Jürgen Kasek steht seit 22. Oktober vor dem Amtsgericht, unter anderem wegen Titelmissbrauchs: Der streitbare Grünen-Politiker und frühere Stadtrat soll trotz verlorener Zulassung vor drei Jahren weiterhin zum Schein als Rechtsanwalt praktiziert und Gelder abgerechnet haben. Am dritten Prozesstag gab der 44-Jährige über seine Anwältin eine Erklärung ab, in der er Fehler einräumte.

Am dritten Verhandlungstag brach Jürgen Kasek sein Schweigen: Einer Spirale aus Selbstüberschätzung, Gesundheitsproblemen und Überforderung sei es geschuldet, dass er sich jahrelang immer mehr in seiner Aktivität verzettelte und den Überblick verlor, so der frühere Stadtrat am Freitag, dem 7. November, im Amtsgericht. „Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Das ist wahnsinnig bekloppt“, räumte der 44-Jährige ein.

Angeklagter gibt Fehler zu

Wie berichtet, hat die Leipziger Staatsanwaltschaft den reichweitenstarken Lokalpolitiker unter anderem wegen Missbrauchs von Titeln und Berufsbezeichnungen sowie Betrugs auf die Anklagebank gebracht. Die Behörde geht davon aus, dass der Volljurist trotz eines ab 19. Juli 2022 rechtskräftigen Verlusts seiner Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer weiter zum Schein als Anwalt praktizierte, Mandanten vertrat und illegal Gebühren abrechnete. 42 Fälle stehen in der Anklageschrift.

Zumindest den Umstand, weiter seine Kanzleihomepage betrieben sowie die Bezeichnung „Rechtsanwalt“ auf X (ehemals: Twitter) und in der Signatur verwendet zu haben, stritt Jürgen Kasek nicht ab: Er habe nicht realisiert, dass schon die wahrheitswidrige Verwendung des Begriffs in der Signatur strafbar ist, hieß es in einer Erklärung, die Kaseks Verteidigerin Rita Belter am Freitag verlas.

Anwaltszulassung war Mitte Juli 2022 weg

Hier beschrieb Kasek, der seit März 2009 als selbständiger Rechtsanwalt gelistet war, dass 2017 Probleme mit der Beitragszahlung zum Rechtsanwaltsversorgungswerk begonnen hätten. Der aufgehäufte Schuldenberg war dann wohl auch der Hintergrund, dass Kasek ab 19. Juli 2022 nicht mehr als Anwalt praktizieren durfte. Vorausgegangen war ein Rechtsstreit, eine Klage vor dem Anwaltsgerichtshof in Dresden verlor der Grüne im April 2022.

An der Verhandlung nahm er schon nicht mehr persönlich teil, weil sein enormes Pensum Tribut gefordert habe, so der fast 45-Jährige: Als Anwalt habe er Strafsachen und andere Rechtsfelder abgedeckt, inklusive Notrufbereitschaft, Mandantenbetreuung, Annahme von bis zu 240 Neufällen pro Jahr und Verhandlungen am Gericht.

Gesundheitsprobleme und Verfolgungswahn

Dazu kamen das Stadtratsmandat ab 2019 mit Sitzungen und Gremienarbeit, die Teilnahme an Terminen und Demos sowie privat die Verantwortung als alleinerziehender Vater, was ihm kein ruhiges Stündchen gelassen habe. „Ab 2021 ist es so viel geworden, dass ich kaum hinterhergekommen bin. Ich hatte mich da selbst überschätzt.“

Ein Arzt habe ihn damals zum Kürzertreten ermahnt, so Kasek, zumal er laut seiner Aussage mit Magenproblemen und einer Autoimmunerkrankung kämpfte, die seine langen Haare ausfallen ließ: „Ich habe eine Zeitlang fast Verfolgungswahn bekommen, extrem schlecht geschlafen.“

Eine Anstellung beim Umweltbundesamt ab Mai 2022 war nach Kaseks Angaben nicht von Dauer. Ständig seien Anfragen gekommen und er habe die Kanzlei nebenher weiter betreiben wollen, im Sinne seiner Angestellten und der oft finanzschwachen Mandantschaft, die bei Schwierigkeiten Unterstützung brauchte: Darunter waren etwa Studenten und alleinerziehende Mütter.

Kasek bestreitet Streben nach Vermögensvorteil

Doch wenn ihm alles über den Kopf wuchs: Warum zog Kasek nicht die Notbremse? Auf Nachbohren der Vorsitzenden Richterin Ute Fritsch antwortete Kasek, er habe nicht gewusst, was er tun solle und irrsinnig darauf vertraut, es schaffen zu können.

Ein Ex-Angestellter von Kaseks Kanzlei sagte am Freitag als Zeuge aus, dass sein damaliger Chef vom Verlust der Zulassung mitgenommen war. Er habe aber beschwichtigt, dass er seine Lizenz „in zwei bis drei Monaten“ zurückhabe. Das sollte sich nicht erfüllen. Ein anderer Anwalt, der die Kanzlei vorübergehend übernommen haben soll, galt für die Leipziger Justiz skurrilerweise als ein Phantom, weil er kaum vor Gericht aufgetreten und selten greifbar gewesen sei.

Den Vorwurf, durch illegale Abrechnungen einen Vermögensvorteil angestrebt zu haben, wies der Angeklagte trotz eingeräumter Fehler von sich. Die detaillierte Auseinandersetzung mit diesem Teil der Anklage steht noch aus. Sein Ex-Mitarbeiter gab an, dass Kasek die Abrechnungen geprüft habe, was dieser anders darstellt. Dem jungen Mann, der später kündigte und nach seiner Aussage bis heute auf eine dreistellige Restzahlung seines Gehalts wartet, wandte sich Kasek direkt zu: „Es tut mir leid, dass alles gegen den Baum gefahren ist.“

Der Prozess wird fortgesetzt.