Liebe Leserin, lieber Leser,

in
dieser Jubiläumswoche anlässlich des zehnjährigen Bestehens der
Elbvertiefung möchte ich noch einmal zurückblicken auf den 10.
November 2015. Da mischte sich in all die Fröhlichkeit, mit hoch
motivierten Kolleginnen und Kollegen diesen außergewöhnlichen
Newsletter zu starten, eine große Portion Trauer. Denn in der
Extra-Ausgabe der Elbvertiefung, die am 10. November um 16.13 Uhr an
unsere Leserinnen und Leser ging, musste ich vermelden: „Unser
Herausgeber Helmut Schmidt ist tot. Im Alter von 96 Jahren starb er
in seinem Haus in Hamburg-Langenhorn …“

Jemand
wie Helmut Schmidt, das hatten wir fast wirklich geglaubt, der stirbt
doch nicht, der bleibt. Ganze 32 Jahre lang war der Altkanzler, der
überragende Staatsmann, das Vorbild unzähliger Deutscher, unser
Herausgeber bei der ZEIT gewesen. Und für viele Redakteurinnen und
Redakteure war er auch eine Art Vater- nein: Großvaterfigur. Trotz
seines hohen Alters, trotz zunehmender gesundheitlicher Probleme –
er rauchte weiter, denn auf Nikotinentzug wagten ihn die Ärzte nicht
zu setzen – tauchte Helmut Schmidt bis fast zuletzt immer noch mit
unheimlicher Willenskraft regelmäßig in seinem Büro und in der
Konferenz des Politik-Ressorts auf.

Um
uns die Welt zu erklären. Um mit uns zu streiten. Um sich und seine
Schwächen ganz ironisch nicht so wichtig zu nehmen, dabei aber genau
wissend, dass er politisch und intellektuell zu den ganz Großen
gehörte.

Kamen
Besucher zu uns ins Pressehaus, war eine der ersten Fragen: „Kommt
ER noch rein?“ – „Ja“, sagten wir dann, „er kommt noch rein,
natürlich!“ Und dann kam er eben nicht mehr. In Trauer und großer
Dankbarkeit nahmen wir Abschied von Helmut Schmidt, im Bewusstsein,
dass er uns allen fehlen würde.

© ZON

Newsletter
Elbvertiefung – Der tägliche Newsletter für Hamburg

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Und
irgendwie tut er das bis heute – oder: gerade heute. Was würde
Helmut Schmidt sagen zum Erfolg der Rechtsradikalen? Dem russischen
Angriff auf die Ukraine? Dem 7. Oktober und dem Krieg in Gaza? Zu den
Populisten und den Spielräumen, die Politik in dieser komplexen Welt
noch hat?

Zum
zehnten Todestag von Helmut Schmidt hat ZEIT-Chefredakteur Giovanni
di Lorenzo
mit drei anderen Schmidt-Kennern und -Weggefährten
gesprochen. Einen Auszug aus diesem Gespräch lesen Sie in unserer
Rubrik „Thema des Tages“.

Herzliche
Grüße,

Ihr
Mark Spörrle

PS:
Ihren Zuschriften entnehme ich, dass manche Leserinnen und Leser die
Elbvertiefung entgegen meiner fürsorglichen Bitte doch auf dem Rad
lesen – allerdings auf dem Trimmrad. Und das ist natürlich nicht
nur völlig in Ordnung, sondern sogar noch steigerungsfähig: Eine
Leserin las die vorige Elbvertiefung im Hotelzimmer in New York,
direkt nach ihrem ersten Marathon!

PPS:
Vielen Dank auch demjenigen, der mir tatsächlich die Antwort auf
meine Frage gegeben hat, welcher meiner
Kollegen über Erfahrungen mit dem vorübergehenden Zwischenlager von
Hausrat verfügt. Es ist wirklich schön, für Sie zu schreiben.

