
Stand: 06.11.2025 21:06 Uhr
Niedersachsen ist laut dem aktuellen Kommunalbericht hoch verschuldet. Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD) spricht im NDR Interview darüber, was dieser Schuldenberg für die Kommunen bedeutet.
Mehr als 17 Milliarden Euro beträgt der Gesamtschuldenstand in Niedersachsen nach Angaben des Landesrechnungshofs. Thorsten Kornblum ist Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig und betont, dass es dringend strukturelle Veränderungen braucht. Im Interview mit dem NDR Niedersachsen erklärt er, warum er trotz des Schuldenbergs positiv in die Zukunft blickt.
Herr Kornblum, was heißt es für eine Stadt wie Ihre, wenn die Schulden so hoch sind?
Thorsten Kornblum: Das heißt, dass die Spielräume immer kleiner werden. Der Bericht vom Landesrechnungshof unterstreicht noch mal eindringlich das, was wir als Kommunen massiv vorbringen. Es braut sich finanzpolitisch ein perfekter Sturm über der Kommune zusammen. Deswegen brauchen wir dringend den im Koalitionsvertrag vereinbarten Pakt für Kommunalfinanzen. Wir müssen die Finanzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen neu ordnen. Wir sind die Wiege der Demokratie: Hier kommen die Menschen das erste Mal mit Demokratie in Berührung, wenn sie vor die Haustür treten, hier werden die Dinge tatsächlich entschieden und gestaltet. Und dafür brauchen wir natürlich die finanziellen Mittel.
Sie haben angedeutet, dass sich da ein Sturm zusammenbraut. Wie macht sich das für Sie bemerkbar?
Kornblum: Bei Schulen, Straßen und Brücken oder bei der Kanalisation reichen lebenserhaltende Maßnahmen nicht mehr aus. Wir sind gezwungen, sehr stark zu investieren, haben aber eigentlich kein Geld mehr dafür. Das führt dazu, dass vermögende Kommunen, so wie es die Stadt Braunschweig ist, alle Rücklagen aufbrauchen. Und gleichzeitig wollen wir ja nicht bei zivilgesellschaftlichen Strukturen wie Vereinen oder Verbänden, im Sport, in der Kultur oder im Sozialen voll auf die Bremse treten – das wäre fatal. Denn wir haben nicht nur eine Finanzkrise, auch politisch ist unsere Demokratie massiv unter Druck. Das heißt, wir müssen gleichzeitig als liberale Demokratie zeigen, dass dieser Staat funktioniert, dass unsere Stadt funktioniert.
Haben Sie Hoffnung, dass sich da zeitnah etwas tut?
Kornblum: Da muss jetzt was passieren. Es wäre wirklich eine Legende, dass sich die Kommunen durch ein Sparpaket selber aus dieser Misere befreien können. Das ist nicht der Fall. Wir müssen jetzt große Strukturveränderungen angehen, damit wir als Kommune handlungsfähig bleiben. Etwas ganz Entscheidendes ist: Wir sind im dritten Jahr ohne bedeutendes Wirtschaftswachstum, das macht sich überall bemerkbar. Dazu kommen historische Ausgabensteigerungen, etwa bei den Sozial- und Baukosten. Und wir haben zunehmend Aufgaben für die Kommunen, die nicht gegenfinanziert werden – die wir aber machen müssen, weil das Gesetz es verlangt. In dieser Lage ist die Leistungsfähigkeit der Kommunen nicht mehr gegeben. Und da müssen wir was tun.
Nun müssen sie als Oberbürgermeister sicherlich positiv vorangehen. Glauben Sie, dass wir diese vielfältigen Probleme in den nächsten Jahren nachhaltig lösen können?
Kornblum: Als Oberbürgermeister ist man ja Berufsoptimist, was die Zukunft der Stadt angeht. Und es gibt positive Zeichen: Wir haben das 500-Milliarden-Paket, was die Investitionen angeht. Wir haben die Sozialstaatskommission, die ihre Arbeit aufgenommen hat. Und die niedersächsische Landesregierung hat selbst nochmal über 600 Millionen Euro mobilisiert und hilft uns auch bei den laufenden Kosten von den Kitas. Das heißt, auf Landes- und Bundesebene ist angekommen, dass man gerade für die Kommunen viel machen muss.
Das Interview führte Andreas Kuhnt.

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