DOMRADIO.DE: Am 10. November ist in Ihrer Gemeinde in Wuppertal wieder der Martinszug. Der Heilige Martin zieht die Menschen dann – im wahrsten Sinne des Wortes – auf die Straßen. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Werner Kleine (Pastoralreferent der Katholischen Citykirche Wuppertal): Der Heilige Martin ist einfach als Typus wichtig, weil er durch sein selbstloses und doch sehr spontanes Handeln genau das tut, was heute in vielerlei Hinsicht fehlt: dass wir dem Nächsten, dem es gerade schlecht geht, helfen.
Ich habe gestern in einem Interview gesagt, dass der Heilige Martin keine merkwürdigen Stadtbild-Debatten angezettelt hätte, wenn er Bundeskanzler wäre. Er würde vielmehr dazu aufrufen, dass wir wieder mehr solidarisch sind. Man kann da klein anfangen. Einfach dahin schauen, wo der Nächste ist, und das ist manchmal einfach der Nachbar. Vielleicht kann man ihm helfen? Das hat Martin vorgelebt und das macht ihn zu so einer interessanten Figur über die Konfessionen hinweg.
DOMRADIO.DE: Warum ist die Botschaft von Sankt Martin noch in der heutigen Zeit wichtig?
Kleine: Seine Botschaft ist gerade in der heutigen Zeit essenziell, weil wir oft eine Mentalität haben, in der jeder zuerst an sich denkt. Und vielleicht erst nach langer, langer Zeit mal an jemanden anderen. Martin hat sich so etwas aber gar nicht gefragt.
Er hat einfach seinen Mantel gegeben. Man darf nicht vergessen, dass er nach damaligem Brauch den ganzen Mantel gegeben hat. Denn die eine Hälfte gehörte dem Kaiser. Nur die andere Hälfte gehörte ihm und die hat er einem Bettler gegeben. Sankt Martin hat nicht lang gefackelt. Er hat das Notwendige getan und das fehlt heute manchmal. Da brauchen wir nicht auf große politische Entscheidungen zu warten, sondern das können wir alle.
Werner Kleine
„Sankt Martin hat nicht lang gefackelt. Er hat das Notwendige getan.“
DOMRADIO.DE: Der Wuppertaler Martinszug wird wieder eine Gebärdendolmetscherin begleiten. Wie kam es zu dieser Tradition?
Kleine: Anlass war die sehr konstruktive Kritik einer Frau, die Mutter eines gehörlosen Kindes ist. Sie hatte uns gesagt, dass ihr Kind so gern zum Martinszug kommen würde. Es hätte sehr viel Spaß an den bunten Laternen und am bunten Umzug. Ihr Kind sehe zwar Pferd und Bettler, aber es versteht die Geschichten nicht. Die Anregungen haben wir angenommen und sehr schnell eine Gebärdendolmetscherin organisiert. Sie übersetzt sogar die Lieder, die wir singen.
DOMRADIO.DE: Viele Menschen erwarten Sie zum Zug, wenn es nicht regnet?
Kleine: Das ist schwer im Vorhinein zu sagen. Im letzten Jahr waren es 8.000 Menschen. Das ist schon eine Menge. In den letzten Jahren waren es nie weniger als 6.000 Menschen. In dieser Größenordnung wird sich das bewegen.
Werner Kleine
„Wenn die Menschen an diesem Abend nach Hause gehen und sagen: ‚Von jetzt an will ich auch so ein bisschen Sankt Martin sein‘, dann wäre das super.
DOMRADIO.DE: Suchen Sie eigentlich noch Fackelträger und Ordner?
Kleine: Wir können jede helfende Hand gebrauchen. Bei einem Zug dieser Größenordnung ist immer viel zu tun, damit alles sicher und ordentlich abläuft. Wir hatten noch nie Zwischenfälle, auch dank der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Wir haben aber auch das THW, die Polizei und die Freiwillige Feuerwehr da. Aber jede und jeder, der noch helfen kann und dafür sorgt, dass der Zug ordentlich über die Bühne geht, ist herzlich willkommen. Wenn jemand sich spontan entscheidet: Am Montag um 16:30 Uhr sehr gerne auf dem Platz sein. Dann gibt’s eine Einweisung und zum Schluss natürlich auch einen Weckmann als Belohnung.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich, dass die Menschen vom Martinsumzug mit nach Hause nehmen?
Kleine: Ich freue mich, wenn die Menschen mitnehmen, dass es ein wirklich buntes Fest war. Ein fröhliches Fest, bei dem die Kinder lauthals mitgesungen haben. Wenn die Menschen an diesem Abend nach Hause gehen und sagen: „von jetzt an will ich auch so ein bisschen Sankt Martin sein“, dann wäre das super.
Das Interview führte Carsten Döpp.