Solingen. Dass die Aufgabe des Apothekers oder der Apothekerin viel mehr umfasst, als nur hinter der Verkaufstheke zu stehen, beweist Sylvia Weber-Erz tagtäglich. Die Solinger Kreisvertrauensapothekerin ist auch stellvertretende Leiterin des Walter-Bremer-Instituts. Dort bildet sie für die Region neue Pharmazeutisch Technische Assistenten (PTA) aus.

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Beim Besuch dort haben die Apotheken-Auszubildenden gerade Zäpfchen, die bei Kindern gegen Verstopfung helfen, und eine Erkältungscreme selbst hergestellt. „Das können wir“, betont Weber-Erz. Und das komme auch in der Apotheke zum Einsatz. „Als während der Corona-Pandemie beispielsweise Paracetamol nicht lieferbar war, haben wir auch Schmerzsaft für Kinder selbst hergestellt“, erinnert sie sich.

Apotheker können aus Tabletten Kapseln mit anderer Dosis machen

Auch jetzt gibt es öfter die Situation, dass einzelne Medikamente nicht verfügbar sind. Aber es gebe fast immer Alternativen. Bei Engpässen könne beispielsweise die Verabreichungsform geändert werden. Aus Tabletten können Apotheker Kapseln produzieren – aus der Viagra Tablette mit 50 mg Wirkstoff etwa eine Kapsel mit 10 mg Wirkstoff, die als Medikament bei herzkranken Kindern eingesetzt werden kann.

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Im Labor des Walter-Bremer-Instituts befindet sich eine große Menge an Arzneimittelstoffen zur Herstellung von Zäpfchen, Tabletten und Salben.

Immer wieder komme es vor, dass es bei einzelnen Präparaten Lieferengpässe gebe. „Dass wir dem Patienten aber gar nicht helfen können, ist selten“, relativiert die Apothekerin. Meist gebe es Alternativen. Salbutamol, ein Mittel gegen Asthma, ist so ein Beispiel. „Das Dosierspray ist derzeit nicht lieferbar, aber Pulverinhalatoren sind verfügbar und die platzieren den Wirkstoff sogar besser in der Lunge und funktionieren ohne Treibgase“, nennt Weber-Erz den Vorteil.

Apotheke bietet auch pharmazeutische Dienstleistungen

Und sie erklärt an dem Beispiel auch, warum die Apotheken vor Ort unverzichtbar seien. „Wir erklären den Patienten in der Apotheke beispielsweise, wie man richtig inhaliert.“ Das könne die Apotheke sogar einmal pro Jahr und Patient mit der Krankenkasse als pharmazeutische Dienstleistung abrechnen – ebenso wie Blutdruck messen, Medikamentenplan besprechen oder die Beratung bei Zytostatika in der Chemotherapie.

Zudem dürfe bei Medikamentenengpässen in der Apotheke „geswitcht“ werden. „Wir dürfen andere Größen oder Stärken, die dann geteilt werden, herausgeben, können mit mehreren Packungen stückeln.“ Dass man einen Patienten wegschicken muss, sei sehr selten.

Ärgerlich sei deshalb, dass diese Beratungsaufgabe der Apotheke als Baustein im Gesundheitssystem von Online-Versandapotheken oder Drogeriemärkten, die auch verschreibungsfreie Medikamente anböten, unterlaufen werde, kritisiert auch Andrea Niehoff-Ströh, Leiterin des Walter-Bremer-Instituts.

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Auf Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten hinweisen

Nicht umsonst sei der Pharmazeuten-Beruf ein Studium und die PTA in der Apotheke habe eine zweijährige Ausbildung plus halbjährigem Praktikum. „Deshalb können wir auch auf mögliche Unverträglichkeiten hinweisen. Man darf Wick Medinait beispielsweise nicht bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen einnehmen, das ist gefährlich“, nennt Niehoff-Ströh ein Beispiel.

Apotheken helfen sich über WhatsApp gegenseitig aus

Um Medikamente zu besorgen, die in der eigenen Apotheke nicht vorrätig sind, haben in Solingen die Apotheker untereinander eine WhatsApp-Gruppe, bei der auch Apotheker aus Hilden mitmachten. „Aber all diese Maßnahmen, das Telefonieren und Recherchieren kostet Zeit, die uns nicht bezahlt wird“, so Weber-Erz. Für die Einlösung des Versprechens im Koalitionsvertrag, die Abschläge für die Apotheken nach 15 Jahren erstmals zu erhöhen, sei aber offensichtlich derzeit kein Geld da, bedauert Andrea Niehoff-Ströh.

Dass die Medikamente ihren Preis haben, dafür haben die Pharmazeutinnen Verständnis. „Wenn Firmen 100 Tabletten für unter 5 Euro herstellen sollen, inklusive Verpackung und Transport, rechnet sich das kaum.“ Andererseits sei es sinnvoll, dass etwa 80 Prozent der Arzneimittel einen Festpreis hätten, um Kostensteigerungen wie derzeit in den USA zu vermeiden.

Politik ist gefordert

Gut sei, dass Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das Preislimit bei Medikamenten für Kinder gelockert habe. „Ein Ibu-Saft kostet jetzt 8, statt früher 4 Euro. Saftherstellung, Glasflasche, Kindersicherungsverschluss, Dosierspritze – da musste man sich nicht wundern, dass Pharma-Unternehmen das nicht mehr angeboten haben“, so Weber-Erz.

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Die Apothekerinnen hoffen, dass die Zusagen von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU), die Apotheken als niederschwellige Anlaufstelle für Gesundheitsfragen zu etablieren, und von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), auch die steuernde Funktion der Apotheken auszubauen, umgesetzt wird – und honoriert wird.

ST