Die Büste der Nofretete ist heute eine globale Ikone. Frauen in aller Welt fühlen sich von ihr repräsentiert. Zum Beispiel die Sängerin Beyoncé. Mit hautengem Body, langem Umhang, viel Schmuck und einem hohen, unverkennbar nofreteteartigen Kopfschmuck stilisierte sie sich bei einem Konzert 2018 als Wiedergängerin der ägyptischen Königin. Auch in Mexiko, Brasilien, Nigeria, China und Indien spielt die Gattin des Pharaos Echnaton eine Rolle.

Gehört Nofretete allen?

Allein Nofretetes Umrisse deuten sofort an, um wen es geht, manchmal auch um was es geht, sagt der Historiker Sebastian Konrad, Autor des Buchs „Die Königin – Nofretetes globale Karriere“. Gehört Nofretete allen? Wie ist die 50 Zentimeter hohe und fast 3.400 Jahre alte, farbig bemalte Kalksteinbüste überhaupt nach Berlin gekommen?

„Es war in Ägypten so, dass es durchaus ein Interesse an der antiken Geschichte gab, aber häufig nicht die finanziellen Mittel“, erklärt Sebastian Konrad. Deshalb sei man „darauf angewiesen gewesen und froh darüber, dass europäische Länder die Ausgrabungen finanzierten.“ Aus einer Kooperation, die man vereinbart habe, habe man den Ausgräbern die Hälfte der Funde zugesprochen.

Für Juristen ist die Sache „sauber“ – offiziell ausgeführter Fund

Eigentlich war allen klar, dass die Nofretete als bedeutendstes Stück in Ägypten bleiben würde. Doch dann landete sie doch im Berliner Teil. Wie konnte das geschehen? „Wir wissen“, so der Historiker Konrad, „dass die deutsche Seite die Objekte vor der Inspektion schon in Kisten verpackt hatte.“ Das heißt, es könnte sein, dass dadurch nicht sofort erkannt wurde, um was für einen bedeutenden Fund es sich handelte.

Für Juristen ist die Sache „sauber“. Das, was vom Teil des Ausgrabungsfundes nach Berlin kam, war offiziell genehmigt. Genau so sieht es die Direktorin des Ägyptischen Museums Berlin, Friederike Seyfried. „Also die Gültigkeit ist nach dem jeweiligen Rechtssystem der damaligen Zeit adäquat gewesen.“

Ist, was im Kolonialismus legal war, heute noch legitim?

Legal sei aber nicht automatisch legitim, schränkt der Historiker Sebastian Konrad ein. „Zugespitzt“ könne man formulieren, dass die Gesetze, auf denen diese legale Argumentation beruhe, selber Teil einer kolonialen Situation waren. Kein Land würde sie heute akzeptieren, Ägypten hat sie schon zehn Jahre nach der Ausgrabung, als das Land unabhängig wurde, nicht mehr akzeptiert.

Das heißt: Hätte die Büste der Nofretete nur zehn Jahre länger im Wüstensand gelegen, stünde sie heute in einem Museum in Kairo. Und so sehen es auch die meisten Ägypter, vor allem die, die nahe dem urspünglichen Fundort leben.

„Nofretete gehört in die Wüste“ – Rückgabe bislang gestoppt

„Hier ist ihr Zuhause, hier ist ihre Heimat“, sagt eine Frau. Die Deutschen hätten sie in eine fremde Umgebung gebracht. Aber sie sollte nicht in einer modernen Großstadt stehen, Nofretete sollte hier an ihrem Ort in der Wüste stehen.

Zweimal wurde die Rückgabe auf den letzten Drücker gestoppt. Das erste Mal 1930, als ein Aufschrei dagegen durch die deutsche Bevölkerung ging. Und dann 1933 durch Hitler, der von der Büste fasziniert war und eine Rückgabe stoppte.

Nofretete hat eine eigene Berliner Geschichte

Und heute? Das Bewusstsein über koloniales Unrecht ist in den letzten Jahren gewachsen. Immer mehr Museen blicken kritisch auf die Herkunft ihrer Sammlungen. Im Bewusstsein um die kolonialen Strukturen rund um die Entdeckung der Nofretete könnte man sie freiwillig an ihren Ursprungsort überführen.

Es gibt allerdings auch Argumente für einen Verbleib der Büste in Deutschland. Die Büste hat in Ägypten nie jemand gesehen. 3.400 Jahre lag sie im Wüstensand, bis sie von deutschen Wissenschaftlern ausgegarben wurde. In diesem Sinne könnte man argumentieren, ihre Rezeption sei allein eine, die in Berlin stattgefunden hat. Und insofern hat sie auch eine Berliner Geschichte, die man nicht einfach wegdiskutieren kann.

Hat es ein „Geschmäckle“, dass Nofretete nicht auf Reisen geht?

Am 1. November soll das Große Ägyptische Museum in Kairo offiziell eröffnet werden, das größte archäologische Museum der Welt. Wäre das nicht ein idealer Anlass, das berühmteste Werk ägyptischer Kunst nach 100 Jahren in Deutschland auch mal in Ägypten zu zeigen?

Dagegen spricht allein schon der Zustand der Büste. Laut Experten ist sie so fragil, dass sie überhaupt nicht mehr reisen darf. Leihanfragen werden von Berlin aus konsequent abgelehnt, egal von welchem Land oder Museum sie kommen. Seit 1913 hat Nofretete Berlin nicht mehr verlassen. Es ist unwahrscheinlich, dass sie es je tun wird, auch wenn dabei mindestens ein Geschmäckle bleibt.