Münchner Soziologe

„Viele Demos sind weißer als jeder AfD-Parteitag“

06.11.2025 – 05:42 UhrLesedauer: 2 Min.

"Deutschland hat sich in eine Sackgasse manövriert", sagt Armin Nassehi.Vergrößern des Bildes

Armin Nassehi (Archivbild): Der Münchner Soziologe hat sich zu Friedrich Merz‘ „Stadtbild“-Aussage geäußert. (Quelle: imago-images-bilder)

Ein Forschungsprojekt in München zeigt: Integration funktioniert besser als viele denken – nur unsere Wahrnehmung hinkt hinterher.

Der Münchner Soziologe Armin Nassehi hat seine umstrittene Warnung von 2015 vor einer „Maskulinisierung des öffentlichen Raums“ durch Fluchtmigration bekräftigt. „Ich habe schon vor Jahren gewarnt, dass es im Zuge von Fluchtmigration zu einer Maskulinisierung des öffentlichen Raums kommen wird“, sagte der Professor der Ludwig-Maximilians-Universität im Interview mit dem „Tagesspiegel“ (Freitagausgabe). Damals hatte er geschrieben: „Wer die Energie junger Männer nicht zu bündeln weiß, erzeugt ein hohes Konfliktpotenzial.“

Zu Friedrich Merz‘ „Stadtbild“-Äußerung sagte Nassehi, es sei „naiv“ gewesen, Probleme mit dem Stadtbild zu benennen und gleichzeitig Abschiebungen zu fordern. „Das klingt, als könne man aus diesem Land wieder eines machen, dessen Bürger so aussehen wie in den 1950er-Jahren. Das wird mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln nicht funktionieren.“ Der Begriff „Stadtbild“ habe eine „Paradoxie der Sichtbarkeit“ offenbart: „Man sieht gerade an Migrantischem mehr, als es da eigentlich zu sehen gibt.“

Nassehi und seine Kollegin Irmhild Saake hatten von 2020 bis 2023 in einem Forschungsprojekt untersucht, wie Integration im Alltag gelingt. In 67 Interviews stellten sie fest: „Die institutionelle Integrationsfähigkeit der Gesellschaft ist viel größer als die unserer Sprache und unserer Wahrnehmung von Stadtbildern.“ In Unternehmen seien Geflüchtete vor allem Arbeitnehmer wie andere auch, für Ärzte Patienten. Integration finde „nicht durch gutes Zureden statt, sondern praktisch im Alltag, vor Ort“.

Kritik übte der Soziologe auch an Teilen der Linken. „Viele Demonstrationen für Migration sind weißer als jeder AfD-Parteitag“, sagte Nassehi. Das Bekenntnis zu mehr Vielfalt sei „oft eine Projektion von Gruppen, die mit Einwanderung nicht viel zu tun haben“. Zur AfD sagte er, sie sei eine „Fake-Partei, die mit sinnvollen Konzepten nichts zu tun hat“ und habe „mit Konservatismus nicht das Geringste zu tun“.