Die Dreyfus-Affäre ist ein dunkler Fleck in der französischen Geschichte und beschäftigt das Land seit über 100 Jahren. 1894 wurde der jüdische Offizier Opfer einer Hasskampagne mit unrechtmäßigen Anschuldigungen und einer Degradierung. Die Fünfte Französische Republik versucht nun, diesen Fehler teilweise wiedergutzumachen.
Rund 130 Jahre nach der ungerechtfertigten Verurteilung des jüdischen Offiziers Alfred Dreyfus wegen angeblichen Verrats hat Frankreich den Elsässer posthum zum Brigadegeneral ernannt. Der französische Senat verabschiedete einstimmig einen entsprechenden Gesetzesvorschlag des ehemaligen Premierministers Gabriel Attal.
„Dieser Text ermöglicht es der Republik, ihren Fehler einzugestehen und anzuerkennen, dass ein Mann gedemütigt wurde“, erklärte der sozialistische Fraktionsvorsitzende Patrick Kanner. „Diese Geste ist symbolisch, aber sie bedeutet mehr als nur ein Symbol. Sie ist eine Antwort auf eine Ungerechtigkeit, die mehr als ein Jahrhundert zurückliegt“, sagte Verteidigungsstaatssekretärin Alice Rufo.
In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Initiativen, Dreyfus posthum zu rehabilitieren. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte kürzlich den 12. Juli zum nationalen Dreyfus-Gedenktag erklärt.
Der französische Generalstabsoffizier Dreyfus wurde im Kontext antisemitischer Anfeindungen zu Unrecht als Spion des damaligen deutschen Kaiserreichs denunziert und 1894 verurteilt. Er wurde wegen Hochverrats auf die Teufelsinsel in Französisch-Guyana verbannt.
Dienstabzeichen entfernt, Säbel zerbrochen
Zuvor wurde er im Ehrenhof der Pariser Militärschule öffentlich degradiert. Vor etwa 20.000 Zuschauern wurden ihm seine Dienstabzeichen von der Uniform gerissen und sein Säbel zerbrochen. Dreyfus rief damals seine Unschuld aus und schloss mit den Worten: „Es lebe Frankreich, es lebe die Armee.“
Die Dreyfus-Affäre erschütterte und spaltete die Dritte Französische Republik. In der Presse kam es zu einer Hasskampagne gegen eine vermeintliche jüdische Verschwörung mit den Deutschen. Zwei Jahre nach Dreyfus’ Verurteilung stellte sich heraus, dass eine ihm zugeschriebene Nachricht, die im Papierkorb der deutschen Botschaft in Paris gefunden wurde, von einem anderen Offizier stammte – dieser wurde in einem Gerichtsverfahren freigesprochen.
Der Schriftsteller Émile Zola machte den Justizirrtum mit seinem legendären offenen Brief „J’accuse“ („Ich klage an“) öffentlich bekannt. Der Pariser Kassationshof, das höchste französische Strafgericht, hob die Verurteilung schließlich 1906 auf.
Präsident Jacques Chirac ehrte Dreyfus 2006 mit einem Staatsakt. Eine Überführung seiner sterblichen Überreste in den Pariser Panthéon lehnte Chirac damals ab. Mehrere Abgeordnete fordern nun erneut die Aufnahme Dreyfus’ ins Panthéon. Der Regisseur Roman Polanski verarbeitete die Dreyfus-Affäre 2019 in seinem Film „Intrige“.
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