Der Auslöser für die schreckliche Tat hätte lächerlicher nicht sein können, sagte der Vorsitzende Richter Christoph Meiring in der Urteilsbegründung. Weil er einen Gesichtsverlust innerhalb der Familie befürchtet habe, tötete ein Mann aus Espelkamp im April seine Ehefrau mit 32 Messerstichen. Das Bielefelder Landgericht hat den 45 Jahre alten Mann nun wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

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Richter sieht eine „patriarchalische Lebensweise“ beim Täter

Der Mann und seine zwei Jahre jüngere Frau stammen aus Syrien, wo sie auch heirateten. 2015 flohen sie mit ihren zwei Kindern vor dem Bürgerkrieg aus ihrer Heimat nach Deutschland. In Espelkamp fanden sie ein neues Zuhause, ein weiteres Kind wurde hier geboren.

Nach außen war die Familie nach Ansicht des Gerichts um Integration bemüht: Die Eheleute besuchten Deutschkurse und waren berufstätig. Doch hatte es bereits in Syrien Konflikte zwischen den Partnern gegeben, auch schlug der Mann seine Frau und die Kinder. Nachdem er 2022 für einige Monate von Frau und Kindern verlassen worden war, besserte sich dies zumindest etwas.

„Dass Sie eine patriarchalische Lebensweise geführt haben, hat die Beweisaufnahme durch die Vernehmung mehrerer Zeugen ergeben“, sagte Richter Meiring in der Urteilsverkündung zum Angeklagten, der mittlerweile deutscher Staatsbürger ist. „Mir ist insbesondere ein Satz in Erinnerung geblieben, den Ihre Frau zu einer deutschen Freundin gesagt haben soll“, führte Meiring weiter aus, „nämlich dass sie so leben wolle wie eine deutsche Frau.“ Dies habe der Angeklagte vereitelt: „Diesen Traum hat Ihre Frau teuer bezahlt – nämlich mit dem Leben.“

Was laut Gericht in der Tatnacht in Espelkamp geschah

Auslöser der Tat vom 19. April dieses Jahres war ein Streit unter den Eheleuten. Ursprünglich hatte die Familie mit Ausnahme des ältesten Sohns an jenem Tag zu Verwandten der Frau in die Niederlande fahren wollen. Dem Mann stand der Sinn jedoch nicht gerade nach Familienbesuchen – insbesondere nicht, weil die Schwester seiner Frau, die er ablehnte, angekündigt hatte, mitzufahren. Am Vortag gerieten die Eheleute am späten Abend in einen Streit, weil die 43-Jährige nun überhaupt nicht mehr zu ihrer Familie fahren wollte. Jetzt aber befürchtete ihr Mann, er werde hierdurch vor der Verwandtschaft bloßgestellt.

Nach Ansicht des Gerichts spielte sich der Fall dann wie folgt ab. Nachdem das Paar sich ins Bett gelegt hatte, fand der 45-Jährige keinen Schlaf. In den frühen Morgenstunden beschloss er, seine Frau zu töten. Er stand auf, holte ein Messer mit einer Klingenlänge von 16 Zentimetern aus der Küche, begab sich zur Bettseite seiner Frau und stach 32 Mal mit großer Wucht auf die Schlafende ein. Die 43-Jährige starb innerhalb kurzer Zeit aufgrund ihrer schweren Verletzungen.

Als der Mann verstand, was er getan hatte, fügte er sich selber schwere Verletzungen mit dem Messer zu und verständigte schließlich die Polizei. Für die Frau kam jede Rettung zu spät, er selbst wurde im Krankenhaus in Lübbecke notoperiert und kam später in Untersuchungshaft.

Warum das Gericht dem Angeklagten nicht glaubte

In der mehrtägigen Verhandlung vor dem Landgericht hatte der Mann über eine Erklärung seines Verteidigers vortragen lassen, dass er in jener Nacht durch einen brennenden Schmerz im Bauch wachgeworden sei – dort habe ein Messer gesteckt. Er habe seine Frau weggestoßen und in einem „dynamischen Geschehen“ auf sie eingestochen.

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Dies sah das Gericht als widerlegt an – insbesondere, weil die meisten Stiche auf dem Körper der Getöteten größtenteils parallel zueinander und nah beieinander lagen, was für ein statisches Geschehen spreche. Außerdem, so führte Meiring aus, habe die Getötete beinahe keinerlei Abwehrverletzungen aufgewiesen – dies deshalb nicht, weil sie im Schlaf überrascht worden sei.

Dieses Urteil fällte das Gericht

Die Kammer verurteilte den bislang nicht vorbestraften Mann wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. „Es handelte sich um ein klassisches Beispiel eines Femizids“, sagte Richter Meiring. Denn der zugrundeliegende Streit habe sich um die Rolle der Frau in der Familie und in der Gesellschaft gedreht.

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