Stand: 07.11.2025 16:51 Uhr

Bei der Justizministerkonferenz in Leipzig hat Niedersachsens Justizministerin Katrin Wahlmann (SPD) am Freitag eine Verschärfung des Strafrechts auf den Weg gebracht. Denn wer in Deutschland Vergewaltigungsvideos Erwachsener nur besitzt oder verbreitet, kann dafür bislang nicht bestraft werden.

Durch NDR Recherchen sei sie auf das Thema aufmerksam geworden, sagt Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) im NDR Info Interview. Zwei NDR Autorinnen hatten sich in ein internationales Vergewaltiger-Netzwerk eingeschleust und es aufgedeckt. Bei ihren Recherchen stießen sie auch auf ein Opfer aus Niedersachsen, das über Jahre heimlich von ihrem Partner betäubt, vergewaltigt und dabei gefilmt wurde. Die Aufnahmen wurden dann in dem Netzwerk geteilt.

Ein Mann filmt mit seinem Handy.

Zwei Journalistinnen schleusen sich undercover in ein globales Vergewaltiger-Netzwerk ein und decken es auf.

Wahlmann: „Müssen dringend tätig werden“

„Das ist mir vorgelegt worden und dann stand da so eine kleine Bemerkung am Rand ‚Der reine Besitz von Vergewaltigungsvideos ist nicht strafbar'“, sagt Wahlmann. „Das ist doch wirklich abscheulich. Wie kann das sein, dass das nicht strafbar ist?“ Sie habe die Frage dann von ihrer Strafrechtsabteilung prüfen lassen. Heraus kam, dass auch die Weiterverbreitung solcher Videos nicht unter allen Umständen strafbar ist, etwa dann nicht, wenn sie in einer internen Chatgruppe geteilt werden. „Da habe ich mir gedacht, da müssen wir dringend tätig werden“, sagt Wahlmann.

Jedes Anschauen solcher Videos „ein weiterer Missbrauch“

Denn jedes weitere Ansehen solcher Videos sei im Prinzip ein weiterer Missbrauch. „Es gibt tatsächlich richtige Vergewaltiger-Netzwerke, in denen Männer ihre Videos von Vergewaltigungen austauschen. Ich finde es absolut verwerflich, dass es diesen Markt gibt. Den müssen wir dringend austrocknen“, sagt Wahlmann.

Ihr Gesetzesvorschlag sieht vor, dass das Strafrecht im Hinblick auf Vergewaltigungen von Erwachsenen so ausgestaltet wird wie im Fall von Kindern. Bei Kinderpornografie werde der reine Besitz oder auch der Erwerb mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

Pornografische Bilder unscharf auf einem Smartphone-Display.

Der Besitz von Vergewaltigungsvideos Erwachsener ist bislang nicht strafbar. Die Justizministerkonferenz stimmt darüber ab, dies zu ändern. Eine Expertin warnt vor Schnellschüssen.

Vergewaltigungsvideos auf frei zugänglichen Pornoseiten

Ausgangspunkt der NDR Recherche seien Videos von Frauen auf frei zugänglichen Pornoseiten gewesen, die bewusstlos wirkten, sagt Autorin Isabell Beer im NDR Info Interview. „Diese Videos waren nicht professionell produziert, sondern sahen so aus, als wären sie mit dem Handy aufgenommen worden. Wir haben uns dann gefragt, was steckt da dahinter? Kann es wirklich sein, dass hier auf Pornoseiten Videos geteilt werden, die echte Vergewaltigungen an bewusstlosen Frauen zeigen?“

Nach Rücksprache mit der Redaktion haben sich die Autorinnen auf Pornoseiten dann als Mann ausgegeben und auch eigene Inhalte eingestellt. „Das waren Fotos, die so wirken wie eine Frau, die betrunken auf einer Party eingeschlafen ist“, sagt Beer. Das habe den Einstieg in das Netzwerk ermöglicht. „Darauf haben Leute reagiert und geschrieben ‚Mensch, man sollte mal das und das mit dieser Frau machen‘. Wir haben dann auch den Kontakt bekommen zu diesen Nutzern und eine Einladung in eine dieser Chatgruppen, die uns dann in weitere Chatgruppen geführt hat.“

Einsatz von Betäubungsmitteln – Ermittlungsbehörden eingeschaltet

Recht schnell sei es in den Chatgruppen sehr detailliert darum gegangen, welche Betäubungsmittel sich eignen und wie man eine Frau bewusstlos bekommen kann, ohne dass sie das merkt. „Das war ganz, ganz wichtig für diese Nutzer und es ging eben um Frauen aus dem direkten Umfeld, also die eigenen Partnerinnen, Mütter, Schwestern“, sagt Beer. „Diese Tatpläne waren sehr konkret.“ Da auch starke K.o.-Mittel zum Einsatz kommen sollten, die dann von Laien verabreicht werden, sei den Autorinnen schnell klar geworden, „das hier ist potenziell lebensgefährlich. Und da haben wir uns entschieden, an die Ermittlungsbehörden heranzutreten und die darüber zu informieren.“

Positive Signale aus allen anderen Ländern

Doch die hatten bisher in Sachen Besitz und Verbreitung solcher Videos kaum Handhabe. Am Freitag stellte Wahlmann bei der Justizministerkonferenz ihren Gesetzesvorschlag vor. Es sei „unerträglich, dass der Besitz und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Verbreitung von Vergewaltigungsvideos in Deutschland bislang straflos ist“, erklärten die Ministerinnen und Minister nach ihrer Sitzung in Leipzig.

Wahlmanns Beschlussvorschlag zeige die Strafbarkeitslücken, die nach aktueller Rechtslage bei dieser Thematik noch bestehen, deutlich auf. „Das Bundesjustizministerium muss diese Lücken nun schnellstmöglich prüfen und schließen“, hieß es. Final soll der Gesetzesvorschlag nun dem Bundestag vorgelegt werden. „Ich gehe davon aus, da wir quer über fast alle Parteien hier vertreten sind, dass dann auch der Bundestag das Ganze positiv bescheiden wird“, sagte Wahlmann.

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