Im Grunde ist es die alte Leier: Berlin leidet unter einem eklatanten Lehrermangel. Die neuen Studienergebnisse der Universität Göttingen, die bei den hiesigen Lehrkräften ein besorgniserregend hohes Maß an Frust, Überlastung und einem Gefühl von fehlender Work-Life-Balance festgestellt haben, sind deshalb besorgniserregend. Wie will das Land Lehrerinnen und Lehrer gewinnen, wenn nur 13 Prozent von denen, die den Job schon machen, sich sicher wieder dafür entscheiden würden? Wenn nur 20 Prozent den Job weiterempfehlen würden?

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Berlins Lehrer haben mehrheitlich das Gefühl, immer mehr Aufgaben zu bekommen, die mit Unterricht oder dem direkten Kontakt zu ihren Schülerinnen und Schülern nichts zu tun haben: Dokumentation, Verwaltungsaufgaben, IT-Support.

Die Antwort auf diese Probleme kennt die Bildungsverwaltung: multiprofessionelle Teams, in denen die Lehrkräfte durch Sozialarbeiterinnen, Psychologen, Sozialpädagoginnen und Verwaltungskräften ergänzt werden. Kooperationen mit freien Bildungs- und Jugendhilfeträgern, die zusätzliche Bildungsangebote machen und die schwächsten und ärmsten Schüler, von denen diese Stadt so viele hat, in Schulstationen und Lernwerkstätten auffangen können. Doch an diesen Stellen wird derzeit im Zuge der allgemeinen Haushaltskürzungen gespart.

Knapp 2600 Lehrkräfte haben im vergangenen Schuljahr den Berliner Schuldienst verlassen – ein absoluter Spitzenwert.

Margarethe Gallersdörfer

Das ist ein Fehler, denn genau diese Einsparungen sorgen dafür, dass der Druck auf die Lehrkräfte sich noch weiter erhöht. In Sinne der Entlastung bringt es deshalb leider auch wenig, dass nicht besetzte Lehrerstellen umgewandelt werden dürfen, etwa in welche für Schulsozialarbeit. An sich ist das eine vernünftige Entscheidung, aber Unterricht muss trotzdem erteilt, Klassenleitungen besetzt, Klassenarbeiten geschrieben und korrigiert werden.

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Berlin kann sich auch nicht darauf ausruhen, dass die Zahl der Geburten in der Stadt derzeit drastisch sinkt. Werden die Klassen dann nicht sowieso kleiner, braucht es dann nicht sowieso nicht mehr so viele Lehrer?

„Ich musste die Notbremse ziehen“ Lehrkräfte erzählen, warum sie den Beruf gewechselt haben

Nein. Denn auf der anderen Seite der demografischen Medaille treten immer noch die Ausläufer der geburtenstärksten Jahrgänge in den Ruhestand. Und was noch viel schwerer wiegt: Immer mehr Berliner Lehrerinnen und Lehrer verlassen das Land – oder vorzeitig gleich den Schuldienst insgesamt. Knapp 2600 waren es im vergangenen Schuljahr, ein absoluter Spitzenwert. Und das, obwohl die Hauptstadt die Verbeamtung wieder eingeführt hat, die zuvor Berliner Lehrkräfte in andere Bundesländer lockte.

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Die Bildungsverwaltung hütet sich bisher, die Gründe zu erforschen. Die Ergebnisse der Studie, die von der Bildungsgewerkschaft GEW mitorganisiert wird, könnten eine Antwort geben, warum so viele es an den Schulen nicht mehr aushalten, obwohl die allermeisten ihren Beruf aus Überzeugung gewählt haben.

Es wird weiterhin einen Lehrermangel geben, bundesweit, und deshalb muss das Land schleunigst mehr dafür tun, zu einem attraktiveren Arbeitgeber zu werden. Damit mehr Lehrkräfte an Berlins Schulen ankommen. Und damit die, die da sind, bleiben möchten.