Die Autobahnen 4 zwischen der Landesgrenze Hessen/Thüringen und Gotha, 5 zwischen Malsch und Offenburg, 7 zwischen Göttingen und Bockenem und 9 zwischen der Gemeinde Lederhose und der Landesgrenze Thüringen/Bayern sowie die Bundesstraße 247 zwischen Mühlhausen und Bad Langensalza haben eines gemeinsam: Anders als traditionell üblich kümmern sich hier private Unternehmen um den Betrieb und Erhalt.

Zuvor haben sie diese Straßenabschnitte mit einer Gesamtlänge von 234 Kilometern ausgebaut und modernisiert. Im Gegenzug erhalten die Unternehmen vom Staat eine Vergütung – entweder in Abhängigkeit vom Verkehrsaufkommen und damit von der generierten Lastwagenmaut oder schlicht dafür, dass sie die Strecke im vereinbarten Umfang und in vereinbarter Qualität instand halten. Die Vertragsdauer beträgt 30 Jahre.

Bei all diesen fünf Straßenbauprojekten in öffentlich-privater Partnerschaft, kurz ÖPP, ist Vinci federführender Konzessionär. Den französischen Bau- und Infrastrukturkonzern macht das zu Deutschlands größtem privaten Autobahnbetreiber. Mit den 234 Kilometern verwaltet er allerdings nur einen Bruchteil des deutschen Straßennetzes.

Weltgrößter Baukonzern

Es gibt noch weitere ÖPP-Projekte wie die Autobahn 8 zwischen Ulm und Augsburg, bewirtschaftet vom österreichischen Baukonzern Strabag, oder die planmäßig bis Ende dieses Jahres ausgebaute Autobahn 3 zwischen Würzburg und Nürnberg, um die sich Vincis französischer Rivale Eiffage und die Johann Bunte Bauunternehmung aus Papenburg kümmern. Doch alles in allem bleiben Konzessionsverträge im insgesamt rund 50.000 Kilometer zählenden deutschen Fernstraßennetz eine Randerscheinung.

Nicolas Notebaert sieht jedoch Anzeichen dafür, dass sich das bald ändern könnte. Der Franzose, der im Vorstand von Vinci sitzt und das Konzessionsgeschäft verantwortet, verspricht sich von der schwarz-roten Bundesregierung eine Neubewertung von ÖPP. Die Signale aus Berlin seien unmissverständlich. „Unsere Teams in Deutschland spüren, dass es nach einer kleinen Pause wieder losgeht“, sagt Notebaert im Gespräch mit der F.A.Z. Darauf bereite man sich bei Vinci vor.

In den vergangenen Jahren war die in den späten 2000ern losgetretene ÖPP-Welle abgeebbt und haben die Franzosen ihr Augenmerk auf andere Aktivitäten gerichtet. In Deutschland gehörten dazu etwa Ladesäulen für Elektroautos, in anderen Ländern Straßen und Flughäfen. Vinci ist mit einem Jahresumsatz von zuletzt rund 71,6 Milliarden Euro nicht nur der weltgrößte Baukonzern, sieht man von chinesischen Unternehmen wie CSCEC oder CRCC ab. Auch als Konzessionär von Straßen und Flughäfen sind die Franzosen die globale Nummer eins.

„Das ist ein echter Vorteil gegenüber dem Staat“

Notebaerts Zuversicht kommt nicht von ungefähr. So bestätigt man in Berliner Regierungskreisen, dass ÖPP aktuell eine Neubewertung erfährt. Schon der Koalitionsvertrag wies in diese Richtung. „Mittelfristig wollen wir die verstärkte Nutzung privaten Kapitals ermöglichen“, hieß es schließlich Anfang Oktober bei der Einigung der Koalitionsspitzen auf dem Feld der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung. Hierzu gehöre auch die Nutzung von ÖPP. Der Vinci-Manager verweist auf die Kombination aus massivem Investitionsbedarf und Haushaltszwängen. Dies mache es sinnvoll, private Unternehmen als Konzessionäre an der Infrastrukturfinanzierung zu beteiligen.

„Der größte Vorteil von ÖPP liegt in der optimalen Instandhaltung während der gesamten Lebensdauer des Projekts“, so Notebaert. Viele deutsche Autobahnen seien bekanntlich alt und aus Beton, die kontinuierliche Bereitstellung der notwendigen Investitionsmittel sei aber nicht immer die Stärke des Staates. Konzessionäre könnten die Mittel dagegen nicht – je nach Haushaltslage – anders verplanen. „Wir sind vertraglich dazu verpflichtet, zu investieren, das ist ein echter Vorteil gegenüber dem Staat“, sagt er.

