Gerüchte kursierten schon länger. Bernhard Kibler (52) spürte zuletzt „Verunsicherung“ innerhalb seiner Mannschaft. Diese hat nun Klarheit.
Am Montag war die Halle bei Dethleffs, einem der größten und wichtigsten Arbeitgeber in Isny, voll. Mehr als 1000 Mitarbeiter verfolgten die Belegschaftsversammlung. Die Geschäftsführung des Caravan- und Reisemobil-Bauers sowie der Betriebsrat informierten über einen großen Einschnitt.

Blick auf das Werk von Dethleffs in Isny. (Foto: Liane Menz )
„Von 90 Mitarbeitern müssen wir uns leider trennen“, sagt im Gespräch mit der Redaktion Bernhard Kibler, der Vorsitzende der Geschäftsführung. Grund: eine „Anpassung der Kapazitäten“. Bedeutet: Zu wenig Arbeit, eine zu geringe Auslastung. Erst am Sonntag endete eine zweiwöchige Runde Kurzarbeit.
Während der Corona-Jahre entdeckten viele Menschen ihre Liebe zu Wohnwagen oder Wohnmobil. Die Caravan-Branche erlebte einen Boom mit einem extremen Aufbau von Produktionskapazitäten. Doch der „Hype“ ist abgeklungen. Viele Reisemobilhersteller klagen seither über einen zu hohen Personalbestand. So auch Dethleffs.
Keine betriebsbedingten Kündigungen
Wie viele Menschen aktuell in Isny arbeiten, verrät die Firma seit der Übernahme durch die EHG (Erwin-Hymer-Gruppe) nicht mehr. Es dürften jedoch deutlich über 1000 sein.
Oberstes Ziel sei es, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, sagt Kibler. Und dies würde gelingen, worüber sich auch Marcel Weißgerber, der Betriebsratsvorsitzende, freut. Dieser deutet an, dass der ursprüngliche Plan der Geschäftsführung vorsah, eine deutlich höhere Zahl an Stellen abzubauen.
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Seit Juli befanden sich Geschäftsführung und Betriebsrat in Verhandlungen. Nun soll es schnell gehen. Man werde in den kommenden Tagen auf Mitarbeiter zugehen, viele dürften sich, vermutet Kibler, von sich aus melden – und zu den angebotenen Konditionen von selbst ausscheiden.
Dethleffs setzt bei seinem Arbeitsplatzabbau auf Freiwilligkeit und Sozialverträglichkeit, betonen Kibler und Weißgerber. Bis Dezember soll feststehen, wer den Caravan-Bauer fix verlassen werde.
Firma lockt mit Abfindungen
Gefunden werden sollen die 90 „Freiwilligen“ in allen Bereichen, seien es Arbeiter am Band oder in der Verwaltung. Locken will sie Dethleffs mit Abfindungen, die sich nach der Betriebszugehörigkeit richten.
Zu genauen Zahlungen äußert sich Dethleffs nicht. Für Mitarbeiter ab 60 Jahren werde ein Alters-Programm aufgesetzt. Alle ausscheidenden Mitarbeiter sollen von einer Transfergesellschaft aufgefangen werden. Diese berate und helfe bei der neuen Jobsuche. Vielleicht, so Kibler, wollte sich der eine oder andere schon länger „verändern“, sich selbstständig oder eine Weltreise machen.

