Zum Beispiel die Neuhauser Straße 7. Ein Geschäfts- und Bürogebäude samt Rückgebäude aus dem Jahr 1953, von vorne eher unscheinbar, heute ist der Fanshop des FC Bayern darin untergebracht. Zwei Jahre lang wurde das Haus in der Fußgängerzone umgebaut, von 2021 bis 2023. Wie Sebastian Streck von Florian Nagler Architekten die Planungen beschreibt, zeigt gut, mit welchen Herausforderungen alle Beteiligten bei so einem Umbau konfrontiert sind.
Die Baustellen-Einrichtung war kompliziert, beim Vordergebäude musste der Denkmalschutz beachtet werden, die Fluchtwege waren ein größeres Thema. Immer mit dem Ziel vor Augen, das Grundstück „maximal auszunutzen“, so Streck, die Verkaufsflächen möglichst groß und attraktiv zu machen. Das alles ist offenbar so gut gelungen, dass das Planungsreferat das Projekt als eines der Beispiele für den diesjährigen „Tag der Umbaukultur“ ausgewählt hat.
Vor vier Jahren hat die Bundesstiftung Baukultur diesen Tag ins Leben gerufen, der seitdem jedes Jahr am 8. November stattfindet. Das Thema gewinnt von Jahr zu Jahr an Relevanz und Brisanz. Kein anderer Industriezweig verschlingt so viele Ressourcen wie die Bauwirtschaft, gleichzeitig wollen Städte und Kommunen in den nächsten Jahren klimaneutral werden. Dass man Gebäude nicht einfach abreißt, sondern kreativ umbaut, ist also längst eine ökologische Notwendigkeit.
Trotzdem komme das Thema in der breiten Öffentlichkeit nur bei „schwierigen Diskussionen wie der über das Strafjustizzentrum“ vor, sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Dabei gebe es bereits „viele große und kleine Projekte, die diesen Weg schon gehen“. In den vergangenen Jahren gab es im Stadtrat immer wieder Anträge dazu. Statt diese einzeln zu bearbeiten, will Merk das Thema nun strategisch angehen. Für das erste Quartal 2026 plant ihr Haus, das städtische Planungsreferat, eine Beschlussvorlage, die Vorgehensweisen zum Umbau im Bestand skizzieren soll.
Zugleich brauche es bundesweit zu dem Thema eine ähnliche Debatte wie zum sogenannten Gebäudetyp E, bei dem es darum geht, wie man möglichst günstig bauen kann, fordert Merk. „Ich hätte gern nicht nur einen Bau-Turbo, sondern auch einen Umbau-Turbo.“ Kosten sparen, Baugrund sparen und letztlich insgesamt effizienter sein – all das sei möglich, wenn man Gebäude umbaut, statt sie abzureißen. Ihrem Eindruck nach wandle sich da gerade auch bei vielen Investoren die Herangehensweise.
Wie das Umbauen gelingen kann, haben Architektinnen und Architekten zusammen mit dem Planungsreferat am Freitag anhand von Beispielen vorgestellt. Neben dem Geschäftshaus in der Fußgängerzone ging es dabei um ein altes Industriegelände am Standrand und eine Idee, die die Wohnungsnot lindern könnte – die Projekte könnten unterschiedlicher also nicht sein.
In München stehen viele Büros leer, gleichzeitig herrscht Wohnungsnot. Da liegt der Gedanke nahe, dass man die Büros in Wohnungen umwandelt. „Office to Housing – eine Handreichung zur Transformation ungenutzter Büroflächen in bezahlbaren Wohnraum“ heißt ein Leitfaden, den der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten Bayern in diesem Jahr herausgegeben hat und an dem auch Kerstin Oertel vom Planungsreferat beteiligt war.
Büros bringen deutlich mehr Mieteinnahmen als Wohnungen
Es geht darum, was finanziell und rechtlich zu beachten ist, wenn man aus einem Haus mit den typischen Büroparzellen etwas Ansprechendes machen möchte, in dem Menschen gern wohnen. Warum das nicht schon oft einfach gemacht wird? Erstens, wegen der geringeren Flächeneffizienz – beim Wohnen geht mehr für sogenannte Nebenflächen wie das Treppenhaus drauf. Zweitens, weil man für Büros deutlich mehr Miete verlangen kann als für Wohnungen. Und drittens, weil Büros auch aus steuerlichen Gründen wirtschaftlich interessanter für Investoren sind.
Doch seit der Corona-Pandemie haben viele Firmen ihre Büros aufgegeben. Potenziell 235 000 Wohnungen könnten durch die Umwandlung von Büros entstehen, diese Zahl für ganz Deutschland nannte das Bundesbauministerium vor zwei Jahren. Eine verlässliche Zahl für München gibt es nicht, doch auch hier könnte das Thema in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen. Trotz der Schwierigkeiten bei der Umsetzung gebe es für jedes Vorhaben Möglichkeiten, sagt Kerstin Oertel vom Planungsreferat: „Wenn wir das wollen, ist meistens ein Weg da.“
Matthias Haber, Geschäftsführer von Hild und K Architekten, stellt eine Bewertungstabelle mit zehn Faktoren vor, für jeden können Punkte vergeben werden. Dies soll eine erste Einschätzung geben, ob sich ein Bürogebäude für einen Umbau zum Wohngebäude eignet. Dazu gehören Themen wie verfügbarer Raum und Anbindung ebenso wie das Thema Schadstoffe oder die Frage, welche Nutzungen der Bebauungsplan überhaupt erlaubt.
Das Gelände des ehemaligen Ausbesserungswerks der Bahn in Neuaubing bleibt indes der Gewerbenutzung vorbehalten. Architekt Peter Ackermann berichtet vom jahrelangen Umbau auf dem riesigen Areal mit seinen denkmalgeschützten Hallen. So entstand dort beispielsweise in einer alten Industriehalle ein Indoorspielplatz. Solche Umbauprojekte machten einen „Riesenspaß“, sagt Ackermann. Man müsse viel mehr nachdenken als bei Neubauprojekten: „Wie kann ich eine Transformation schaffen, ohne mich in den Vordergrund zu stellen?“
Seine Kollegin Lydia Goseberg (Fischer+Steiger und Partner Architekten) stellt den Umbau der Werkhalle 3 auf demselben Areal vor. Dort wird Geschichte sichtbar: An den Fassaden finden sich noch Spuren aus dem Zweiten Weltkrieg, als die Bahnhallen mit Camouflage-Bemalung versehen wurden. Nach der Sanierung, die zwischen 2018 und 2023 stattfand, ist die mittlerweile in vier Hallen aufgeteilte ehemalige Werkhalle heute an ein Hightech-Unternehmen vermietet, das Laserkommunikationssysteme für die Luft- und Raumfahrt herstellt.