Mehr noch: Der Staat müsse sich mit Infrastrukturinvestitionen nicht noch höher verschulden, was ihm wiederum niedrigere Zinssätze für andere Vorhaben ermögliche, und er könne davon ausgehen, dass die betreffenden Straßen 30 Jahre lang ordentlich bewirtschaftet werden. Hinzu komme als großer Vorteil von ÖPP das deutlich höhere Bautempo der Privaten.

Bewährte Modelle auch in Frankreich

„Bei öffentlichen Aufträgen muss der Staat alles von A bis Z genau definieren und für Einzelmaßnahmen Ausschreibungen durchführen“, sagt ­Notebaert. Bei ÖPP-Projekten könne man hingegen mehrere Abschnitte zusammenfassen. Diese ließen sich dann gebündelt an Akteure vergeben, die über die finanziellen und technischen Mittel verfügen, große Vorhaben im Verbund mit lokalen Partnerunternehmen aus einem Guss umzusetzen.

Wer zuletzt auf der Autobahn 3 zwischen Würzburg und Nürnberg unterwegs war, konnte mit eigenen Augen sehen, was dieses „aus einem Guss“ meint. Wenn es auf den letzten Metern bis Dezember keine Verzögerungen mehr gibt, wird die chronisch überlastete Strecke auf 76 Kilometer Länge in weniger als fünf Jahren von Konzessionären von vier auf sechs Spuren erweitert worden sein – während konventionelle Ausbauprojekte dieser Art oft Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Rund 1,5 Milliarden Euro werden dort investiert, wofür in großem Stil schweres Baugerät aufgefahren wurde. Über die gesamte Vertragsdauer beträgt der Kostenumfang auf dem Autobahnabschnitt 2,8 Milliarden Euro.

Auch in Frankreich haben sich Konzessionsmodelle bewährt. Die im europäischen Vergleich sehr hohe und stetig steigende Pkw-Maut auf den überwiegend privatisierten Autobahnen ist zwar seit Jahren ein Politikum. Kein Zweifel kann aber daran bestehen, dass die Qualität der von den Konzessionären bewirtschafteten Strecken im europäischen Vergleich Spitzenklasse ist.

Zweifel vom Rechnungshof

Fahrbahnschäden und Baustellen gibt es viel weniger als in Deutschland. Oft kann man stundenlang ohne nennenswerte Einschränkung dahingleiten. Größter Autobahnbetreiber ist mit rund 4400 Kilometern auch in Frankreich Vinci, dessen Tochtergesellschaften ASF, Cofiroute und Escota sich um fast alle Strecken in den Urlaubsgebieten im Süden und Westen kümmern.

Dennoch ist ÖPP in der deutschen Politik wenig wohlgelitten. Vor allem auf linker Seite sah man die Projekte in den vergangenen Jahren kritisch. Auswertungen des Bundesrechnungshofs und der Rechnungshöfe der Länder zeigten, dass die Kosten im Vorfeld regelmäßig falsch eingeschätzt worden waren, was den vermeintlichen Effizienzvorteil schmälerte. Das liege auch daran, dass die Unternehmen höhere Zinsen als der Staat zahlen müssen. Unterm Strich sei bei den meisten früheren ÖPP-Projekten eine konventionelle Umsetzung günstiger gewesen, so der Bundesrechnungshof seinerzeit.

Der Vinci-Manager Notebaert hat an dieser Darstellung seine Zweifel. Als Großkonzern mit guter Bonität könne man das nötige Kapital aufbringen, ohne hohe Zinsen zahlen zu müssen. Da der Staat Garantien leiste, sei das unternehmerische Risiko gering – wenngleich die Margen im Konzessionsgeschäft mit rund vier Prozent ohnehin nicht allzu hoch seien. Schließlich stoße man bei Bauprojekten immer auf Schwierigkeiten, für die einen niemand entschädige. Ein Pluspunkt von ÖPP sei in der Gesamtschau die höhere Qualität.

„Der Staat kontrolliert sich selbst nicht so gut, wie er die Konzessionäre kontrolliert“, betont ­Notebaert. Will meinen: Es gebe weniger Schlaglöcher, wenn sich private Unternehmen um den Betrieb kümmern und bei ihrem Tun überwacht werden. In Frankreich wie in Deutschland sei man bis zum Ende der ÖPP-Laufzeit verpflichtet, die Straßen in gutem Zustand zu halten. Andernfalls sehen die Verträge Sanktionen vor – vom drohenden Reputationsverlust, wenn man die Instandhaltungspflichten nicht erfüllt, ganz zu schweigen.