„Hilft uns nicht“

Kritik an Tempo bei Aufarbeitung sexualisierter Gewalt

08.11.2025 – 11:56 UhrLesedauer: 2 Min.

Sexualisierte Gewalt in der KircheVergrößern des Bildes

Ein Kirchturm (Symbolbild): Betroffene fordern auch bei der EKD-Synode in Dresden mehr Tempo bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa/dpa-bilder)

„Macht und Kirche“ ist Schwerpunkt bei der Synode der EKD in den kommenden Tagen in Dresden. Betroffene sexualisierter Gewalt drängen auf einheitliche Anerkennung ihres Leids.

Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie haben eine zügigere Aufarbeitung und Anerkennung ihrer Leidensgeschichte gefordert. „Sexualisierte Gewalt und Missbrauch sind schwerste Verbrechen. Kein Geld, keine Summe, keine Richtlinie kann wiedergutmachen, was Menschen angetan wurde“, sagte Nancy Janz, Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum der Kirche, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Das Thema „Macht und Kirche“ steht im Mittelpunkt der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in den kommenden Tagen in Dresden. Die Vertretung der Betroffenen fordert dabei die konsequente Umsetzung der Anerkennungsrichtlinie, die die EKD im März 2025 beschlossen hat.

Diese Richtlinie soll einheitliche Standards bei der Anerkennung des Leids schaffen. „Wir legen mit der neuen Richtlinie die Grundlage, um endlich den nicht hinnehmbaren Zustand zu beenden, dass Anerkennungsverfahren für ähnliche Taten in verschiedenen Landeskirchen zu verschiedenen Ergebnissen führen“, hatte EKD-Ratsvorsitzende Bischöfin Kirsten Fehrs damals erklärt.

Nancy Janz betont die Bedeutung der einheitlichen Umsetzung: „Diese Richtlinie ist ein Meilenstein. Aber nur, wenn sie tatsächlich umgesetzt wird, und zwar einheitlich.“ Sie warnt vor einem Zerfall in föderale Einzelwege. „Dass jede Landeskirche, jeder Landesverband wieder eigene Grenzen zieht. Nichts wäre fataler. Einheitlichkeit ist hier keine Frage, sondern ein Muss“, so Janz.

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„Macht, die sich nicht bewegt, ist Missbrauch“

Nancy Janz, Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum der Kirche

„Macht, die sich nicht bewegt, ist Missbrauch“, bringt es Janz auf den Punkt. Die Betroffenenvertretung werde als Alibi genutzt. Die nach außen betonte Beteiligung stoße innen immer wieder an Grenzen. „Wenn wir etwa um die Anerkennung unserer Expertise, Formulierungen, Sitzungszeiten oder Zuständigkeiten feilschen müssen“, so Janz: „Wir brauchen kein Mitgefühl, sondern die Übernahme von Verantwortung. Sonst kommen wir nicht weiter.“

Die Sprecherin der Betroffenenvertretung kritisiert das Schneckentempo der Aufarbeitung. „Das dauert alles viel zu lange. Der Verweis auf ein bürokratisches System mit vielen Gremien hilft uns nicht. Letztlich hat die Evangelische Kirche bei diesem Problem einfach viel zu spät angefangen.“

Die Zahl der Betroffenen lässt sich nach Angaben von Janz schwer abschätzen. „Wir haben keine Dunkelfeldstudie.“ In einer Untersuchung hätten vier Prozent der Befragten angegeben, sexualisierte Gewalt auch in religiösen Gemeinschaften erlebt zu haben.

Die 2024 vorgestellte Forum-Studie dokumentierte mindestens 1.259 beschuldigte Mitarbeitende und 2.225 betroffene Kinder und Jugendliche. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Während für eine ähnliche Studie zu Missbrauch in der katholischen Kirche rund 38.000 Personalakten von Geistlichen geprüft wurden, waren es für die evangelische Kirche und Diakonie nur 5.000 bis 6.000 vorwiegend Disziplinarakten.