Grönland mit seinen beeindruckenden Fjorden, gewaltigen Eisbergen und pittoresken Häuser – für Horst Forster aus dem Erzgebirge war das sein halbes Leben lang ein Sehnsuchtsort. Also blätterte er 10 000 Euro auf den Tisch eines Reiseveranstalters, um mit seiner Frau Bärbel eine Kreuzfahrt zur nördlichsten Landfläche der Erde zu erleben. Indes, Grönland hatte quasi nahezu komplett geschlossen, wegen Eisüberschusses. „Wir waren sehr enttäuscht“, sagt Forster – und reichte Klage gegen MSC Cruises ein.
Wenn Horst Forster zu erzählen beginnt, dann holt er aus, und zwar weit: „Es war im Jahr 1968“, beginnt er vor der 31. Zivilkammer am Landgericht München I, da sei er von der DDR aus „von Berlin nach Mexico-City geflogen, zur Olympiade“. Nun ist der ältere Herr kein Sportler, sondern Musiker, genauer gesagt Klarinettist. Er und seine Ehefrau, eine Violinistin, spielten im Chemnitzer Orchester „Robert-Schumann-Philharmonie“. Gut, zu weit ausgeholt, jedenfalls sollte Forster in Mexiko musizieren. Und der Flieger nahm den Luftkorridor über Grönland und Island – und Horst Forster schmolz beim Anblick der Eislandschaften nur so dahin.
„Zu DDR-Zeiten war es nicht möglich, nach Grönland zu reisen“, erzählt er weiter. Aber jetzt, jetzt war die Zeit gekommen. Island und Grönland standen auf dem Programm, davon sollte das Kreuzfahrtschiff eine Woche lang grönländische Häfen anlaufen. Aber noch bevor die Sachsen im Sommer 2024 in See stechen konnten, kam vom Veranstalter der Hinweis, dass der Seeweg nach Ilulissat gesperrt sei. Die Stadt am Ilulissat Eisfjord, auf der Liste des Unesco-Welterbes zu finden, war also eingeeist. „Aber wir wurden in dem Glauben gelassen, dass der Rest stattfinden wird.“
An Bord dann habe man ihnen weisgemacht, dass zumindest der malerische Prins Christian Sund befahrbar sein werde, „aber auch das war nicht möglich“, berichtet der Kläger. Und die Ersatzstadt, die anstelle von Ilulissat besichtigt werden sollte, sei auch gestrichen worden. Am Ende war der einzige Ort auf Grönland, den die Sachsen sahen, die Hauptstadt Nuuk. „Ein paar bunte Häuschen und eine Holzkirche, die geschlossen war“, beschreibt Forster den Landausflug. Dann seien fünf Seetage bis Reykjavík gefolgt. „Da braucht man nur einen Tag normalerweise.“ Das sei ihnen „fast wie im Gefängnis“ vorgekommen. „Wir haben künstlerische Berufe und das Kulturangebot an Bord war nicht so toll.“
Nun sitzt das Ehepaar mit Anwalt Claus Appel vor Gericht und will einen Teil des Reisepreises rückerstattet haben. „Island kannten wir ja schon, wir haben die Reise wegen Grönland gemacht“, sagt Forster. Die Gegenseite argumentiert, dass vorab schon bekannt gewesen sei, dass bestimmte Ziele nicht erreichbar seien. Und die Eisverhältnisse seien jetzt nicht die Schuld des Veranstalters. „Aber“, kontert Forster, „in Nuuk hat uns eine Verkäuferin gefragt, warum wir jetzt kämen, wo doch die Eisverhältnisse so schlimm seien“. Und dann traf Forster daheim noch auf einen Mann, der kurz nach ihnen dieselbe Kreuzfahrt gebucht hatte. Auch diese Reise habe stattgefunden, auch dieser Mann sei enttäuscht worden.
Rechtsanwalt John Mieler, der MSC Cruises vertritt, zeigt sich in der Güteverhandlung entgegenkommend und bietet als Vergleichszahlung 4600 Euro an. Dem stimmen die Forsters zu. Vielleicht kommen sie irgendwann ja doch noch nach Grönland.