Eine der modernsten Produktionsstätten der Branche: die Werkshalle von Dethleffs in Isny. (Foto: Dethleffs)
Kibler betont, das Modell sei „attraktiv“. Sogar der bei der Belegschaftsversammlung anwesende Vertreter der IG Metall habe es gelobt. Wahrscheinlich auch deshalb: Im Gegenzug soll in Isny investiert werden. „Wir wollen den Standort zukunftssicher machen“, erklärt Kibler. Dafür nehme man einen „hohen einstelligen Millionenbetrag“ in die Hand. Ziel seien neue Entwicklungen, Produkte, Innovation – made in Isny.
Ersatzteillager kommt zurück
Fließen soll das Geld unter anderem in neue Maschinen, außerdem – entscheidend – hole man das ausgelagerte Ersatzteillager zurück ins Haus. Ein Anliegen auch von Marcel Weißgerber: „Hier sprechen wir von einer erheblichen Zahl an Menschen.“ Ebenso geplant: Teile der bislang ebenfalls ausgelagerten Holzteile-Fertigung sollen zurückverlagert werden. Dethleffs will wieder mehr Möbelkomponenten selbst produzieren.
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Ob er zufrieden ist mit der Lösung? Arbeitnehmer-Vertreter Weißgerber sagt: „Definitiv.“ Das Unternehmen stelle sich „zukunftsorientiert“ auf. Er zieht ein positives Fazit der Verhandlungen. „Wir hätten uns auch verklopfen können, aber das bringt nichts.“
Auch Isnys Bürgermeister Rainer Magenreuter wurde von Bernhard Kibler über die Stellenstreichung informiert. Magenreuter: „Der Stellenabbau ist zwar schmerzhaft. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Maßnahmen den Standort langfristig stärken werden.“
„Blutbad“ in den 90er-Jahren
Pressesprecher Helge Vester ordnet den Arbeitsplatzabbau ein. Schwankungen habe es immer wieder gegeben. Doch kein Vergleich zu Zeiten Anfang der 1990er-Jahre. Damals seien fast die Hälfte aller Arbeitsplätze abgebaut worden – „ein Blutbad“. Wenngleich auch hinter jedem der 90 Arbeitsplätze ein „Einzelschicksal“ stecke.

Blick in das Innere eines Dethleffs-Caravan. (Foto: Franz Knittel)
Auf der Produktseite blickt die Geschäftsführung positiv in die Zukunft. Kibler hält an dem Plan fest, bis „spätestens“ 2028 ein E-Reisemobil auf die Straße zu bringen.
Eng arbeite man hierfür mit den Chassis-Lieferanten zusammen, die für die E-Technik zuständig seien. Die „Challenge“ für Dethleffs: aerodynamische Mobile zu fertigen – um Strom zu sparen. Ziel sei es, dass auch über die Batterie des E-Gefährts gekocht und geheizt werden kann. Gasfreiheit laute das Stichwort.
Auftragseingang sei in Ordnung
Das neue Geschäftsjahr (Beginn am 1. August) sei „gut angelaufen“, sagt Bernhard Kibler. Es bestehe „ein hohes Interesse“ an Dethleffs-Produkten, dies belegten Auftritte bei Messen wie dem Caravan-Salon in Düsseldorf. Der Auftragseingang sei in Ordnung, wenngleich auf immer noch niedrigem Niveau im Vergleich zu den Corona-Jahren.

War auf der CMT zu sehen: Der Globebus Performance 4×4, das erste Dethleffs-Reisemobil mit Allrad-Antrieb. (Foto: Dethleffs)
Immer wieder hatte Dethleffs in den vergangenen zwei Jahren auf Kurzarbeit gesetzt. Doch allein damit sei das Grundproblem, zu viele Mitarbeiter, nicht zu lösen. Kurzarbeit dürfe nur „Spitzen“ abfedern, so Kibler. Um die jüngste „Kapazitätsanpassung“, sprich den Arbeitsplatzabbau, komme man deshalb nicht herum.
Neueinstellungen sind bei Dethleffs nur in sehr spezialisierten Bereichen geplant. „Wir bleiben auf der Bremse“, sagt Kibler. Pressesprecher Vester zeigt sich aber optimistisch. Weiteren Arbeitsplatzabbau dürfte es in absehbarer Zeit nicht geben. „Wir sind recht sicher, dass dies das Ende der Fahnenstange ist.“ Die Dethleffs-Mitarbeiter dürften ihn beim Wort nehmen.



