des damit verbundenen hohen Strafrahmens spielt es für den Prozess keine Rolle, was ansonsten noch alles gehandelt und was dafür gezahlt wurde. Die ZIT spricht davon, dass in den sechs Jahren Umsätze von mindestens 1.000 Bitcoin und mehr als 20.000 Monero erzielt wurden – umgerechnet knapp 100 Millionen Euro.
