„Na denn laut us man up Platt wietermaken“, sagt Gerhard Heining, als er hört, dass sein Gegebüber ebenfalls Niederdeutsch spricht. Der 88-Jährige stammt aus Bardüttingdorf, einem Ortsteil von Spenge mit 1200 Seelen, der gerade einmal drei Kilometer vom Meller Stadtteil Neuenkirchen entfernt liegt.

Nur was für Oma und Opa? Darum spielen zwei junge Meller plattdeutsches Theater

Gerhard Heining, der auch Gerd genannt wird, ist Westfale und spricht Plattdeutsch seit seinem zehnten Lebensjahr. Er besuchte das Gymnasium, entschied sich dann aber für die Landwirtschaft auf dem zehn Hektar großen elterlichen Hof. „Als ich erkannte, dass die Größe des Hofs keine Zukunft hatte, machte ich noch eine Begabtensonderprüfung und studierte Lehramt.“ 30 Jahre war er „Schoulmester“ und kümmerte sich auch um die niederdeutsche Sprache. Er ist außerdem als Übersetzer von hochdeutschen Texten ins Plattdeutsche tätig, zum Beispiel übersetzt er kirchliche Texte und Losungen (Verse aus der Bibel) ins Ravenberger Platt.

Worum es in „Dubbelkobb met oinen Früomden“ geht

Heining hat zudem den Heimatkrimi „Doppelkopf mit einem Fremden“ von Hans Meyer zu Dütttingdorf ins Plattdeutsche übersetzt. Dabei ist eine neue Variante mit dem Titel „Dubbelkobb met oinen Früomden“ entstanden. Damit auch ungeübte Plattdeutsch-Leser den Inhalt verstehen, hat er die von ihm verfasste plattdeutsche Fassung in seinem Buch mit Fußnoten versehen.

Der Heimatroman von Heinz Meyer zu Düttingdorf, der jetzt bei Berlin lebt und sich gut im ländlichen Raum auskennt, ist teils wahr, teils erfunden. Die Übersetzung war laut Heining anspruchsvoll:

„De Luüe kuürt nich van en, owwer joider kinnt suine Geschichte: Fritz, de jüngeste Suohne un Iarbe van denn gräoden Moiggerhoff, es os Kuind in oinen Müohlenduike vodrunken. Was da man blöots oin Unglücke? Wat es doamoals passiert? Os oin jungen Forscher vosöcht dat riut to kruigen, schint de Wäoherhoid ant Lecht to kuomen. Owwer witt dat de Luüe in Duarpe?“

Das ist Ravensberger Plattdeutsch und bedeutet: „Die Leute sprechen nicht von einem, aber jeder kennt seine Geschichte. Fritz, der jüngere Sohn und Erbe von dem großen Meierhof, ist als Kind in einem Mühlenteich ertrunken. War das nur ein Unglück? Was ist damals passiert? Als ein junger Forscher versucht, das herauszubekommen, scheint die Wahrheit ans Licht zu kommen. Aber wissen das die Leute im Dorf?“

Warum Gerhard Heining das Buch unbedingt übersetzen wollte

Was war Gerhard Heinings Ansporn, dieses Buch, das auch als Hörbuch bei Spotify und YouTube zu hören ist, ins Ravensberger Platt zu übersetzen? In dem Buch gibt es drei Sprachebenen, wie Heining erklärt. Die Bauern und ihre Kötter sprechen um 1930 untereinander Plattdeutsch. „Mit ihren Kindern sprechen sie jedoch Hochdeutsch, da es feiner klang.“ Und dann gibt es noch Missingsch, eine Mischform aus Hochdeutsch und plattdeutscher Grammatik. „Das Ganze fand ich sehr interessant“, so Heining.

Dem früheren Lehrer ging es nicht nur um die erfundene Dorfgeschichte und den mysteriösen Tod des Meierhof-Erben. Der Hauptgrund war, den regionalen plattdeutschen Dialekt des Ravensberger Platt in einem Dokument festzuhalten.

