Angehende junge Architekten aus Stuttgart zeigen, wie mitten in der Stadt zwischen Cranko-Schule und der Staatsgalerie ein toller Ort entstehen könnte. Wie sieht er aus?

Oft liegt Stuttgart am Meer, allerdings vor allem in der Fantasie und wenn vorm Stadtpalais am Charlottenplatz im Sommer mal wieder die Liegestühle ein bisschen Sonnestrandspaßfeeling verbreiten. Seit das Museum und die Treppe zu Ende saniert wurden, ist das einer der Lieblingsplätze junger Stuttgarterinnen und Stuttgarter – ebenso wie ein paar Meter weiter das Café im Neubau der Landesbibliothek.

Zwei auch architektonisch großartige Stuttgarter Orte, gestaltet von LRO Architekten, sind das. Und wenn es nach den Architekturstudierenden der Internationalen Hochschule (IU) mit Sitz in Stuttgart und anderen deutschen Städten geht, könnte ganz in der Nähe ein weiterer Hotspot dazukommen. Direkt hinter der Staatsgalerie auf einem Grünstreifen wäre Platz für ein Haus der Architektur – das definitiv nicht nur für Experten ein Place to be wäre.

Stuttgarter Studierende unter den Gewinnern

Die Studierenden der dualen Architekturhochschule haben Entwürfe als Bachelor-Abschluss-Arbeit vorgestellt. Und weil man zuweilen einen noch besseren Blick hat, wenn man von einiger Entfernung auf etwas schaut, ging der erste Platz des Wettbewerbs nach Hamburg. Sieger ist Justin Guevarra (Jahrgang 1998), alle anderen Auszeichnungen bleiben in Stuttgart. Marco Mota Benitez (1997 geboren) schaffte es auf Rang zwei gefolgt von Jonas Eckardt (Jahrgang 2000), eine Anerkennung erhielt außerdem der 2003 geborene Jan Jansen.

Im Zentrum der Aufgabe stand die Frage, wie ein neues „Haus der Architektur“ für Stuttgart aussehen könnte. Die Entwürfe knüpfen an das private Architekturmuseum des 2018 gestorbenen Architekten Roland Ostertag am Gähkopf im Stuttgarter Norden an, das er als lebendigen Ort für Baukultur geschaffen hatte. Die Studierenden führen diesen Gedanken weiter, so war die Idee, mit Konzepten entlang der Kulturmeile an der Konrad-Adenauer-Straße, die den Dialog zwischen Architektur, Stadt und Gesellschaft neu beleben wollen.

Er gewann den zweiten Preis im Wettbewerb: Der angehende Stuttgarter Architekt Marco Mota Benitez . Foto: IU Stuttgart Haus der Architektur in Stuttgart mit Café und Treppe

Ein heller Flachdachbau, einladend, selbstbewusst sich in die prominente Nachbarschaft von Stirling-Bau und Cranko-Schule einreihend, das wäre Marco Mota Benitez’ Idee. „Das Haus der Architektur in Stuttgart setzt einen klaren, reduzierten Schlusspunkt der Kulturmeile“, ist Marco Mota Benitez’ Ansatz. „Es ist nicht nur ein Museum, sondern eine Hommage an die reine Form und die Klarheit des Raums. Architektur wird hier nicht nur ausgestellt, sie wird erlebt.“

Das Ausstellungskonzept? „Wenige, wohlplatzierte Exponate bestimmen den Raum. Ein großes Stadtmodell – Essenz der gebauten Stadt – bildet das Highlight. Skizzen, Pläne, Modelle erzählen von Architektur als Idee und Konstruktion. Keine Ablenkung, keine Inszenierung – nur das Wesentliche.“ Gedacht aber wurde an vieles: von der Wohnung für den Direktor über Arbeits- und Archivräume bis zu einem Café und einem kleinen Basketball-Feld. Geist und Körper in Bewegung.

Ein Beitrag zur Stuttgarter Stadtentwicklung

Sollte der Wettbewerb einmal mehr als ein Anstoß werden und sollte ein Haus gebaut werden, wäre die öffentliche Hand gefragt, in deren Besitz sich das Grundstück befindet. Über das Grundstück verläuft eine Frischluftschneise. Und zwar parallel zur John-Cranko-Schule, und sie tangiert dann auch das besagte Baufeld.

„Die vier prämierten Entwürfe berücksichtigen diese Gegebenheit und verorten sich entweder in direkter Verlängerung zur Cranko-Schule oder ducken sich eingeschossig unter der Frischluftschneise weg“, sagt der Architekturprofessor Uwe Bresan. „Auf dem Grundstück befindet sich außerdem noch ein Abluftschacht des darunter liegenden Wagenburgtunnels. „Auch der wurde in die Entwürfe integriert.“

Nun wäre so ein Haus der Architektur nicht der einzige Ort für räumliche Gestaltung in der Stadt. Es existieren ja neben dem Haus der Architektinnen und Architekten der Architektenkammer in der Danneckerstraße auch noch den Wechselraum des Bundes deutscher Architektinnen und Architekten in der Friedrichstraße. Diese seien als Ausstellungs- und Veranstaltungsräume oft zu klein und liegen stark abseits, ist Bresans Einschätzung.

Wolle man ein breites Publikum ansprechen, könnte „ein Haus der Architektur in direkter Nachbarschaft zur Stuttgarter Kulturmeile ein wirklicher Ort der Stadtgesellschaft werden, um über Form, Gestalt und Entwicklung der Stadt Stuttgart zu informieren und zu diskutieren. Nicht zuletzt findet die Architektur so neben den anderen Künsten ihren gleichberechtigten Platz.“

Und die Stuttgarterinnen und Stuttgarter hätten einen weiteren coolen urbanen Ort zu erobern – sollte Benitez’ Entwurf umgesetzt werden sogar mit einer weiteren Treppe, ganz in Weiß.

Weitere Bilder der anderen Siegermodelle findet ihr in der Bildergalerie.

Info

Haus der Architektur
Der Stuttgarter Architekt Roland Ostertag (1931-2018) unterhielt am Gähkopf 3 ein privates Architekturmuseum. Im Zentrum seiner Sammlung stand ein knapp 30 Quadratmeter großes Modell der Stadt Stuttgart im Maßstab 1:1000. Drumherum hatte Ostertag eine Ausstellung unter dem Titel „Stuttgart – Woher? – Wohin?“ organisiert.

Die Idee
Mit dem Entwurf eines „Hauses der Architektur“ soll ein solcher Ort neu entstehen. Modell und Ausstellung Ostertags sollen einen neuen würdigen Rahmen finden – nicht im Sinne einer staubigen Musealisierung, vielmehr soll die Tradition Ostertags fortgeführt werden; sich das Modell auch in Zukunft der sich ändernden Stadtgestalt anpassen; und die Ausstellung auf neue Themen der Stadtgesellschaft reagieren.

Wettbewerb
Sowohl Fernstudierende als auch Dualstudierende an den IU-Standorten Berlin, Hamburg, München und Stuttgart präsentierten ihre Konzepte einer unabhängigen Fachjury, die die besten Arbeiten prämierte.