WAS HEUTE WICHTIG IST

© Manuel Genolet/​dpa

Bürgermeister
Peter
Tschentscher (SPD) hat das Verbot von Muslim Interaktiv begrüßt.
 Der Beschluss des Bundesinnenministers, der gestern bekannt gegeben
wurde, gehe auch auf die Arbeit von Hamburger Behörden zurück, sagte
Tschentscher. Hamburgs
Innensenator Andy Grote (SPD) sprach von einem Schlag gegen den
„Tiktok-Islamismus“. Unser Pressefoto zeigt einen Polizisten bei
einer der Hausdurchsuchungen, die gestern unter anderem in
Mümmelmannsberg durchgeführt wurden. Mehr über das Verbot der Islamistengruppe lesen Sie weiter unten in diesem Newsletter, in unserer Rubrik
„Der Satz“.

Vielen Obdachlosen in Hamburg geht es schlechtBei
einer Befragung bewertete mehr als die Hälfte ihre Gesundheit als
weniger gut oder schlecht, teilte die Gesundheitsbehörde mit.
Demnach gaben 41 Prozent an, psychische oder Suchterkrankungen zu
haben, weitere 16 Prozent erklärten, zusätzlich an körperlichen
Erkrankungen zu leiden. Lediglich 26 Prozent bewerteten ihre
Gesundheit als gut oder sehr gut. Nach offiziellen Angaben gibt es in
Hamburg 3.800 Obdachlose, 300 von ihnen nahmen an der Befragung teil.

Mehr
Bewerber, weniger Angebot – und trotzdem blieben Lehrstellen
unbesetzt. Diese Bilanz zum Ausbildungsmarkt zog
gestern der Chef der Hamburger Agentur für Arbeit, Sönke Fock.
Konkret zählte er knapp mehr als 8.000 Bewerberinnen und Bewerber,
rund 1.000 mehr als noch im Jahr 2024. Rund 950 Ausbildungsstellen
blieben unbesetzt und rund 1.400 Ausbildungssuchende ohne Vertrag.
Als Gründe nannte Fock fehlende Schulabschlüsse oder
Sprachkompetenzen ebenso wie mangelnde Flexibilität junger Menschen,
sich auf Stellen abseits ihrer Wunschberufe zu bewerben.

In aller Kürze

Bundestagspräsidentin
Julia Klöckner verurteilte den Brandanschlag

auf das Auto eines Hamburger AfD-Abgeordneten •
Morgen startet der Winterdom
mit einer neuen XXL-Schaukel und einer Geisterbahn.

Der Rummel auf dem Heiligengeistfeld läuft bis zum 7. Dezember •
Aus den Polizeimeldungen: Vier Tage nach einem brutalen
Angriff vor einem Club
wurde
ein Tatverdächtiger festgenommen

THEMA DES TAGES

© Daniel Biskup /​ Laif (das Foto wurde in Hamburg am 21.02.2001 aufgenommen)

Was würde Helmut Schmidt dazu sagen?

Am 10. November jährt
sich der Todestag von Helmut Schmidt zum zehnten Mal. In der neuen
Ausgabe der ZEIT diskutieren vier Wegbegleiter – die TV-Moderatorin
Sandra Maischberger, der frühere Bundesfinanzminister Peer
Steinbrück, der Autor Thomas Karlauf und ZEIT-Chefredakteur Giovanni
di Lorenzo –, wie er heute wohl auf die Welt blicken würde. Lesen
Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch.

Giovanni
di Lorenzo:

Wie oft erwischen Sie sich bei dem Gedanken: Was würde Helmut
Schmidt dazu sagen?

Sandra
Maischberger:

Ich erwische mich relativ häufig dabei, denn ich habe ja in meinen
Sendungen permanent Politiker vor mir – und die Fragestellungen,
die wir damals verhandelt haben und die wir heute verhandeln, sind
durchaus ähnliche. Dann verbiete ich mir das sofort wieder, weil das
natürlich eine unterkomplexe Frage ist.

Di
Lorenzo:

Ist sie das?