Heining achtete nicht nur auf die Vokabeln und die Aussprache. Er hatte auch die plattdeutsche Grammatik im Blick, denn für Platt gibt es keine festgelegten Rechtschreibregeln. „In unserem Dorf spricht außer mir nur noch ein 95-Jähriger Ravensberger Platt“, bedauert der ehemalige Lehrer. Er ergänzt, dass der hiesige Heimatverein jetzt aber mit der VHS Kurse mit Achim Schröder aus Kirchlengern anbietet.

Warum Plattdeutsch so besonders ist

„Plattdeutsch ist eine eigene Sprache, ein Kulturgut mit verschiedenen regionalen Dialekten.“ Die Schwierigkeit liegt laut Heining in den Diphthongen, die im Hochdeutschen nicht so häufig verwendet werden.“ Der Diphthong, auch Zwielaut oder Zweilaut genannt, ist ein Doppellaut aus zwei aufeinanderfolgenden, unterschiedlichen Vokalen.

Maria Brunsmann hat plattdeutsches Theater in Gesmold geprägt

Das bedeutet, dass die beiden Vokale beim Sprechen verbunden und eben nicht voneinander getrennt gesprochen werden. Im Deutschen sind diese Kombinationen üblich: au, ei, ai, eu, äu und ui. Die Diphthonge ei/ai sowie eu/äu klingen gleich. Ein Sprach-Beispiel ist Feuer/Fuüer oder Feier/Fuier. Die Verwendung, Häufigkeit, Aussprache und Schreibweise der Diphthonge ist regional unterschiedlich.

Auch wird im Ravenberger Platt das G als Ch am Wortanfang gesprochen. Das ist ein besonderer Rachenlaut, den es auch im Niederländischen gibt. Menschen, die Plattdeutsch beherrschen, verstehen die regionalen Unterschiede weitgehend.

Wieso nur noch wenige Menschen Plattdeutsch sprechen

Aber warum verlor das Niederdeutsche an Bedeutung? Es war einst eine beliebte Sprache, wie Heining weiß. Später galt es als verpönt, obwohl Plattdeutsch seine Blütezeit als gesprochene und geschriebene Sprache zu Zeiten der Hanse hatte. Niederdeutsch war somit immerhin die „Weltsprache“ des hanseatischen Wirtschaftsraumes.

„Der Verfall der plattdeutschen Sprache setzte ein, als Staat und Kirche es verboten, Plattdeutsch zu sprechen. Pastoren wurden sogar strafversetzt, falls sie die Anweisungen nicht befolgten“, erläutert Heining das drastische Verschwinden dieser alten germanischen Sprache. Die Sprache hat eher Verbindungen zum Niederländischen und Englischen als zum modernen Hochdeutsch.

Gerhard Heining hat eine Hoffnung fürs Plattdeutsche

Plattdeutsch wurde Ende des 20. Jahrhunderts in die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprache aufgenommen. Der Grund dafür ist der erhebliche Anteil von Wörtern, die es im Hochdeutschen nicht gibt. Außerdem ist die Grammatik deutlich anders: Dativ und Akkusativ sind nicht getrennt, sondern zu einem Objektfall vereint. Es gibt nur zwei Artikel – de, dat – und meistens keinen Genitiv (mit Ausnahmen wie Meiers Fittken).

„Die Wiederbelebung des Plattdeutschen hat in Schulen und Kindergärten nicht den gewünschten Erfolg gebracht, da es einfach nicht praktiziert wird“, bedauert Heining. Er hofft aber, dass durch Plattdeutschlesen ein größeres Sprachverständnis erlangt werden kann, wenn nicht durch eigenes Sprechen, dann wenigstens durch Verstehen.

Weitere Artikel aus Ostwestfalen größer alsGrößer als Zeichengrößer alsGrößer als Zeichen