Stuttgart. Bis zu 1,6 Milliarden Euro wird nach einem Gutachten die Erschließung des Gleisvorfeldes für den Städtebau kosten. Diese Zahl nennt ein Gutachten der Beratungsfirma Drees & Sommer, das die Stadt nun vorgestellt und im Gemeinderat diskutiert hat. Demnach werde 1,2 bis 1,6 Milliarden Euro für die Planung, den Rückbau der Gleise, die Erschließung und die Baunebenkosten fällig. Einen Risikozuschlag von einem Drittel haben die Experten einberechnet. Damit sollen Preissteigerungen und unerwartete Kosten erfasst werden.
Wohnungen, Gewerbeeinheiten, Schulen und Kitas sind für diese Summe nicht zu haben. Die Entwicklungskosten dafür beziffert die Stadt auf weitere 1,4 bis 3,8 Milliarden Euro. Mit dem Gutachten reagiert die Stadt auf einen Antrag der Grünen-, CDU-, SPD/Volt- und Freien-Wähler Fraktionen, die angesichts des näher rückenden Baustarts für das Rosensteinquartier eine durch einen Wirtschaftsprüfer begutachtete Zeit- und Kostenplanung fordern.
Baustart für die Erschließung fällt in gut eineinhalb Jahren
Das Rosenstein soll bis zu 10 000 Menschen Platz bieten. Die Einzelquartiere haben unterschiedliche Nutzungsschwerpunkte, die vorrangig im Wohnen, aber auch im gewerblichen bis hin zum künstlerischen Bereich liegen. Bis in die frühen 2040er-Jahre soll an dem neuen Quartier gebaut werden, mit dem Baustart rechnet die Stadt Mitte 2027, falls Stuttgart 21 bis dahin vollständig in Betrieb geht.
Das Bürgerbegehren gegen die Bebauung der Gleisflächen vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof hätte die Planung mindestens vezögert, wenn es nicht gescheitert wäre. Die abgegebenen Unterschriften reichen nicht aus, um das Quorum von 20 000 Unterschriften zu erfüllen, so die Landeshauptstadt. Bis zum 15. Oktober hatte die Initiative „Bahnhof mit Zukunft“ zwar über 20 000 Unterschriften abgegeben, allerdings waren nur 18 270 für das Begehren relevant.
Nopper und Initiative streiten über Stichtag
Zwischen den Initiatoren des Begehrens „Mehr Bahnhof = Mehr Zukunft“ und der Verwaltung gab es aber Streit um das Fristende . Das Begehren will Gleise als Frischluftschneise und Gäubahn-Zufahrt erhalten. Es richtete sich gegen einen Gemeinderatsbeschluss vom 15. Juli. Damals hatte das Gremium für den Bebauungsplan zu einem Teilgebiet von Stuttgart Rosenstein votiert. Während Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) von diesem Datum als Start der dreimonatigen Frist für das Begehren ausging, pochte Stadtrat Hannes Rockenbauch, einer der drei Vertrauensleute, auf die Veröffentlichung im Amtsblatt als maßgebliches Datum – der 24. Juli.
Deshalb hatten die Aktivisten bis zum 24. Oktober gesammelt. Aber selbst die später eingegangenen Unterschriften reichten für das Quorum nicht aus, so die Stadt. Insgesamt kamen 23 926 Unterschriften zusammen. Dennoch fehlen 165 maßgebliche Signaturen für die 20 000-Grenze. „Das Ergebnis ist absolut sicher“, sagt Matthias Fatke, Leiter des Statistischen Amtes. Die Fehlerquote von 17 Prozent sei mit anderen Bürgerbegehren vergleichbar. Die Unterzeichner müssen EU-Bürger und über 16 Jahre als sein, aus Stuttgart kommen und dürfen nur einmal unterschreiben.
Rat soll Bürgerentscheid trotz fehlender Unterschriften zulassen
Rockenbauch findet das knappe Ergebnis von 19 835 Voten dennoch so gewichtig, dass der Gemeinderat den Bürgerentscheid zulassen solle. Kritik übt er an OB Nopper, der mit seiner „maximal bürgerunfreundlichen Auslegung“ der Gemeindeordnung das Ansinnen der Initiative torpediert und das Sammeln nach dem 15. Oktober erklärungsbedürftig gemacht habe.
Die Kritik weist ein Sprecher der Stadt zurück. Die Initiative habe bereits unmittelbar nach dem Beschluss mit dem Sammeln begonnen. Wäre ihre Auslegung zum späten Start die Drei-Monats-Frist maßgeblich, sei sogar noch mehr Zeit gewesen, als im Gesetz vorgesehen. Doch da selbst die nach dem 15. Oktober eingetroffenen Unterschriften fürs Quorum nicht ausgereicht haben, lasse sich keine Behinderung durch die Stadt konstruieren.
Abhängig von den Planungen zu S-21
Nach den bislang gültigen Planungen soll der Tiefbahnhof zu Stuttgart 21 im Dezember 2026 in Betrieb gehen, allerdings nicht für alle Züge. Während der Fernverkehr durch die neu gebauten Tunnelröhren in den neuen Bahnhof in der Stuttgarter Talsohle fährt, fährt, werden weite Teile des Nahverkehrs für einige Monate über den alten Kopfbahnhof abgewickelt. Die Bahn will damit eine abrupte Umstellung vom Betrieb des Kopfbahnhofs auf den neuen Durchgangsbahnhof verhindern. Zunächst war der klare Schnitt für Ende 2026 vorgesehen. Die Inbetriebnahme des digitalen Knotens barg die Gefahr, dass der Zugverkehr rund um Stuttgart kollabiert. Bis Ende 2027 sollen alle neuen Einrichtungen in Betrieb gehen. Das Ende des Kopfbahnhofs ist Voraussetzung dafür, dass das Gleisvorfeld zu einem neuen Stadtteil umgebaut werden kann.