Die Landesregierung treibt die Planungen für die Castortransporte vom Zwischenlager in Jülich ins münsterländische Ahaus voran. Ende September hat nach Informationen unserer Redaktion dazu ein Koordinierungstreffen im Polizeipräsidium Münster stattgefunden. Diese finden in der Regel acht Wochen vor einem geplanten Großereignis statt.

Doch dass nun schon im laufenden Monat Tatsachen geschaffen werden könnten, ist unwahrscheinlich. Denn der Widerstand in der ohnehin schon skeptischen Polizei wächst. So sagte der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Patrick Schlüter, unserer Redaktion: „Natürlich laufen die Planungen im Polizeipräsidium Münster seit geraumer Zeit. In dieses Bild passt auch das Treffen. Bevor die Transporte aber wirklich rollen können, erwarten wir ein umfängliches und mitbestimmtes Arbeitsschutz- und Strahlenkonzept.“ Bei den letzten großen Transporten hätten die Beamten nur kurz in unmittelbarer Nähe der Castoren eingesetzt werden dürfen und mussten dann abgelöst werden. „Den Beamtinnen war es vollständig untersagt, die Castoren zu begleiten. Gilt das auch diesmal? Ehe all unsere Fragen dazu nicht beantwortet sind, wäre eine Hauruck-Aktion völlig untragbar“, so der Gewerkschaftsvorsitzende.

Schlüter warnte, man habe es hier mit einer ganz schwierigen Einschätzung der Lage zu tun. „Es ist derzeit überhaupt nicht absehbar, wie stark die Transporte die linke, teils gewaltbereite Protestbewegung mobilisieren werden. Die Polizei muss aber auf alles vorbereitet sein.“ Das schlimmste Szenario wäre es aus Sicht des GdP-Chefs, wenn es den Demonstranten gelingen würde, den Transport stunden- oder tagelang zu blockieren. „Deshalb erwarte ich, dass mindestens zu Beginn der Transporte in ganz erheblichem Umfang Polizeikräfte zusammengezogen werden.“

Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in NRW sagte, er sei fest davon überzeugt, dass die Transporte ganz plötzlich ohne Ankündigungen starten. „Das wird vorher nicht groß an ein Brett geschlagen, weil man schließlich für einen störungsfreien Verlauf so wenig Protest wie möglich an der der Zugstrecke haben möchte.“ Er appellierte an die Protestbewegung, nichts zu unternehmen, das den Transport in irgendeiner Form gefährde. „Jede Verzögerung kostet noch mehr Geld. Die Kosten sind ohnehin schon enorm – allein schon für den Polizeieinsatz.“

GdP-Chef Schlüter wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Verkehrsinfrastruktur und insbesondere der Zustand der Brücken zwischen Jülich und Ahaus extrem beansprucht sei. „Es gibt nur sehr wenige Routen, die infrage kommen, wenn man nicht exorbitant riesige Umwege in Kauf nehmen will, die der Bevölkerung im Übrigen auch kaum zu vermitteln wären. Das wissen die Transportgegner natürlich auch und können sich entsprechend vorbereiten.“ Schlüter vermutete, dass man in diesem November keinen Transport mehr erleben werde. „Zu verantworten wäre ein solcher nach jetzigem Stand nicht.“

Das deckt sich mit Erkenntnissen aus dem Gerichtsverfahren, das die Umweltorganisation BUND gerade vorantreibt. Dabei hatte das beigeladene Transportunternehmen Orano NCS mitgeteilt, dass vor Dezember nicht mit dem Transport zu rechnen sei. Zum Stand der juristischen Auseinandersetzung sagte der Geschäftsleiter des BUND NRW, Dirk Jansen, unserer Redaktion: „Wir haben im Zuge unseres Klageverfahrens gegen die Transporte Akteneinsicht beantragt und inzwischen auch 22.000 Seiten an Material zur Verfügung gestellt bekommen. Das wird nun erst einmal gesichtet, ein extrem aufwendiger Prozess.“ Einen Termin seitens des Gerichts, wann das Verfahren vorangetrieben werde, gebe es noch nicht. „Allein die Vielzahl der beabsichtigten Transporte spricht für eine gründliche gerichtliche Prüfung und gegen ein Hauruck-Verfahren.“

Jansen zufolge gibt es allerdings auch keinerlei Zusicherung seitens der Politik, dass die Gerichtsentscheidung abgewartet wird, ehe man mit den Castortransporten nach Ahaus beginne. „Dabei macht es überhaupt keinen Sinn, jetzt schon Fakten zu schaffen. Es gibt unseres Erachtens auch keinen Automatismus, dass man nach der Sicherheitsbesprechung im Polizeipräsidium jetzt auf Teufel komm raus loslegen muss. Die Veröffentlichung eines Tages X würde aber den Gegnern entgegen kommen. Am Ende ist es eine politische Entscheidung, wann der Castor rollt. Wir fordern ein transparentes und rechtssicheres Verfahren.“

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) unterstrich: „Ob Castor-Transporte stattfinden, entscheidet nicht die Polizei, sie kann sich ihre Aufgaben nicht aussuchen. Aktuell müssen Gerichte entscheiden, wie es weitergeht. Aber egal, wann der Transport stattfindet, die Polizei wird ihren Job machen und diesen Einsatz professionell begleiten. Ihre Aufgabe ist es aber, dafür zu sorgen, dass der Transport sicher vonstattengeht. Nicht mehr und nicht weniger.“

Dietmar Brockes, energiepolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, verteidigte den Transport der Castoren nach Ahaus als ökonomisch und sicherheitstechnisch richtig, übte aber dennoch Kritik am Land: „Die Heimlichtuerei der Landesregierung geht nun aber sogar nach der offiziellen Genehmigung der Transporte weiter. Statt die Bürgerinnen und Bürger transparent und ehrlich zu informieren und die Transporte mit allen Beteiligten sorgfältig zu planen, versteckt Schwarz-Grün sich im Hinterzimmer.“ Dass der Polizei trotz der offenbar kurz bevorstehenden Transporte noch immer keine Konzepte für Arbeits- und Strahlenschutz vorliegen, spricht aus Brockes Sicht Bände. „Mit diesem grob fahrlässigen Vorgehen gefährdet die Landesregierung die Sicherheit der Transporte, statt die Einsatzkräfte bestmöglich zu unterstützen. Schluss mit dem schwarz-grünen Versteckspiel auf Kosten der öffentlichen Sicherheit.“