Peer
Steinbrück:

Ja – weil sich seit dem Tod Helmut Schmidts die Komplexität enorm
gesteigert hat. Erstens sind wir einem völlig erratischen
amerikanischen Präsidenten ausgesetzt, der die transatlantische
Gemeinschaft in Zweifel zieht. Zweitens einer
russisch-revanchistischen Politik mit höchst aggressiven Momenten
gegen Europa. Drittens einem nach Dominanz strebenden China, das
Helmut Schmidt immer anders eingeschätzt hat. Viertens einer
Neuformierung von politischen und ökonomischen Machtblöcken –
siehe zum Beispiel die Brics-Staaten (Brasilien, Russland, Indien,
China, Südafrika und andere, Anm.
d. Red.).
Das alles war vor zehn Jahren nicht absehbar.

Thomas
Karlauf:

Wenn Sie so lange mit jemandem zusammengearbeitet haben, geht
natürlich viel von seiner Denke auf Sie über. Ich ertappe mich im
Alltag bei der Frage: Was würde der Chef jetzt sagen? Helmut Schmidt
war der einzige Mensch in meinem Leben, den ich als Chef angesehen
habe. Ich habe seit 40 Jahren mit vielen Autoren zu tun. Er war eine
Klasse für sich. Noch heute sagt meine Frau: Der Chef fände das
jetzt aber nicht gut!

Maischberger:
Wann sagt Ihre Frau das?

Karlauf:
Bei ethischen Fragen. Darf man dieses oder jenes machen?

Steinbrück:
Helmut Schmidt hat unserem liberalen, demokratischen Rechtsstaat
Würde und Glaubwürdigkeit gegeben. Durch sein Auftreten und das,
was er gesagt hat. Das vermisse ich heute bei einigen Politikern, vor
allem bei jenen, die glauben, sich in ihrer Sprache und ihrem Habitus
anbiedern und auf sozialen Plattformen inhaltlos für sich werben zu
müssen.

Wie
würde Schmidt über Donald Trump denken? Wie über die Debatten um
Einwanderung? Lesen
Sie mehr dazu in der ungekürzten Fassung auf zeit.de
.

DER SATZ

© Gregor Fischer/​dpa

„Wir
lassen nicht zu, dass Organisationen wie Muslim Interaktiv mit ihrem
Hass unsere freie Gesellschaft zersetzen“


das sagte Bundesinnenminister Alexander
Dobrindt (CSU), als er gestern das Verbot von Muslim Interaktiv
bekannt gab.
In Hamburg ist die Gruppe nicht unbekannt. Was es mit ihr auf sich
hat, lesen
Sie hier
.

DAS KÖNNTE SIE INTERESSIEREN

Heute
kommt der Dokumentarfilm Das
Ungesagte in
die Kinos. Er erzählt von dem Tabu, mit dem die Nazizeit nach 1945
in fast allen deutschen Familien belegt war. Kommende Woche
Donnerstag wird der Film im Zeise Kino in einer Sondervorstellung
mit anschließender Diskussion

gezeigt.
Mit dabei sind Oliver von Wrochem, der Leiter der KZ-Gedenkstätte
Neuengamme, die Historikerin Ulrike
Jureit
und
Paul Brodowsky, Autor des Romans Väter.

Wir
verlosen zweimal zwei Gästelistenplätze für die Sondervorstellung
von „Das
Ungesagte“ am
Donnerstag, 13. November ab 19.30 Uhr im Zeise Kino. Schicken Sie uns
bis morgen, 12 Uhr, eine Mail mit dem Betreff „Tabu“ an
hamburg@zeit.de.
Die Gewinnerinnen und Gewinner werden von uns benachrichtigt. Viel
Glück!

MEINE STADT

Man gönnt sich ja sonst nichts © Monika Piotrowski

HAMBURGER SCHNACK

Als mein Sohn mit mir darüber diskutierte, in welches Restaurant wir
gehen wollten, sagte mein kleiner Enkel: „Ich möchte in das Restaurant
mit Spielzimmer.“ „Und wo ist das?“, wollte ich wissen. Seine Antwort: „Zu Hause.“

Gehört von Angelika Bittner

Das war
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